Helfer in (der) Not

Beitrag von: Bastian Frien
10. Juli 2020

Die Pandemie hat nicht nur die Realwirtschaft, sondern auch deren Dienstleister erwischt. Gemeinsam mit den Unternehmervertrauten sind sie in der Krise aber als Rettungshelfer wichtiger denn je.

Die Krise hat die Corporate Finance Community genauso kalt erwischt wie den Rest der Wirtschaft. Zwar war es für jeden offensichtlich, dass nach der Finanzkrise etliche Hausaufgaben in Politik und Finanzwirtschaft nicht gemacht worden waren, die politische Großwetterlage zunehmend undurchsichtig wurde und das Konjunkturbarometer immer weiter sank. Dennoch hatten sich die meisten in der durch reichlich Zentralbankliquidität erkauften Ruhe behaglich eingerichtet. Nur der eine oder andere Restrukturierer hatte Grund zur Klage. Das ist schlagartig vorbei. Die M&A-Berater sehen kaum mehr Deals, die Finanzinvestoren machen ihre Unternehmen krisenfest, die Banken vermitteln unzählige Fördermittel und sorgen sich gemeinsam mit den Debt Funds um ihre Wackelkandidaten. Die Finanzierungsberater warten noch auf die Aufträge, die aber kommen werden. Einzig die Restrukturierungsberater und die alternativen Finanziers laufen bereits zur Hochform auf.

Nichts geht ohne Kapital …

Was dabei unterzugehen droht: Die Zunft ist jetzt wichtig wie nie. Zwar ist die Branche nicht gut darin, der breiten Öffentlichkeit ihre Relevanz für die Gesamtwirtschaft vor Augen zu führen. Das hat auch damit zu tun, dass die Corporate Finance Community nicht organisiert ist, obwohl es unzählige Interessenvertretungen gibt, die von den Banken über Factoring, Leasing, Private Equity, Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Fintechs und M&A-Berater bis hin zu den Sanierern reichen. Die einzelnen Bereiche schaffen es aber nicht, ihre Stimmen zu bündeln. Dabei ist die Branche für die Überwindung von Krisen von entscheidender Bedeutung. Die Dienstleistungen der Corporate Finance Community sind auch in guten Zeiten wichtig und zum Teil von strategischer Relevanz für die Realwirtschaft und werden darum auch vergleichsweise hoch bezahlt. Umgekehrt gilt: Weil die Themen ebenso komplex wie spannend sind und in den meisten Bereichen viel Geld verdient werden kann, zieht Corporate Finance zahlreiche kluge Köpfe an. Die sind nun gefragt. Corporate Finance mit der Mischung aus Kapital und Rat ist in Unternehmenskrisen und gerade in breiten Wirtschaftsabschwüngen ein unentbehrlicher Helfer für die Realwirtschaft. In dieser besonderen Pandemie-Krise, die erstens kaum eine Branche ungeschoren lässt und zweitens fast simultan weltweit eingetreten ist, gilt das umso mehr – und zwar für alle Bereiche. In normalen Zeiten ist Finanzierung außer bei Übernahmen oder Sprunginvestitionen eine zwar notwendige, aber wenig beachtete Komponente des wirtschaftlichen Erfolgs. In der Krise ist Liquidität die Lebensader des Unternehmens.

… und Sanierungs-Know-how

M&A-Transaktionen sind immer ein wichtiger strategischer Baustein in der Unternehmensfinanzierung. In der Krise kann der Teilverkauf die Rettung sein – wenn auch das nicht mehr hilft, trägt der rasche und kluge Notverkauf vor oder nach der Insolvenz maßgeblich dazu bei, das Geschäftsmodell und möglichst viele Arbeitsplätze zu retten.

Restrukturierung ist immer zentral für das Überleben eines Unternehmens. Darum schlägt in der Krise die Stunde der operativen Sanierer. Und weil alle Maßnahmen, jeder Rat und jede Finanzierung nicht nur inhaltlich fundiert begründet und gut umgesetzt, sondern auch rechtlich abgesichert sein müssen, kommt auch den Anwälten eine besondere Bedeutung zu – ansonsten drohen Anfechtungen und lange Streitigkeiten. Dasselbe gilt für die steuerlichen und bilanziellen Auswirkungen aller Maßnahmen, sodass den Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern in der Krise – neben ihrer Rolle als oft engstem Vertrauten des Unternehmers – eine besondere Verantwortung zuwächst.

Klar ist aber: In Summe fehlen dem Markt in einer tiefen Krise an allen Ecken und Enden die Experten. Da in einer Sanierung weniger schiere Manpower als Erfahrung gefragt ist, lässt sich auch keine Workforce aus dem Boden stampfen. Zwar können Berater aus dem klassischen Corporate-Finance-Umfeld oder operative Berater mit dem Schwerpunkt Change Management unter kundiger Anleitung relativ rasch „umgeschult“ werden. Der Mangel an Expertise wird dennoch viele der kommenden Restrukturierungsfälle prägen.

Für den kleineren Mittelstand sind Spezialisten rar, aber es gibt sie

Die Unterstützung durch Corporate-Finance-Experten ist nicht günstig. Die Stundensätze der spezialisierten Restrukturierungsberater und Anwälte sind so hoch, dass viele Mittelständler sie sich nicht leisten mögen oder können. M&A- und Finanzierungsberater wiederum schätzen monatliche Retainer, vor allem verdienen sie aber oft auch im Erfolgsfall anteilig am Transaktionsvolumen. Mit diesen Modellen liegt der Fokus auf größere Mittelständler nahe. Trotzdem stehen die kleineren Unternehmen nicht im Regen: Für alle Größen und Anlässe bietet der Markt Spezialisten, die im Krisenfall beratend oder mit Geld zur Seite stehen.

Das Unternehmen muss diese Retter in der Not aber finden. Hier kommt den Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern eine wichtige Rolle zu. Sie haben zwar in der Regel wenig umfassende Sanierungsexpertise, kennen aber den Mandanten gut und haben oft ein umfassendes Verständnis der Zusammenhänge. Da sie außerdem in der Regel das Vertrauen des Unternehmers genießen, können sie den richtigen Experten ins Spiel bringen. Daneben haben natürlich auch die finanzierenden Banken ein großes Netzwerk an sanierungserfahrenen Partnern. Nur gemeinsam mit den Spezialisten ist diese Krise zu bewältigen.

Illustration: 123rf.com/floralset

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