Finanzierungsquellen vorsorglich in Anspruch nehmen

Beitrag von: Ulrike Lüdke
28. September 2020

Unternehmen mit Finanzierungsbedarf sollten sich besser jetzt noch mit Kapital versorgen, rät Marcel Herter von Herter & Co. Denn die Krise ist noch lange nicht ausgestanden und die Unternehmensbilanzen für 2020 lassen nichts Gutes erwarten.

Herr Herter, wie verändert die Corona-Krise die Finanzierungslandschaft?

Marcel Herter: Wir beobachten, dass sich die Banken stärker auf die Finanzierung von besseren Bonitäten konzentrieren. Unternehmen aus dem Non-Investmentgrade-Bereich fällt es zunehmend schwerer, ihren Liquiditätsbedarf über Bankkredite zu decken. Zudem sind die Anleger von Schuldscheindarlehen sensibler geworden. In die entstehende Lücke stoßen andere Finanziers, vor allem Debt-Fonds, vor. Dies ist allerdings ein langfristiger Trend, der sich schon seit einiger Zeit abgezeichnet hat. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung aber noch beschleunigt.

Wie sieht es auf der Unternehmensseite aus?

MH: Für die Unternehmen wird die Einhaltung der Kreditkennzahlen zunehmend schwieriger. Liquiditätspuffer, die am Anfang der Krise noch vorhanden waren, könnten bald aufgebraucht sein. Folglich wird die Anzahl von Unternehmen mit schlechteren Bonitäten zunehmen.

Wo sehen Sie Risiken für die Finanzierung?

MH: Für einige Mittelständler kann es bei einer anstehenden Finanzierung 2021 ein böses Erwachen geben, da der neue Jahresabschluss 2020 dann für das Rating der Finanzierung berücksichtigt wird. Damit wird das Rating vieler Unternehmen schlechter ausfallen. Gleichzeitig werden die Banken neue Budgets für 2021 zugrunde legen. Unternehmen, die noch auf Basis der alten Kennzahlen Kredit bekommen, sollten sich besser jetzt refinanzieren.

Haben die Banken die Auswirkungen von Corona nicht längst in ihre Kreditkonditionen eingepreist?

MH: Die Banken rechnen mit einem Ausgangsrating auf Basis der aktuellen Bilanz und kalkulieren die Corona-Abweichungen in die Planung mit ein, das sind unterschiedliche Punkte des Ratings. Insofern empfehle ich Mittelständlern, den Liquiditätsbedarf für die kommenden 18 bis 24 Monate durchzurechnen und ihre Fälligkeiten zu prüfen. Im Zweifel rate ich, Finanzierungsquellen vorsorglich in Anspruch zu nehmen. Wenn sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens bessert, kann man immer noch refinanzieren.

Auf welche Anzeichen sollten Unternehmer achten, um Schwierigkeiten bei der Finanzierung frühzeitig zu erkennen?

MH: Grundsätzlich sollten Unternehmen ihre Bankbeziehung regelmäßig überprüfen und sich fragen: Ist diese Bank noch der richtige Partner für mich, was passiert, wenn deren Strategie sich ändert? Das machen aber nur sehr wenige. Ggf. ist es sinnvoll, den Kontakt zu neuen Finanziers herzustellen. Ungünstig ist bspw., wenn man sich im Auslandsgeschäft bei bestimmten Regionen oder Ländern auf nur einen Bankpartner verlassen muss. Ein Bereich sollte mindestens mit zwei Partnern abgedeckt werden. Das zahlt sich besonders in Krisensituationen aus.

Zudem rate ich Unternehmern, ihre bislang verwendeten Finanzierungsinstrumente zu überprüfen. Falls die Krise im Jahresabschluss 2020 Spuren hinterlässt, könnte der Zugang zum Schuldscheinmarkt erst einmal versperrt sein. Wenn die Einhaltung der Covenants in Kreditverträgen gefährdet ist, sollten Unternehmen auf ihre Finanzierungspartner zugehen. Unserer Erfahrung nach warten Unternehmen damit häufig zu lange und nehmen sich damit von vornherein Handlungsoptionen.

Wie lautet Ihre Prognose für das Finanzierungsumfeld 2021?

MH: Das Finanzierungsumfeld wird sich auf jeden Fall etwas verschlechtern – auch für die guten Bonitäten. Die deutschen Unternehmen sind von dem großen Wettbewerb zwischen den Banken mit sehr günstigen Kreditzinsen verwöhnt worden. Das wird sich ändern. Einen Vorgeschmack davon erwarten wir, wenn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht endet. Spätestens dann werden wir erhebliche Kreditausfälle sehen, die deutliche Spuren in den Bankenbilanzen hinterlassen. Dies wird dazu führen, dass die Banken vorsichtiger agieren müssen.

Wie werden sich die Covenants für Kreditverträge entwickeln?

MH: Ich gehe nicht davon aus, dass die Covenants per se strenger werden. Ich erwarte allerdings, dass die Vorgaben für die Berechnungen der Kreditkennzahlen wie bspw. die Definition des EBITDA wieder enger werden.

Können die Debt-Fonds die Finanzierungslücke füllen, die die Banken hinterlassen?

MH: Die Finanzierung über Debt-Fonds ist einerseits teurer im Vergleich zum Bankkredit und muss grundsätzlich auch gezogen werden. Zudem sind die Transparenzanforderungen und das Reporting anspruchsvoller. Andererseits bieten sie Unternehmen eine höhere Flexibilität, da sich auch Konzepte umsetzen lassen, die die Banken unter Umständen nicht mittragen würden.

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