Green Finance für den Mittelstand

Beitrag von: Ulrike Lüdke
10. September 2020

Grüne Finanzierungsinstrumente sind bei mittelständischen Unternehmen bislang eher die Ausnahme. Das könnte sich jedoch bald ändern. Rainer Neidnig und Immo Wirtz von der Helaba erklären im Interview, worauf es bei Green Finance ankommt und warum das Thema Nachhaltigkeit immer stärker in den Fokus der Banken rückt.

Nachhaltigkeit ist ein Megatrend. Inzwischen ist das Thema auch im Mittelstand angekommen. Warum spielt Nachhaltigkeit bei der Kreditvergabe für Sie eine Rolle?

Immo Wirtz: Der Impuls dafür ging ursprünglich von den Investoren aus, die auf dem Kapitalmarkt mehr und mehr nach Investitionsmöglichkeiten in nachhaltige Unternehmen oder Projekte gesucht haben. Seit 2019 ist der Trend auch bei Kreditfinanzierungen sehr stark zu beobachten. Zunächst waren es große, syndizierte Kredite, primär aus dem Ausland, die den Umweltnutzen, positive soziale Effekte oder Governance-Themen, sogenannte ESG-Kriterien, miteinbezogen haben. Nun dringt das Thema immer stärker in den Mittelstand vor. Wir spüren bei den Unternehmern eine immer größer werdende Bereitschaft, sich dem Thema Nachhaltigkeit zu öffnen.

Rainer Neidnig: Ein weiterer Treiber ist die zunehmende Regulierung. Die EU-Kommission hat eine Taxonomie zur Identifikation und Kategorisierung ökologisch nachhaltiger Aktivitäten erarbeitet. Der neue Standard wird in absehbarer Zeit für alle Green-Bond-Emittenten verbindlich sein. Wir gehen davon aus, dass die EU-Taxonomie dann auch spürbare Auswirkungen auf die Bankenfinanzierung haben wird.

Welche Finanzierungsinstrumente gibt es zum Thema Nachhaltigkeit?

IW: Green bzw. Sustainable Finance hat viele Facetten. Grundsätzlich lassen sich zwei Konzepte unterscheiden: Bei der ersten Kategorie handelt es sich um zweckgebundene Finanzierungen, die an konkrete Projekte mit einem positiven Umwelt- oder Sozialeffekt gebunden sind. Bei der zweiten Kategorie, sogenannten ESG-linked oder Sustainability-linked Loans, ist die Mittelverwendung nicht zweckgebunden. Die Kosten für die Finanzierung sind aber an Nachhaltigkeitskriterien oder -Ratings gekoppelt. Theoretisch lassen sich beide Formate auf alle möglichen Finanzierungsformen wie Anleihen, Schuldscheindarlehen, Kreditlinien, Leasing usw. übertragen.

Wie läuft der Kreditprozess bei ESG-linked Loans ab?

IW: Bei diesen Finanzierungen wird die Standard-Kreditdokumentation lediglich um eine Klausel zur Berechnung der Kreditmarge und um Bestimmungen zum Reporting der Nachhaltigkeitsindikatoren bzw. des Nachhaltigkeitsratings ergänzt.

Welche Vorteile haben nachhaltige Unternehmen bei der Kreditvergabe?

RN: Bei einem ESG-linked Loan wird zusätzlich zu der normalen Kreditprüfung das ESG-Rating des Kreditnehmers berücksichtigt. Je nachdem wie sich das Rating entwickelt, kann das zu einem Auf- oder Abschlag von drei bis fünf Basispunkten führen.

Das ist aber nicht viel.

RN: Sie müssen das im Kontext der Basismarge sehen, die derzeit nicht selten nur im zweistelligen Bereich liegt. Zudem geht ein möglicher Zinsabschlag zu 100 Prozent zulasten der Bank, da sie bei der Refinanzierung keinerlei Vorteile generieren kann. Solange sich das nicht ändert, wird die zusätzliche Bonifikation der Nachhaltigkeit für Unternehmen relativ überschaubar bleiben. Der wirtschaftliche Effekt ist aber sicherlich nicht ausschlaggebend für die Kunden. Diesen geht es nicht darum, zwei Basispunkte zu sparen. Sie wollen vielmehr ihren Stakeholdern signalisieren, dass Nachhaltigkeit Teil ihrer Geschäftsstrategie ist.

Nach welchen Kriterien beurteilen Sie die ESG-Performance eines Unternehmens?

IW: Maßgeblich sind hier Key Performance Indicators (KPIs), die die Bank und der Schuldner im Vorfeld festlegen. Wie die Kriterien aussehen und wie die Ziele definiert werden, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich und im Wesentlichen Verhandlungssache. Häufige Kriterien sind bspw. CO2-Intensität, Krankheitsquote, der Anteil von zertifizierten Zulieferern in der Lieferkette oder der Anteil von Frauen in Führungspositionen. Was als ESG-Kriterium gelten darf, ist in den international anerkannten Sustainability-linked Loan Principles grob festgelegt. Die im Kreditvertrag definierten KPIs müssen vor allem einen klaren Bezug zum Kerngeschäft haben, sie müssen ambitioniert, quantifizierbar und überprüfbar sein.

RN: Eine beliebte Alternative zu den KPIs sind sog. ESG-Ratings, welche die Performance eines Unternehmens in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance ganzheitlich abbilden. Angeboten werden diese Ratings von spezialisierten Nachhaltigkeitsagenturen wie Sustainalytics, IMUG, ISS ESG oder Ecovadis, um nur einige zu nennen.

Wie kontrollieren Sie, ob ein Unternehmen seine ESG-Ziele erfüllt?

RN: Die KPIs finden sich häufig auch im Geschäfts- oder Nachhaltigkeitsbericht eines Unternehmens und unterliegen somit der Durchsicht eines Wirtschaftsprüfers. Andernfalls beziehen wir gesondert auch einen Wirtschaftsprüfer in den Prüfungsprozess mit ein. Bei zweckgebundenen Finanzierungen wie bspw. Green Bonds oder grünen Schuldscheinen holen wir eine sog. Second Party Opinion (SPO) von einer unabhängigen Nachhaltigkeitsagentur ein, die bestätigt, dass das zu finanzierende Projekt auch wirklich nachhaltig ist.

Bislang sind im Bereich Green Finance eher große Unternehmen wie Energieversorger in Erscheinung getreten. Inwieweit sind nachhaltige Finanzierungsinstrumente auch für mittelständische Unternehmen geeignet?

RN: Neben dem klassischen syndizierten Kredit ist für mittelständische Unternehmen auch die Begebung eines grünen oder ESG-linked Schuldscheins interessant. Wir haben momentan im Markt einen deutlichen Nachfrageüberhang von Investoren, die nachhaltige Investitionsmöglichkeiten suchen. Zudem erwarten wir eine steigende Anzahl von bilateralen Krediten mit Nachhaltigkeitskomponente. Dies gilt auch für Garantie oder Avalgeschäfte. Damit eröffnet sich auch für mittelgroße Unternehmen mit kleineren Finanzierungsvolumen eine Chance, in diesem Segment aktiv zu werden.

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