Kryptowährungen – Revolution in der Unternehmensfinanzierung?

Beitrag von: Bastian Frien
18. Juli 2020

Die Krypto-Welle der vergangenen Jahre ist bislang an den Unternehmen vorbeigeschwappt. Das hat gute Gründe – allein Security Token haben eine gute Aussicht, sich durchzusetzen. Die Banken werden dabei weiter mitmischen.

Auch wenn die Krise derzeit alles überstrahlt: Die Finanzwelt unterliegt jenseits aller aktuellen Verwerfungen ein paar grundlegenden Trends. Einer davon ist der „Krypto-Trend“: die Privatisierung von Währungen und die Tokenisierung von Finanzierungen. Diese Welt ist komplex: Sie reicht von Kryptowährungen in ungedeckter (z.B. Bitcoin) und gedeckter Form (z.B. Stable Coins wie Tether) bis hin zu von Unternehmen emittierten Token, die als Utility Token klassischen Gutscheinen und als Security Token klassischen Finanzierungsinstrumenten ähneln.

Kryptowährungen bleiben eine Nische

Bislang wird die Nachfrage nach Kryptowährungen von Spekulanten aus den reichen Ländern getrieben. Den größeren Vorteil hätten sie aber eigentlich für Menschen aus Ländern ohne Zugang zu stabilen Währungen. Für diese Menschen sind Kryptowährungen ein Ersatz für US-Dollar oder Euro – darum sind gedeckte Stable Coins für sie viel attraktiver als Bitcoin. Durchsetzen können sich private Kryptowährungen nur, solange das etablierte Geldsystem eklatante Mängel aufweist und sie vom Regulator zumindest geduldet werden. Da auch staatliche Zentralbanken derzeit an digitalem Geld arbeiten, könnte das Momentum rasch verloren gehen.

Corporates sind keine Treiber

Im Zahlungsverkehr spielen Kryptowährungen bislang keine Rolle. Die Banken halten sich in der Abwicklung noch zurück und die Unternehmen treiben das Thema nicht, weil die Nachfrage der Kunden fehlt und ihre Sicherheitsbedenken nicht ausgeräumt sind. Auch Finanzierungen sind nicht attraktiv. Die Finanzierungsmärkte in den klassischen Währungen sind erprobt, ausgereift, vielfältig und tief. Für die meisten Unternehmen besteht derzeit keinerlei Notwendigkeit, sich anderen Quellen zuzuwenden und die damit einhergehenden Aufwände und Risiken in Kauf zu nehmen – es gelten die gleichen Prinzipien wie bei einer Fremdwährungsfinanzierung.

Utility Token sind Venture Capital

Utility Token haben im Unterschied zu nicht gedeckten Kryptowährungen grundsätzlich einen intrinsischen Wert, weil sie ein Leistungsversprechen beinhalten. Das Leistungsversprechen wird allerdings i.d.R. zu einem so frühen Zeitpunkt der Unternehmens- und Produktentwicklung gegeben, dass der Wert nur sehr schwer einzuschätzen ist. Utility Token entsprechen damit in Bezug auf Investitionsrisiko und Investorenstruktur der klassischen Seed-Finanzierung.

Die Beschränkung auf Start-ups und Blockchain-nahe Branchen ist nicht zwingend. Grundsätzlich sind auch für etablierte Unternehmen Vorfinanzierungen riskanter Projekte denkbar, die dem Investor einen billigeren Zugriff auf das zu entwickelnde Produkt einräumen. Solche Vorfinanzierungsmodelle durch Kunden sind allerdings auch ohne Token möglich, werden aber kaum genutzt. Stand heute ist auch nicht erkennbar, warum die Verquickung von Entwicklungsrisiken mit Finanzierungen für Unternehmen auf breiter Front attraktiv sein sollte, zumal die Bilanzierung komplex ist.

Security Token könnten sich durchsetzen

Unternehmen finanzieren sich heute mit unterschiedlichen, mehr oder weniger gut aufeinander abgestimmten Finanzierungsinstrumenten. Perspektivisch ist denkbar, dass Unternehmen diese Instrumente bedarfsgerecht zusammenstellen und daraus einen einzigen Security Token generieren, der von Investoren gekauft wird.

Dieser Ansatz kann sowohl aus Emittenten- als auch aus Investorensicht attraktiv sein. Die Unternehmen reduzieren die Zahl ihrer Investoren (diese Entwicklung lässt sich im klassischen Bereich derzeit bereits in der Nische Leveraged Buy-outs mit dem Aufkommen von Debt Funds beobachten, die alle Finanzierungstranchen jenseits des reinen Eigenkapitals übernehmen). Die Investoren wiederum bekommen die Gelegenheit, sich in der bislang stark nach Finanzierungsinstrumenten zersplitterten Investorenwelt stärker auf individuelle Unternehmensrisiken als auf Anlageklassen zu konzentrieren.

Nichts geht ohne Banken – und Vertrauen

Wer sind künftig die Player im Krypto-Markt? Der Durchbruch kann nur mit institutionellen Investoren gelingen. Diese brauchen ein klares regulatorisches Umfeld. Das entsteht gerade – und auch wenn Regulatorik Dynamik aus Märkten nimmt, so bringt sie auch das notwendige Vertrauen, das jede Innovation benötigt. Die Regulierung verhilft den Banken zu einem beachtlichen Wettbewerbsvorteil. Bei den Emittenten muss das Thema in den Finanz- und Treasury-Abteilungen vorangetrieben werden. Ganz oben steht dort Sicherheit in allen Varianten. Danach kommen rationale Argumente zur Abwägung: Innovationen müssen entweder billiger, sicherer oder schneller sein. Kryptowährungen bieten diese Vorteile nicht. Eine Finanzierung über Security Token kann theoretisch alle drei Merkmale erfüllen, das Vertrauen wird in der Breite aber erst durch erfolgreiche Emissionen bekannter und geschätzter Unternehmen entstehen.

Es wird auch unter den etablierten Unternehmen Vorreiter geben. Allerdings zeigt sich bei den Fintechs, dass nur wenige eine größere Zahl von Unternehmen als Kunden gewinnen konnten. Und die bislang erfolgreichen Anbieter (seien es Devisen-, Schuldschein- oder breitere Finanzierungsplattformen) verfolgen immer Modelle, in denen sie mit den etablierten Spielern – vor allem den Banken – zusammenarbeiten. Wenn diese Erfahrung als Blaupause gelten darf, tut auch die Krypto-Szene gut daran, die Finanzinstitute mit den engsten Kundenbeziehungen nicht zu marginalisieren, sondern als Partner zu gewinnen.

Illustration: 123rf.com/abscent

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