In der Krise kauft man Unternehmen

Beitrag von: Prof. Dr. Robert Simon
29. April 2020

Konjunkturzyklen und Disruptionen sind nicht neu. Der Abschwung bietet Chancen für die Starken im Wettbewerb und die „Systemrelevanten“. So manches Familienunternehmen nutzt sogar die aktuelle Krise und stärkt seine Wettbewerbsposition.

Wir alle haben die dramatische Krise 2008/09 erlebt und sind zur Tagesordnung übergegangen. Es war scheinbar etwas Einmaliges und der Staat hat gut geholfen. Ist die Corona-Krise auch einmalig? Vermutlich ja und es ist naheliegend, dass die Wirtschaft sich nach dem Shutdown schnell erholt. Die Einmaligkeit dieser Zusammenbrüche ist dennoch zu hinterfragen. Haben wir schon die disruptiven Folgen der Digitalisierung für den stationären Handel, die Strukturkrise in der Automobilindustrie und die sich abzeichnende Immobilien- bzw. Finanzblase vergessen? Der Staat wird auch in dieser Krise wieder mit einer Liquiditätsschwemme helfen und damit zur Inflationierung und latenten politischen Destabilisierung beitragen. Ob das eine erstrebenswerte Zukunft ist, darf bezweifelt werden.

Gute Staats- und Unternehmensführung bedeutet unter anderem, sich von der Illusion der Einmaligkeit disruptiver Krisen zu verabschieden. Von Unternehmen verlangt das Flexibilität bei dem Bezug von Ressourcen (wie Material und Personal) und der Infrastruktur (Outsourcing), hohe eigene Substanz im Kerngeschäft, eine Selektion der Kunden nach Zukunftspotenzialen und finanzwirtschaftliche Reserven (wie freie Sicherheiten und freie Liquidität).

Resiliente Geschäftsmodelle gesucht

Das sind die Merkmale von Geschäftsmodellen, die in Konjunkturkrisen relativ stabil sind. Solide Geschäftsmodelle sind Ausdruck guter Unternehmensführung und dennoch schützen sie nicht vor dem Zusammenbruch bei einem dramatischen Umsatzausfall, wie ihn die Luftfahrtindustrie derzeit erlebt. Es ist deshalb gut, dass der Staat „systemrelevante“ Unternehmen stützt und generell den betroffenen Menschen hilft. Steuergelder für „nicht systemrelevante“ Unternehmen herzugeben ist aber nicht sinnvoll. Mit Verlaub: Europa wird nicht an dem Untergang geliebter Sportvereine zerbrechen und nach ihrer Insolvenz sind diese auch schnell wieder zu reanimieren. Das ist eben das Risiko des Kaufmanns.

Damit ist klar, welche Unternehmen auch in der Krise ihre Attraktivität für M&A-Prozesse behalten:

  • systemrelevante Unternehmen (wie bspw. aus dem Bereich Entsorgung) und die „Krisengewinner“ (z.B. die Hygienebranche)
  • gut geführte und damit relativ krisenresistente Unternehmen mit zukunftsfähigem Geschäftsmodell
  • Start-ups (bspw. aus dem Bereich Biotechnologie), die es noch nicht geschafft haben, sich krisenresistent aufzustellen
  • Insolvenzfälle, deren Geschäftsmodell sich nach der Krise schnell erholt bzw. leicht neu zu modellieren ist (z.B. Gastronomie)

Ein Sonderfall sind Unternehmen in der Strukturkrise wie Zulieferer. Die Corona-Krise kann für sie zum „Brandbeschleuniger“ werden und ggf. zur Folge haben, dass sie in irgendeiner Form durch von ihnen abhängige Kunden (z.B. OEMs) gestützt werden müssen – Auslaufmodelle kauft man normalerweise nicht.

M&A mit Fingerspitzengefühl

Unternehmensverkäufe sind vor allem ein Thema des Preises – und der ist in der Krise eine Anreizbremse für die Verkäufer. Naheliegend ist ein Verkauf in Zwangssituationen, z.B. Fälle in der Insolvenz oder bei akut drohender Insolvenz.

Es gibt aber unabhängig von der Wirtschaftslage Szenarien, in denen der Preis für den Verkäufer nicht dominant ist. Das sind im Mittelstand oft Nachfolgeregelungen, Erbschaften und Branchenkonsolidierungen oder auch neue Geschäftsideen. Dort ist in M&A-Prozessen Kreativität gefragt, weil es um gesichtswahrendes Vorgehen und den künftigen Lebensunterhalt des Verkäufers und seines „Clans“ geht. „Alles oder nichts“-Konzepte der Käufer sind dann nicht zielführend, eher der Einstieg über eine Minderheitsbeteiligung mit Kaufoptionen, Earn-out-Modelle, Joint Ventures mit Ausbaupotenzial etc. Der Verkäufer sieht in dem Prozess für sich eine tragbare Option für die Zukunft, sofern der Käufer als seriös bekannt ist. Die Hausbank und der Steuerberater sind oft für den Verkäufer die Helfer, auf die er sich stützt.

Die Stunde der Patriarchen

Es war vor der Corona-Krise nicht leicht, Unternehmen zu kaufen, und das ist es auch jetzt auch nicht, obwohl genügend Liquidität verfügbar ist. Chancen gibt es naturgemäß für Restrukturierungsspezialisten und Distressed-Finanziers. Das ist offensichtlich. Gute Chancen sollten aber auch solide aufgestellte und handlungsfähige Strategen haben, insbesondere Familienunternehmen unter Führung eines entschlossenen Patriarchen. Sie können jetzt auf die ihnen persönlich bekannten Wettbewerber zugehen und – ohne den Exit-Druck der Finanzinvestoren – gemeinsam über mögliche langfristige Formen des Zusammengehens nachdenken. Sobald die Strategen für sich selber die Corona-Folgen und die zu erwartende Wirtschaftsentwicklung – ob V-, v- oder U-Verlauf – gut abschätzen können, werden sie die Treiber und Gewinner in den anstehenden M&A-Prozessen sein.

Illustration: 123rf/ideagu

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