„80 Prozent Erkenntnis, 20 Prozent Disziplinierung“

Beitrag von: Boris Karkowski
26. April 2018

Im Interview erklärt Dr. Frank Müller, was die Deutsche Private Equity (DPE) als Finanzinvestor nach einer Unternehmensbeteiligung zuerst anpackt – und welche Auswirkungen das für die beteiligten Manager, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer hat.

Die Fragen stellte Boris Karkowski

Die Unternehmervertrauten: Herr Dr. Müller, aus dem Mittelstand hört man häufig die Klage, der Reporting-Aufwand steige nach dem Einstieg eines Private-Equity-Investors sehr stark an. Man komme dadurch weniger zum Umsetzung. Was ist an dem Vorwurf dran?

Dr. Frank Müller: Wir investieren grundsätzlich in Wachstumsunternehmen, die häufig eine steile Entwicklung hinter sich haben. Natürlich gibt es dort in der Regel bereits Management Reportings. Wir gehen dann mit dem Management diese Reportings durch und fragen: Welchen Einfluss haben die Angaben im Reporting auf die Steuerung des Unternehmens? Da werden dann mögliche Defizite recht schnell deutlich.

Und es wird klar: Es braucht ein ordentliches ERP-System…

Kosten und Implementierungsaufwand von ERP-Systemen schrecken viele Manager ab. Aber sie erkennen auch, dass Excel zu schnell an Grenzen stößt. Darum wählen wir meist einen Kompromiss. Mit nur zwei „Business-Intelligence“-Softwaretools können wir in der Regel einen enormen Erkenntnisgewinn erzielen, weil beispielsweise falsche Kostenrahmen und Zuordnungen sichtbar werden. Die neue Transparenz führt in aller Regel zu 80 Prozent Erkenntnisgewinn und zu 20 Prozent Disziplinierung.

Und das macht auch jeder mit?

Die meisten, aber nicht jeder. Manchmal gibt es sehr hohe Widerstände im Management – das sind in der Regel die, die besonders stark ins operative Geschäft eingebunden sind. Allerdings: Jedes Unternehmen denkt in einer Wachstumsphase, die Produktionsfaktoren seien schon zu 100 Prozent ausgelastet. Aber allein durch kritisches Hinterfragen arbeiten wir heraus, dass sich durch Optimierung die Belegung um 10 bis 20 Prozent steigern lässt – und das in bislang jedem Fall.

Wie lange dauert die Implementierung der neuen Tools typischerweise?

Wir gehen solche Veränderungen sehr schnell an, schon in den ersten Tagen nach Übernahme machen wir einen intensiven, mehrtägigen „Die nächsten 100 Tage“-Workshop mit dem Management. Dann dauert es rund sechs bis zwölf Monate, bis die Implementierung abgeschlossen ist. Die Veränderungsbereitschaft ist in den ersten 12 Monaten am größten, danach wird es herausfordernder.

Wo gibt es häufig neue Erkenntnisse?

Weil Kosten und Erlöse schneller und besser zugeordnet werden können, sehen alle deutlicher, wo mehr, wo weniger Handlungsmöglichkeiten bestehen. Übrigens werden auch personelle Engpässe klarer. Denn wir haben mehr als einmal erlebt, dass das Organigramm eines Unternehmens nichts mit der gewachsenen Realität zu tun hat. Also haben wir auch da Transparenz und können Überlasten identifizieren – und hoffentlich heilen.

Wieso eigentlich „wir“? Ist das nicht Aufgabe des Managements?

Ja, klar. Aber uns ist es dennoch wichtig, dass wir auf dem gleichen Informationsstand sind wie das Management. Gibt es eventuell Liquiditätsbedarf? Organisatorische Bottlenecks? Vielleicht können wir helfen, beispielsweise mit Liquidität und der Suche nach neuen qualifizierten Mitarbeitern. Darum möchten wir zumindest die Kernfakten so schnell kennen wie das Management selbst. Ein Monatsbericht ist aber ausreichend und kann an den für Banken erforderlichen Bericht angelehnt sein.

Ein weiterer „Klagepunkt“ ist der ungeheure Wachstumsdruck – und das schon bei vorher recht anständigen Wachstumsquoten. Kriegen Private-Equity-Fonds den Hals nicht voll?

Das Wichtigste für uns ist die Wertsteigerung eines Unternehmens, denn unser Gewinn entsteht aus der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis. Daher nehmen wir keine Ausschüttungen während der Haltezeit vor. Wachstum ist anstrengend, aber hat auch viele positive Auswirkungen – beispielsweise eine Risikodiversifizierung, wenn das Unternehmen in weiteren Märkten aktiv ist und global agieren kann.

Können denn die Kanzleien, die das Unternehmen vor dem Einstieg von DPE begleitet haben, angesichts der Veränderungen noch an Bord bleiben – gerade die Internationalisierung dürfte manche regionale Kanzlei überfordern.

Wir würden nur ungerne die bestehenden Kanzleiverbindungen der Unternehmen kappen. Die verstehen die Sprache des Managements und kennen die Unternehmen sehr gut. Und bislang haben wir auch nicht das Problem gehabt, dass die Kanzleien überfordert wären. Denn viele haben internationale Netzwerkpartner. Oder das Unternehmen sucht sich im Auslandsmarkt eine lokale Kanzlei, die dann mit ihrer vertrauten Kanzlei in Deutschland zusammenarbeitet. Das funktioniert gut, auch Kontinent übergreifend.

Bildnachweis: DPE

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