Das Dilemma der Banken

Beitrag von: Detlev Will
18. Juli 2020

Wieder trifft eine schwere Krise die Finanzwelt. Diesmal ist die Branche zwar nicht der Auslöser, aber dennoch wird sie die Auswirkungen der Krise heftig zu spüren bekommen. Die größten ertragsrelevanten Beeinträchtigungen werden sich allerdings wohl erst zeitversetzt einstellen.

Firmenkunden sind ein unverzichtbarer Baustein der Kreditwirtschaft, daher steht diese auch in der aktuellen Corona-Krise unverändert zu ihren Kunden. Die entscheidende Frage lautet aber: Kann sie das auch? Werfen wir einmal einen Blick hinter die Kulissen: Seit der Finanzkrise 2008/2009 bewegen sich die Kreditinstitute in einem Niedrigzinsumfeld. Die Margen für Unternehmenskredite liegen in den allermeisten Fällen weit unter dem Niveau der Margen vor der Finanzkrise. Zudem schrumpft das Gesamtkreditvolumen, d.h., neue Kreditaufnahmen können die Tilgungen und geringeren Kreditinanspruchnahmen nicht mehr kompensieren. Einen positiven Aspekt hatte dieses Umfeld bislang allerdings auch: Die Kreditausfallrate sank auf ein durchweg erfreuliches Niveau und auch die Anzahl der Unternehmen in wirtschaftlichen Schieflagen nahm erheblich ab. In der Folge reduzierte die Kreditwirtschaft ihr Personal in den entsprechenden Restrukturierungseinheiten.

Drei Viertel der Unternehmen betroffen

Die aktuelle Corona-Krise ist in der Geschichte beispiellos. Weder die Dauer noch das Ausmaß sind aktuell seriös einschätzbar. Und anders als in vorherigen Krisen werden wohl 75 bis 80 Prozent aller Unternehmen in Deutschland mehr oder weniger stark in Mitleidenschaft gezogen. Hierbei spielt auch die weitgehende Globalisierung der Märkte eine Rolle. Je nach Dauer der Einschränkungen im Geschäftsleben ergeben sich somit Bonitätsbeeinträchtigungen, die sich dann natürlich auch auf das Rating der Unternehmen negativ auswirken. Das macht es der Kreditwirtschaft in den anstehenden Kreditprüfungen nicht leichter. Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständigen stehen bekanntlich Soforthilfen zur Verfügung, größere Unternehmen konnten bislang Darlehen mit einer Haftungsfreistellung von 20 Prozent bzw. 10 Prozent entweder über die KfW oder die entsprechenden Bürgschaftsbanken der Länder aufnehmen.

Inzwischen hat die Politik reagiert und für Hilfskredite bis 800.000 EUR abgestuft eine 100-Prozent-Bundesgarantie in Aussicht gestellt und dies ohne größere Kreditprüfung. Damit werden die Kreditinstitute in diesem Bereich entlastet. Antragsberechtigt sind Unternehmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern, die mindestens seit Januar 2019 am Markt sind und im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2019 oder im Jahr 2019 einen Gewinn erzielt haben. Für viele Unternehmen bleibt es aber beim sogenannten Hausbankverfahren mit regulärer Kreditprüfungspflicht der Hausbank trotz weitgehender Haftungsfreistellung. Kredite unter Mitwirkung des Bundes bzw. der Länder müssen trotz der in vielen Bereichen aktiven technischen Unterstützung durch Scoring-Systeme unverändert manuell und damit personalintensiv geprüft und entschieden werden.

Problem: mangelnde Kapitaldienstfähigkeit

Nicht wenige Unternehmen erlebten in diesen unruhigen Zeiten eine unerwartet negative Überraschung, wenn sie ihre Hausbank baten, neue Kredite auch unter überwiegender Haftungsfreistellung zur Verfügung zu stellen. Sie bekamen vorgerechnet, dass eine Rückführung der Kredite auch unter normalisierten Umständen nicht aus dem Geschäftsbetrieb erfolgen kann. Die Bereitstellung von zusätzlichen Krediten sichert in vielen Fällen zwar aktuell zunächst das Überleben. Aber gerade in Branchen, in denen mit geringen Margen gearbeitet werden muss, dürfte sich schnell zeigen, dass es eine Ewigkeit dauern wird, diese Kredite wieder zurückzuführen. Dann wird sich so mancher Unternehmer fragen, ob nicht der bereinigende Weg der Insolvenz besser ist.

Im Wege der übertragenen Sanierung kann ein neu gegründetes und damit unbelastetes Unternehmen die Assets des alten, in Insolvenz befindlichen Unternehmens kaufen und quasi ohne Altschulden neu starten. Das geht natürlich nur, wenn sich jemand findet, der den Asset-Kauf finanziert. Auch Insolvenzplanverfahren, in denen Vergleichsvorschläge im Mittelpunkt stehen, sind denkbar, um die Perspektiven der belasteten Unternehmen zu verbessern. So oder so steht zu erwarten, dass die Kreditinstitute Federn lassen werden.

Konsequenzen für die Kreditwirtschaft

Die Kreditwirtschaft steckt also in einem Dilemma: Unternimmt sie nichts, steigt im aktuellen Kreditportfolio die Wahrscheinlichkeit von extrem hohen Ausfällen in unmittelbarer Zukunft. Ohnehin sind dort aktuell in Sanierung befindliche Unternehmen in akuter Existenznot, zumal die Hilfspakete der Bundesregierung „Unternehmen in Schwierigkeiten“ ausdrücklich ausschließen. Begleiten die Banken zusätzlichen Kreditbedarf der Unternehmen aufgrund der Corona-Krise ohne gewohnte Kreditprüfung, wird das Problem nur auf später vertagt.

Inzwischen wissen wir, dass das Virus nicht nur eine kurze Erscheinung war, sondern uns doch länger begleiten wird. Längst sind seitens der Politik weitere milliardenschwere wirtschaftliche Hilfsprogramme aufgelegt worden, die aktuell zwar helfen, in vielen Fällen allerdings – wie ausgeführt – nur zeitlichen Aufschub bedeuten.  In den Medien mehren sich daher auch schon die Berichte, in denen aufgrund der drohenden Kreditausfälle ein düsteres Bild für die Kreditwirtschaft gezeichnet wird. Naturgemäß treten in solchen Situationen Investoren auf den Plan, die den Banken und Sparkassen Einzeladressen oder auch ganze Portfolien abkaufen. Dies entlastet zwar die Bankbilanzen und schont die heruntergefahrenen Kapazitäten in der Behandlung von erhöht risikobehafteten Kreditfällen, allerdings zum Preis von Abschlägen, die auf die Ertragslage drücken. Eine andere Möglichkeit fehlendes Personal zu kompensieren, ist die bis dato im Bankenbereich unbeliebte und seltene Einschaltung von externen “Loan Servicern“. Möglicherweise erhöhen sich die Chancen derartiger Anbieter, wenn sie bei Banken ausgeschiedene Restrukturierungsexperten um sich scharen, von denen es im Markt genug geben sollte.

Die Corona-Krise wird somit tiefe Spuren in den Büchern der Kreditinstitute hinterlassen, sofern dies nicht durch weitere aktuell noch nicht absehbare Maßnahmen der Politik abgefedert wird. Insofern muss die Kreditwirtschaft auch in diesen Kreditvergabeprozessen weiterhin quasi die Spreu vom Weizen trennen. Hier werden es Unternehmen mit nachhaltigen und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen einfacher haben, da die Wahrscheinlichkeit dort höher ist, dass sie nach der Krise nicht nur wieder Gewinne schreiben, sondern auch etwaige zusätzlich Kredite bedienen können.

Illustration: 123rf.com/poenya200

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