In der Krise finanzieren

Beitrag von: Carl-Jan von der Goltz
19. Februar 2021

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Die Insolvenzzahlen und der Sanierungsbedarf dürften in diesem Jahr deutlich anziehen. Modelle wie Asset-based Finance können ins Straucheln geratenen Firmen helfen, sich neu aufzustellen.

Die aktuelle Wirtschaftskrise – verursacht durch die Corona-Pandemie und die wie­derholten Lockdowns – hätte einen star­ken Anstieg der Firmenpleiten mit sich bringen müssen. Stattdessen ist deren Zahl bisher jedoch massiv gesunken. Das Statistische Bundesamt meldete für 2020 einen Rückgang um 15,9 Prozent gegen­über dem Vorjahr. Den Grund sehen die Experten in den staatlichen Rettungs­maßnahmen, wie dem vereinfachten Kurzarbeitergeld, Sofortkrediten, Zu­schüssen und vor allem der vorüberge­hend ausgesetzten Insolvenzantrags­pflicht. Für überschuldete Unternehmen war die Insolvenzantragspflicht bis Ende Dezember 2020 ausgesetzt. Für solche Firmen, bei denen die Auszahlung von Staatshilfen noch aussteht, gilt die Aus­setzung bis Ende April.

Von der Corona- zur Finanzierungskrise?

Doch Experten deuten die Zahlen als Ruhe vor dem Sturm. Viele Branchen ste­cken in existenziellen Schwierigkeiten: Automobilbau, Reise, Touristik und sta­tionärer Einzelhandel. Die Forscher des Instituts für Wirtschaft rechnen deshalb mit einem Nachholef­fekt bei den Insolvenzen. Um bis zu 36 Prozent könnten die Zahlen in diesem Jahr im Vergleich zu 2020 steigen.

Von einem ähnlichen Szenario geht auch das Leibniz-Zentrum für Europäi­sche Wirtschaftsforschung (ZEW) aus, das kürzlich 174 Finanzmarktexpertin­nen und -experten zu ihren Insolvenz­erwartungen befragt hat. 55 Prozent davon prognostizieren einen starken An­stieg der Unternehmenskonkurse in den nächsten sechs Monaten.

Immer wahrscheinlicher wird dabei die Verlagerung der Wirtschaftskrise in den Finanzierungssektor. 45 Prozent der vom ZEW Befragten erwarten stark steigende Kreditausfälle. Mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer sieht die typischen Partner mittelständischer Un­ternehmen, die Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken, von diesen Ausfällen besonders betroffen. Die Kreditinstitute waren zuletzt noch rege mit der Auszah­lung von KfW-Schnellkrediten befasst, weil hier der Staat das Risiko bis zu 100 Prozent übernommen hat. Angesichts der aktuellen Entwicklung dürften die klassischen Finanziers künftig sehr vor­sichtig agieren.

Sanierung anders finanzieren

Treffen die düsteren Prognosen ein, werden sich künftig deutlich mehr Unternehmen finanziell und strukturell sanieren müssen – sei es im Rahmen ei­ner Insolvenz oder einer vorinsolvenz­lichen Restrukturierung. Letztere wird durch die Novelle des Insolvenzrechts in Zukunft eine größere Rolle spielen. Zum Jahresbeginn ist das StaRUG in Kraft ge­treten, ein Gesetz, das Unternehmen bei drohender Zahlungsunfähigkeit die prä­ventive Sanierung erleichtert.

Eine zentrale Herausforderung ist in diesen Sondersituationen immer die Finanzierung. Und die könnte we­gen der unter Druck stehenden klassi­schen Geldgeber künftig noch schwie­riger werden. Vor diesem Hintergrund gewinnen alternative Finanzierungs­instrumente wie Asset-based Finance an Bedeutung. Darunter fallen Modelle wie das Sale & Lease Back oder Asset-based Credit in Form von besicherten Darlehen, wobei im Rahmen der Finan­zierungsentscheidung vorrangig auf die Zweitmarktfähigkeit bzw. Handelbar­keit der sicherungsübereigneten Vermö­gensgegenstände eines Unternehmens abgestellt wird, dessen Bonität entspre­chend in den Hintergrund tritt.

Sale & Lease Back für Produzenten

Das objektbasierte Finanzierungsmo­dell Sale & Lease Back (SLB) ist be­sonders für mittelständische Produ­zenten und Verarbeiter interessant, da es Liquidität durch eine reine Innen­finanzierung generiert. Dabei werden werthaltige, mobile und fungible Ma­schinen-, Anlagen- oder Fuhrparks an einen Finanzierungspartner ver­kauft und vom Unternehmen sofort zurückgeleast. Es kann die Produk­tionsmittel dadurch ohne Unterbre­chung weiternutzen. Durch SLB kön­nen stille Reserven gehoben und Liquidität freigesetzt werden, die den Unternehmen bspw. bei außergericht­lichen Restrukturierungen, bei Sanie­rungen im Rahmen der Insolvenz oder bei der Auftragsvorfinanzierung nach einer überstandenen Krise zur Verfü­gung steht. SLB-Modelle lassen sich zudem relativ schnell umsetzen: Von der ersten Anfrage bis zur Auszahlung des Kaufpreises vergehen i.d.R. nur we­nige Wochen.

Umlaufvermögen als Sicherheit

Neben Sale & Lease Back lässt sich auch mit sogenannten Asset-based-Credit-Modellen Liquidität freisetzen. Dabei wird auf meist ungenutztes Potenzial zurückgegriffen: das im Unternehmen durch Anlage- und Umlaufvermögen gebundene Kapital – Maschinen, Fuhr­parks, Warenlager, Handelswaren, Im­mobilien und selbst Sachwerte. Diese Assets können im Rahmen der Finan­zierung als Kreditsicherheiten genutzt werden. Ihre Tauglichkeit und der letzt­liche Beleihungswert werden individu­ell vom Finanzier ermittelt. Asset-based Credit wird im Rahmen von Restruktu­rierungen und Sanierungen ebenso ein­gesetzt wie in Wachstumssituationen – in Produktions- sowie in Handelsun­ternehmen, im E-Commerce sowie im Re-Commerce.

Illustration: 123rf.com/Bakhtiar Zein

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