Aufsichtsgremien fehlt häufig Digitalkompetenz

Beitrag von: Klaus Weigel
9. April 2020

Die Digitalisierung von Geschäftsmodellen gewinnt in vielen Branchen immer mehr Bedeutung. Der digitale Sachverstand in Aufsichtsräten hält mit dieser Entwicklung jedoch nicht Schritt. Eine konsequente Verjüngung der Aufsichtsgremien könnte Abhilfe schaffen.

Ein Schiedsrichter bei einem Fußballspiel, der die Spielregeln nicht kennt? Was im Sport undenkbar wäre, ist in vielen Aufsichtsräten von Unternehmen leider immer noch der Fall. Zusätzlich gewinnt mit der fortschreitenden Digitalisierung von Geschäftsmodellen auch das Thema Datensicherheit an Bedeutung. Als Bestandteil des Risk Managements zählt dieses seit jeher zu den originären Aufgaben eines Aufsichtsrats. Können Aufsichtsräte ohne digitalen Sachverstand ihrer Kontroll- und Beratungsfunktion überhaupt noch nachkommen?

Aktuelle Studien bspw. von Alix Partners, des Arbeitskreises deutscher Aufsichtsrat e.V. (AdAR) oder der Boston Consulting Group zeigen, dass das Thema Digitalisierung zumindest in den größeren Unternehmen zwar weitgehend angekommen ist. Allerdings sind nur wenige der befragten Aufsichtsratsmitglieder davon überzeugt, dass bereits heute in den Vorständen ausreichend Digitalkompetenz vorhanden ist. Viele der Befragten würden daher ausdrücklich ein Digitalisierungsressort innerhalb des Vorstands begrüßen. Auch für den Aufsichtsrat selbst sehen die interviewten Mandatsträger noch erheblichen Nachholbedarf an Knowhow. So spricht sich eine Mehrheit der Befragten dafür aus, bei Neubesetzungen im Aufsichtsrat Personen mit digitalem Know-how zu bevorzugen.

Neuer Typus Aufsichtsrat gesucht

Der fehlende digitale Erfahrungshintergrund der Aufsichtsräte – wie etwa bei Industrie-4.0-Anwendungen – ist im Wesentlichen die Folge der Besetzungssystematik in den Aufsichtsgremien. In der Vergangenheit waren vor allem lang gepflegte Netzwerke und – insbesondere in Familienunternehmen – verwandtschaftliche Beziehungen für die Zusammensetzung von Aufsichtsorganen ausschlaggebend.

Um diese digitale Kompetenzlücke in Aufsichtsräten zu schließen, müssten neue, deutlich jüngere Mitglieder in die Aufsichtsräte einziehen. Nur wer seine komplette Wertschöpfung – von F&E über Produktion und Vertrieb bis hin zu IT und Finanzen – digitalisiert, wird langfristig im Wettbewerb bestehen können. Aufsichtsgremien sollten sich also intensiv mit der Frage der Identifizierung und Nominierung sogenannter Digital Natives befassen. Dies könnte mit Blick auf künftige Aufsichtsratsbesetzungen für eine neue Dynamik und einen entsprechenden Weitblick bei der Funktion des Aufsichtsrats als strategischer Sparringspartner sorgen. Dieser neue Typus wäre in jedem Fall eine Bereicherung für die Arbeit von Aufsichts- und Beiräten und würde Einblicke in neue Geschäftsmodelle, aber auch in alternative Führungs- und Organisationsformen ermöglichen. Einige Unternehmen haben ihre Aufsichtsgremien inzwischen schon in diese Richtung besetzt: Es gibt aber noch viel Luft nach oben.

Bereitschaft zur Weiterbildung

Das heißt nicht, dass alle Aufsichtsräte IT-Profis werden müssen. Aber sie sollten verstehen lernen, wie die Digitalisierung Märkte verändert, welche Schwerpunkte zu setzen sind und wie das zu kontrollierende Unternehmen auf die Zukunft vorbereitet werden muss. Das erfordert eine permanente Lernbereitschaft. Eigene Wissenslücken bei Themen wie Big Data, Künstliche Intelligenz oder Deep Learning müssen erkannt und geschlossen werden – etwa durch den Austausch mit anderen Aufsichts- und Beiräten oder durch speziell auf die Belange des Gremiums zugeschnittene Expertentrainings.

Digitalkompetenz muss heute Normalität im Aufsichtsrat sein. Letztlich steht sie auch für die Fähigkeit eines Aufsichts- oder Beirats, die operative Führung des Unternehmens nicht nur bei der digitalen Transformation zu beraten und zu unterstützen, sondern auch für eine adäquate Besetzung des Vorstands bzw. der Geschäftsführung zu sorgen.

Illustration: 123rf.com/Jesadaphorn Chaiinkeaw

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