Unternehmervertraute in Baden-Württemberg

Beitrag von: Boris Karkowski
29. Juni 2018

Wir stellen wichtige regionale Kanzleien vor, die für ihre Vertrauensstellung bei mittelständischen Mandanten bekannt sind. Was zeichnet sie aus, was machen sie anders? Den Anfang unserer Kanzleiserie macht der industriereiche Südwesten Deutschlands.

Der wirtschaftsstarke Raum, in dem viele mittelständische Weltmarktführer ihre Heimat haben, hat auch eine ganze Anzahl erfolgreicher mittelständischer Kanzleien hervorgebracht. Obwohl auch keine Großkanzlei auf regionale Präsenz mindestens in Stuttgart verzichtet, behaupten sich die Mittelstandskanzleien und haben sich in bestimmten Fachgebieten einen Namen weit über die Region heraus erarbeitet. Wir haben uns umgehört und auch die Kanzleien selbst befragt: Was unterscheidet Sie, was könnte den Erfolg erklären? Natürlich ist das Geschäft stets personengetrieben. Wir haben jeweils einen anderen Aspekt hervorgehoben, um die Bandbreite der Möglichkeiten zu betonen. Außerordentliche Fachkompetenz und ein guter Draht zum Kunden sind die Grundlage jeder erfolgreichen Kanzlei.

So unterschiedlich die Schwerpunkte der im Folgenden porträtierten Kanzleien auch sein mögen – so augenfällig sind auch die Gemeinsamkeiten: Die Kanzleien sind groß genug, um Fachwissen auch in Spezialfragen aufbieten zu können, aber mittelständisch genug, um nicht die Strukturen einer Großkanzlei haben zu müssen. Das haben sie mit ihren Kunden gemein. Es zeigt sich, dass den Kanzleierfolg mehr ausmacht als die Köpfe beispielsweise der Gründungspartner. Hinzu kommt die Freude an der Vernetzung mit anderen Kanzleien und Spezialisten, um den Mandanten stets Kompetenz anbieten zu können, auch wenn sie mal nicht im eigenen Hause vorrätig ist. Allerdings klagen auch die herausragenden Kanzleien (fast) alle besonders über ein Problem: die Schwierigkeit, ausreichendes gutes Personal zu finden. Die zahlreichen erfolgreichen Industrieunternehmen in der Region sind eben nicht nur ein Segen.

Anchor: Team-Geist

Die an insgesamt elf Standorten – darunter Ulm, Stuttgart und Mannheim – ansässige Kanzlei war ursprünglich eine Ausgründung aus Wellensiek. Restrukturierung und Insolvenzen stehen weiterhin im Mittelpunkt der Tätigkeit, aktuell mit ALNO. Auffällig ist, dass die Kanzlei keine erfolgreichen Seniorpartner im Namen aufführt. Und das ganz bewusst, wie Partner Thomas Rieger erklärt: „Bei uns steht der Teamgedanke im Vordergrund. Alle Partner arbeiten in einen Topf. Denn auch wenn nur einer zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist, so ist der Erfolg immer von allen Beteiligten abhängig.“ Das sei bereits bei der Gewinnung eines Mandats so, denn viele Kollegen hätten ihr persönliches Netzwerk eingesetzt. Und der Teamansatz, sagt Rieger, führe auch dazu, dass bei einem großen Beratungsmandat die am besten geeigneten Fachleute auf die Mandate gesetzt werden können. Auch würde im Sinne der Fairness honoriert, dass tendenziell schlechter honorierte spezialisierte Arbeitsrechtler häufig eine entscheidende Rolle beim Erfolg eines Mandats spielten.
Die besondere Herausforderung dieses Ein-Topf-Vorgehens sei allerdings die ohnehin schon schwierige Auswahl, wer es in den Partnerkreis schafft. Anchor nutzt dafür zuerst ein Assessment Center, gefolgt von einer zweijährigen Übungsphase als „Kooperationspartner“. In dieser Phase müssen vorab festgelegte Ziele erreicht werden, wie zum Beispiel „drei größere Mandate im Team erfolgreich zu akquirieren“. „Auch hier setzen wir schon auf gemeinsame Erfolge“, betont Rieger. Derzeit gibt es bei Anchor 15 Partner bei rund 110 Mitarbeitern.

Bender Harrer Krevet: Pforzheim, nicht Stuttgart

Am Eingang sind noch die Handwerker zugange, die letzten Arbeiten am neuen Büro werden gerade abgeschlossen. Dabei ist Bender Harrer Krevet schon etwas länger am Standort Pforzheim präsent. „In und um Pforzheim herum sind viele interessante Unternehmen ansässig“, sagt Arbeitsrechtler Dr. Fabian Schmeisser. „Die freuen sich, dass wir ganz in der Nähe sind.“ Die auf den Mittelstand ausgerichtete Wirtschaftskanzlei hat in Karlsruhe, Freiburg und dem grenznahen Lörrach weitere Standorte – aber nicht in den Großstädten Stuttgart oder Mannheim. In der Region finden sich zahlreiche Hidden Champions, die es – so die Erfahrung des Anwalts – schätzen, dass sie für die Beratung nicht immer nach Stuttgart fahren müssen. Vier Anwälte sind derzeit in Pforzheim ansässig, das Gros der Kollegen sitzt in Lörrach und Freiburg. Bender Harrer Krevet verspricht die Professionalität einer Großkanzlei direkt vor Ort. „Viele Partner unserer Kanzlei haben zuvor in Großkanzleien oder, wie ich, in einer Kanzleiboutique gearbeitet. Alle haben unbestrittene Kompetenz in ihrem jeweiligen Fachgebiet.“

Prof. Dr. Binder, Dr. Dr. Hillebrecht & Partner: Doppelte Senior-Garantie

Die Namensgeber der Kanzlei sind schon längst nicht mehr im Unternehmen. Vor rund 15 Jahren ist ein Team ehemaliger Arthur-Andersen-Mitarbeiter in die Kanzlei eingestiegen und hat seitdem bhp als einen weiteren Namen im mittelständischen Kanzleimarkt in und um Stuttgart etabliert. Ähnlich wie bei KMZ gilt auch für bhp: Spezialisierung ist Trumpf, interdisziplinäre Zusammenarbeit wird gefördert. Ein Schwerpunkt liegt bei bhp auf der Begleitung von M&A-Transaktionen. Auffällig – und im Mittelstand wie auch bei der öffentlichen Hand sehr geschätzt – ist der hohe Anteil erfahrener Seniorkompetenz statt der bei Großkanzleien häufig gelebten Pyramidenstruktur. Eine Erfahrung, die Albrecht Bacher schon während seiner Zeit bei Andersen gemacht hat: Mandanten mögen es gar nicht, wenn der Senior Partner sich nur beim Pitch und der Abschlusspräsentation blicken lässt. Darum sind Bacher und seine Kollegen selbst oft beim Mandanten vor Ort. „So lassen sich Fragen schnell mit der nötigen Fachkompetenz klären.“ Soweit im Interesse des Mandanten zielführend, werden weitere Spezialisten wie Steuerberater oder Jurist von bhp unmittelbar hinzugezogen. Das garantiert unterschiedliche Blickwinkel und, sagt Bacher, bringt immer wieder neue Lösungen, auf die einer allein vielleicht nicht gekommen wäre. Dass alle an einem Strang ziehen, dafür sorgt auch die Gleichstellung aller Equity-Partner. Wie bei Anchor auch wandern alle Erlöse in einen gemeinsamen Topf. Vor allem zeige es aber auch dem Mandanten, dass die erforderliche Kompetenz im Hause vorhanden ist. „Der Mandant darf nie das Gefühl haben, wir verlieren ihn“, betont Bacher.

DWT. Dörner: Einst in der Haut der Mandanten gesteckt

Noch ein Spezialist vor den Toren Stuttgarts. In Ludwigsburg, nur einen Steinwurf vom Schloss entfernt, hat das kleine Team von DWT. Quartier im „Film- und Medienzentrum“ bezogen, in unmittelbarer Nachbarschaft so Neugierde-weckender Unternehmen wie „Frag Mutti Gmbh“ oder „What When Why“. Achim Dörner und Kollegen bieten Transaktions- und Restrukturierungsberatung sowie Sonderprüfungen in schwieriger Unternehmenslage. Dörner war bis zur Gründung 2012 Gesellschafter von Bansbach, doch hat er seine ersten Berufsjahre beim Big-4-Prüfer EY verbracht. Von dort wurde er zur Hochphase des Neuen Marktes von jungen Unternehmen abgeworben, sodass er erst Leiter Finanzen beim ehemaligen Börsenstar Brokat Technologies wurde. Danach ging er als Vorstand zur EuroArts Medien AG, bei der in der Krise 2002 eine harte Restrukturierung folgte. „Ich weiß daher, was passiert, wenn es im Unternehmen richtig schlecht läuft. Ich habe das alles selbst erlebt und kann sehr gut nachfühlen, wie sich ein Unternehmer in einer Krisensituation fühlt“, sagt Dörner. Die Boutique DWT. erstellt unter anderem Fortführungsprognosen und Unternehmensbewertungen, ihre Mandanten sind in der Regel Mittelständler mit 5 bis 40 Millionen Euro Jahresumsatz, Abweichungen nach oben gibt es natürlich auch.

Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz: Die Unternehmerfamilienkanzlei

Kaum ein Anwalt wird so sehr mit deutschen Familienunternehmen verbunden wie Prof. Dr. Brun-Hagen Hennerkes. Seit mehr als 40 Jahren ist die Kanzlei Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz auf Familienunternehmen und – das zeichnet sie aus – ebenso auf die dahinterstehenden Unternehmerfamilien spezialisiert. „Wir leisten keine Dauerberatung, sondern wollen nur spezielle Aufgaben lösen“, sagt Hennerkes. Die Kanzlei lehnt daher auch Stundensätze ab, sondern vereinbart ein festes Honorar für die Gestaltung insbesondere in den Bereichen Nachfolge, Gesellschaftsstruktur und Finanzierungsstruktur. Da Unternehmen und Familie in seiner Beratung nicht zu trennen sind, ist Hennerkes nicht nur die hervorragende fachliche Qualifikation der Mitarbeiter wichtig, sondern auch deren charakterliche. Denn für den Umgang mit Familien in herausfordernder Situation braucht es nicht zuletzt Einfühlungsvermögen. „Man muss auch so mutig sein, unbequeme Wahrheiten offen auszusprechen – wenn der Junior zum Beispiel für die Nachfolge nicht geeignet ist“, erklärt Hennerkes. Für reichlich Mandantenanfragen sorgt nicht zuletzt Hennerkes‘ umfangreiche Netzwerkarbeit. Ob das „Juniorenwochenende“ mit rund 160 Teilnehmern aus dem Gesellschafterkreis oder dem Eigentümer-Management von Familienunternehmen oder die „Stiftung Familienunternehmen“, bei deren Jahrestreffen sich Spitzenpolitiker die Klinke in die Hand geben – Hennerkes und seine Kollegen genießen als deutschlandweit tätige Kanzlei eine herausragende Stellung weit über den Südwesten Deutschlands hinaus.

Kullen Müller Zinser: Team aus Spezialisten

Die unter anderem für ihre Kompetenz im Steuerstrafrecht bekannte Kanzlei Kullen Müller Zinser aus Sindelfingen erklärt ihren guten Ruf auch durch ihre Spezialisierung. „Wir sind groß genug, um uns über die ‚normale‘ Arbeit der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung hinaus spezialisieren zu können“, sagt Geschäftsführerin Dr. Bettina Iffland-Zinser. „Aber klein genug, um den Kollegen um Rat fragen zu können.“ Großkanzleien hätten zwar das ausgewiesene Spezialistenwissen, doch gebe es da zu wenig Austausch untereinander. Bei den „Kleinen“ hingegen stünde die Konzentration auf das klassische Geschäft zu sehr im Vordergrund. „Heute geht es ohne solche Spezialisierung nicht mehr, dafür sind die Themen zu komplex geworden. Früher war mehr Wissen in wenigen Personen konzentriert, heute muss es auf mehr Schultern verteilt werden.“ Damit es über die Spezialisierung zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Rechtsanwälten komme, werde bei KMZ, wo alle der rund 35 Berufsträger in einem offen gestalteten Bürogebäude vis-à-vis von Daimler sitzen, häufig gemeinsam zu Mittag gegessen. „So erfährt man auch informell viel Hilfreiches“, berichtet Mit-Geschäftsführer Dr. Sebastian Zerbe. Hinzu kämen regelmäßige interne Weiterbildungen, damit man auch außerhalb der eigenen Spezialisierung auf dem Laufenden bleibe. Trotz des Team-Ansatzes gebe es aber immer eine klare Mandatszuordnung zu einem Partner. Besonders erfreut sei man, dass neben dem Gewinn von Neumandaten bei vielen langjährigen Mandanten der Übergang auf die nächste Generation gelungen sei. Nicht nur beim Mandanten selbst, sondern auch innerhalb der Kanzlei KMZ. Die Gründerriege verabschiedet sich langsam gen Ruhestand, die achtköpfige Geschäftsleitung der Kullen Müller Zinser Treuhand GmbH besteht derzeit zur Hälfte aus der „Nachfolger-Generation“.

Menold Bezler: Großkanzlei-Leistung, Boutiquen-Preis

Menold Bezler ist wahrscheinlich die größte Kanzlei Deutschlands mit nur einem einzigen Standort. 2004 von 13 ehemaligen Kollegen aus dem EY-Verbund gegründet, ist sie inzwischen zu einer Full-Service-Kanzlei mit mehr als 90 Berufsträgern angewachsen. Von Arbeitsrecht bis zur Vollstreckung reicht das auf mittelständische Unternehmen zugeschnittene Kanzleiangebot. Menold Bezler betont die betriebswirtschaftliche Denke, die nicht nur mit entsprechenden Zusatzqualifikationen, sondern auch mit der Mitarbeit in zahlreichen Aufsichtsräten begründet wird. „Wir geben pragmatische Lösungen in kurzen, klaren Handlungsempfehlungen“, erläutert Partnerin Dr. Jasmin Urlaub. Schnell und auf den Punkt, das schätze der mittelständische Mandant. Ebenso wie die Kostenstrukturen. „Wir sind beim Preis eher auf Boutiquen-Niveau“, sagt Urlaub. Um sich im harten Wettbewerb um die besten Köpfe abzusetzen, werden die Themen Perspektive und Work-Life-Balance hervorgehoben. „Nach sieben Jahren bin ich Partnerin geworden, weil es eine gezielte Förderung ermöglicht, schnell selbst zu akquirieren“, erzählt sie. Mitarbeiter erhielten am Anfang zwar nicht die Spitzengehälter von über 100.000 Euro, aber dafür biete man früh die Einbeziehung in Mandate in unterschiedlichsten Rechtsgebieten, individuelle Förderung sowie Erleichterungen wie ein eigenes Eltern-Kind-Zimmer und finanzielle Unterstützung für Kita-Plätze. Durch eine enge Zusammenarbeit mit Hochschulen, aber auch gemeinsame Initiativen mit anderen mittelständischen Kanzleien aus Nord- und Westdeutschland etwa beim Karriereevent Jurfixe gelinge es, trotz schwierigen Marktumfelds ausreichend neue Fachkollegen zu gewinnen.

Rowedder Zimmermann Hass: Lehre und Praxis

Klein aber fein, verspricht die Boutique Rowedder Zimmermann Hass. Die sechs Anwältinnen und Anwälte sind auf die Beratung von Mittelständlern bis hin zu MDAX- und DAX-Unternehmen spezialisiert (Namen werden prinzipiell nicht genannt). Vor allem Nachfolge/Erbrecht und M&A sowie gewerblicher Rechtsschutz und Steuerrecht sind die Schwerpunkte der Mannheimer Kanzlei. Prof. Dr. Ralph Landsittel betont die Lehrtätigkeit aller drei Seniorpartner in der Kanzlei. Landsittel selbst ist Lehrbeauftragter an der Universität Mannheim, Kollege Pentz ebenfalls – während Kollege Haug an der Universität Heidelberg lehrt. Außerdem bestreiten die Anwälte regelmäßig Weiterbildungen im Rahmen der Deutschen Anwaltakademie, der Deutschen Richterakademie und vielen weiteren Veranstaltern. „Da muss man sofort jede Neuerung kennen, denn wir können es uns natürlich nicht leisten, auch nur ein paar Wochen hinter dem aktuellen Stand der Rechtsprechung und Gesetzgebung zu sein“, sagt Landsittel. Die Lehrtätigkeit hat für Rowedder mehrere Vorteile: Zum einen positioniert sich die Kanzlei bei anderen WP, StB und Anwälten als Fachspezialist, an den kompliziertere Aufgaben abgegeben werden; zum anderen erhält sie Zugang zu herausragenden Nachwuchskräften, die gezielt für ein Referendariat oder ähnliches angesprochen werden können.

Bildnachweis: iStock.com/dane_mark

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