Mandanten fordern mehr Effizienz

Beitrag von: Marc Morawietz
30. August 2021

Wie wirkt sich die Pandemie auf Planungen, Prioritäten und Perspektiven von Kanzleien und Rechtsabteilungen aus? Diesen Fragen ist die Studie „Future Ready Lawyer 2021: Der Rechtsmarkt nach der Pandemie“ von Wolters Kluwer nachgegangen. Die Ergebnisse zeigen: Die Covid-19-Pandemie hat im Rechtsmarkt den Einsatz von Technologie beschleunigt. Dennoch sind viele Mandanten unzufrieden mit der Produktivität ihrer Kanzlei.

Wenngleich sich Legal Tech bereits seit einigen Jahren einen Platz auf der Agenda von immer mehr Juristen gesichert hat, hat die Pandemie doch eine neue Dynamik in den Wandel des Rechtsmarkts gebracht. Mit der Notwendigkeit, Mandanten aus dem Home Office in gleicher Qualität und Intensität zu betreuen, führte für Kanzleien an adäquaten Techniklösungen kein Weg vorbei. Rechtsabteilungen tendieren angesichts steigender Arbeitsbelastung und knap­per Budgets dazu, Arbeitsprozesse stärker zu automatisieren.

Entsprechend bestätigen 80 Prozent der 700 für die Studie „Future Ready Lawyer 2021“ befragten Juristen, dass ihr Bedarf an Technologielösungen infolge der Pandemie gestiegen ist. Für 91 Prozent sind Technologien bei der Erbringung von Dienstleistungen in der Pandemie sehr wichtig oder wichtig. Die Studie bestätigt damit, dass Juristen mehrheitlich die digitale Transformation als Schlüsselfaktor sehen, um in Zukunft leistungsfähiger, effizienter und produktiver zu sein.

Die Befragung zeigt allerdings auch: Noch längst nicht alle Juristen sehen sich aktuell ausreichend auf die „neue Normalität“ vorbereitet. So waren zu Beginn der Pandemie gerade einmal 30 Prozent der juristischen Einheiten sehr gut darauf vorbereitet, Mandanten „re­mote“ zu betreuen. Etwa jeder Dritte ist der Meinung, seine Organisation könne mit den wichtigsten Trends und deren absehbaren Folgen gut Schritt halten.

Wandel aus Sicht der Kanzleien

Für Kanzleien hat sich das Transformationstempo in der Pandemie deutlich erhöht. Die klare Mehrheit der Juristen in Kanzleien geht davon aus, dass sich die Art der Erbringung ihrer Dienstleistungen ändern wird – vorrangig durch stärkere Spezialisierung und mehr Technikeinsatz. Um im Wettbewerb zu bestehen, investieren die Kanzleien mehr als früher in Initiativen zur Verbesserung von Effizienz, Produktivität und Mandantenservice. 74 Prozent der befragten Kanzleien geben an, in neue Technologien zur Unterstützung des Kanzleibetriebs und der Mandantenarbeit zu investieren. 42 Prozent schaffen spezielle Innovationsfunktionen und -bereiche und formalisieren das Einholen von Kunden-Feedbacks.

Dass solche Transformationsbestrebungen kein Selbstläufer sind, ist den Umfrageteilnehmern bewusst: Nur jeder Dritte glaubt, dass seine Kanzlei auf die Herausforderungen in den Bereichen Technologie, Mandantenfokus, Organisation und Personal sehr gut vorbereitet ist. Das größte Hindernis für die Umsetzung von Veränderungen in ihrer Kanzlei sehen die Juristen in den Kosten (53 Prozent). 47 Prozent berichten von Schwierigkeiten beim Change Management und Widerstand der Geschäftsleitung. In nahezu allen untersuchten Bereichen haben die von den Kanzleien erwarteten Veränderungen seit 2020 an Dynamik gewonnen. Besonders große Veränderungen erwarten die Kanzleijuristen mit Blick auf einen „stärkeren Einsatz von Drittanbietern“ und „mehr Self-Service durch den Kunden“.

Widerstände in Kanzleien gegen neue Technologien

Dass speziell neue Technologien in der Kanzlei auf Widerstand stoßen, hat in fast der Hälfte der Kanzleien (47 Prozent) organisatorische Ursachen. So fehlt gerade hier häufig die Unterstützung der Geschäftsleitung oder es besteht keine umfassende IT-Strategie. „Mangelndes technologisches Wissen, Verständnis oder Fähigkeiten“ sind für rund ein Drittel der Kanzleien der Hauptgrund für die Ablehnung neuer Technologien. Interessanterweise spielen finanzielle Aspekte eine geringere Rolle: Nur noch in weniger als einem Fünftel der Kanzleien sind die Gesamtkosten bzw. ein unzureichender Nachweis von Rentabilität der Grund für die Ablehnung technischer Lösungen; 2020 war dies noch bei einem Viertel der Befragten ein Hindernis.

Folgern lässt sich aus diesen Ergebnissen, dass es für Kanzleien vor allem darauf ankommen wird, ihre Hausaufgaben in organisatorischer Hinsicht zu machen und die interne IT-Kompe­tenz zu verbessern, wenn sie bei der fortschreitenden Technisierung des Rechtsmarkts Schritt halten wollen.

Die Rechtsabteilung im Wandel

In den Rechtsabteilungen der Unternehmen hat die Pandemie dazu geführt, dass Techniklösungen zum Einsatz kommen, um Routineaufgaben zu automatisieren und die Pro­duktivität zu steigern. Gleichzeitig bemühen sich die Unternehmen darum, die Kosten für externe Rechtsberatung zu reduzieren und sich insgesamt für die Bewältigung der wachsenden Anforderungen besser aufzustellen. Wie im Fall der Kanzleien haben auch die von den Rechtsabteilungen erwarteten Veränderungen gegenüber 2020 in allen Segmenten an Dynamik gewonnen. Bei dem notwendigen Wandel sehen sich die Inhouse-Juristen allerdings tendenziell noch höheren Widerständen ausgesetzt als die Kanzleien: 60 Prozent erwarten Schwierigkeiten beim Change Management und Widerstand der Geschäftsleitung gegen den Wandel; den Kostendruck nennen ebenso viele – und damit zehn Prozentpunkte mehr als noch 2020.

Gleichwohl plant die Mehrheit der Rechtsabteilungen (57 Prozent) in den nächsten drei Jahren verstärkte Investitionen in Technologien und schreibt auf ihre Wunschliste dabei vor allem Kollaborationssoftware, Software zur Dokumentenautomatisation und zum Workflow Management. Ebenso wie für die Kanzleien werden sich effektive Change-Management-Prozesse sowie die Rekrutierung und Bindung von qualifiziertem IT-Personal als Schlüsselfak­toren für die erfolgreiche Implementierung von Technologieprojekten im Unternehmen auswirken. Dass ihre Abteilung auf die Technologiestrategie und damit einhergehend auf eine verbesserte Kundenorientierung bereits sehr gut vorbereitet ist, glaubt derzeit jeweils weniger als ein Drittel der Befragten.

Was will der Mandant – und was liefern die Kanzleien?

Wie in der Vorjahresstudie zeigen auch die aktuellen Ergebnisse, dass die Kanzleien die Erwartungen ihrer Mandanten nicht richtig einschätzen. So messen Unternehmensjuristen der Erfüllung ihrer Anforderungen durch die Kanzlei die größte Bedeutung zu. Am stärksten gestiegen sind im vergangenen Jahr die Anforderungen der Rechtsabteilungen an den Ein­satz von Technologie in den Kanzleien. 82 Prozent der Rechtsabteilungen geben an, dass der umfassende Einsatz von Technologie durch ihre bisherige Kanzlei für sie von Bedeutung ist; 91 Prozent wollen innerhalb der nächsten drei Jahre von den Kanzleien wissen, inwieweit diese Technologie einsetzen, um produktiver und effizienter zu arbeiten – zehn Prozent­punkte mehr als noch 2020.

Wie bereits 2020 sind die Kanzleien insgesamt hinter den Erwartungen ihrer Mandanten zurückgeblieben. Nur 30 Prozent der Unternehmensjuristen zeigen sich mit der Beziehung zu ihren derzeitigen Kanzleien sehr zufrieden. Knapp die Mehrheit der Rechtsabteilungen (51 Prozent) gibt an, mit ihrer aktuellen Kanzlei eher zufrieden zu sein. Auffällig ist, dass – zum Befragungszeitpunkt ein Jahr nach Beginn der Pandemie – die Wechselbereitschaft der Rechtsabteilungen stark zugenommen hat: Nahezu jeder vierte Unternehmensjurist hält einen Wechsel der beauftragten Kanzlei für sehr wahrscheinlich. Der häufigste Grund, warum Unternehmen eine Mandatsbeziehung beenden, ist eine ineffiziente und unproduktive Arbeitsweise der Kanzlei.

Die Ergebnisse die Studie deuten somit zum einen darauf hin, dass seitens der Kanzleien durchaus Verbesserungspotenzial besteht, den steigenden Erwartungen der Rechts­abteilungen zu entsprechen. Zum anderen zeichnet sich ab, dass den Kanzleien die Ablösung durch eine andere Kanzlei, durch verstärktes Insourcing der Rechtsberatung oder durch die Beauftragung alternativer Rechtsdienstleister droht, wenn es ihnen nicht gelingt, dieses Potenzial zu heben. Wie real dieses Risiko ist, belegt die Studie ebenfalls mit Zahlen: Rund drei Viertel der Rechtsabteilungen wollen in Zukunft nicht nur die Eigenleistung steigern, sondern auch mehr alternative Rechtsdienstleister, mehr Zeitarbeitskräfte oder mehr nicht-juristisches Personal einsetzen. 78 Prozent erwarten zudem angesichts des steigenden Kostendrucks eine stärkere Nutzung alternativer Gebührenstrukturen.

Alternative Honorarstrukturen werden wichtiger

Zieht man ein Resümee aus den Antworten, sind sich Kanzleien und Rechtsabteilungen einig, dass in den kommenden Jahren vor allem ein stärkerer Einsatz von Technologie zur Pro­duktivitätsverbesserung, ein stärkerer Fokus auf Innovation sowie mehr Zusammenarbeit und Transparenz zwischen Kanzleien und Mandanten die Entwicklung des Rechtsmarkts prä­gen werden. Während die Kanzleien einer stärkeren Spezialisierung der angebotenen Rechtsdienstleistungen die höchste Bedeutung zumessen, spielt dies für die Rechtabteilun­gen keine so große Rolle. Wichtiger sind ihnen alternative Gebührenstrukturen. Wollen Kanzleien den Erwartungshorizont ihrer Mandanten erfüllen, werden sie sich – jenseits des gesetzten technologischen Fortschritts – auch mit Honorarstrukturen und der Konkurrenz durch Drittanbieter vermehrt auseinandersetzen müssen.

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ILLUSTRATION 123rf.com/dmitryguzhanin

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