Nagelprobe für Kreditplattformen

Beitrag von: Andreas Knoch
30. November 2020

Die Corona-Krise stellt viele Geschäftsmodelle auf eine Bewährungsprobe. Auch die Anbieter von digitalen Kreditplattformen stehen vor neuen Herausforderungen. Jan Stechele, Leiter Produktmanagement bei Creditshelf, über die Auswirkungen der Krise auf das Kredit-Scoring und Kreditfonds als Bestandteil der Funding-Strategie.

Herr Stechele, Creditshelf hat turbulente Monate hinter sich. Registrieren Sie eine nachhaltige Veränderung Ihres Geschäftsmodells durch die Corona-Krise?

Jan Stechele: Die ersten Monate waren tatsächlich – wie für alle anderen Marktteilnehmer auch – sehr herausfordernd. Wir hatten im Auftaktquartal Kreditanfragen mit einem Volumen von knapp 500 Mio. EUR – so viel wie noch nie. Arrangieren konnten wir aber nur Darlehen über knapp 12 Mio. EUR. Viele Investoren mussten die neue Situation eines Lockdowns der Wirtschaft erst einmal bewerten und hielten sich mit Kreditzusagen entsprechend zurück. Mit den umfangreichen staatlichen Stützungsmaßnahmen ist dieses Patt recht schnell wieder aufgelöst worden und die Investoren sind zurückgekommen. Aktuell verzeichnen wir eine konstant hohe Kreditnachfrage und gewinnen stetig Investoren hinzu. Unser Geschäftsmodell hat sich als stabil erwiesen.

Und wie sieht es aufseiten der Kreditnehmer aus? Registrieren Sie mehr Leistungsstörungen oder gar anziehende Ausfallraten?

JS: Wir haben ein bis dato widerstandsfähiges Kreditportfolio und können keinen Corona-bedingten Anstieg der Ausfälle verzeichnen. Das hat Gründe. Erstens verfügen große Teile des Mittelstandes über starke Bilanzen und können den Einbruch der Konjunktur verdauen. Zweitens zahlt sich hier die sorgfältige Kreditanalyse aus. Wir haben in der Vergangenheit eben auch öfter einmal Nein gesagt. Und drittens helfen die beschlossenen Unterstützungsprogramme wie die KfW-Corona-Kredite. Es bleibt ebenso abzuwarten, welche Effekte der erneute „Lockdown light“ seit Anfang November auf die gesamte Wirtschaft hat.

Wie hat sich die Pandemie auf die Bonitäten Ihres Kreditportfolios ausgewirkt?

JS: Eine flächendeckende Verschiebung hin zu schlechteren Bonitäten gibt es nicht. Unser Portfolio liegt konstant etwas unter dem Prime-Segment, also zwischen BB und B. In Einzelfällen gibt es Downgrades. Doch das betrifft in der Regel Unternehmen, die auch vorher schon an der Grenze zwischen den Bonitätsstufen lagen. Da wir amortisierende Darlehen mit einer Laufzeit von im Schnitt zwei Jahren vergeben, die Restschuld also relativ schnell abgebaut wird, sind die Konsequenzen für die meisten Kreditnehmer aber beherrschbar.

Haben Sie wegen Corona Ihre Kreditanalyse angepasst?

JS: Nein, unser auf den deutschen Mittelstand zugeschnittenes Scoring-Modell haben wir nicht verändert. Auch die verwendeten Informationen sind nach wie vor die gleichen: Geschäftsberichte, betriebswirtschaftliche Auswertungen und externe Unternehmensdaten. Dieses Setup erlaubt uns eine hinreichend genaue Einschätzung der Chancen und Risiken, mit der unsere Investoren ihre Anlageentscheidung treffen können. Werden uns diese Daten digital bereitgestellt, bekommen die Unternehmen auch wie bisher innerhalb von 48 Stunden ein erstes Feedback zu ihrer Anfrage. Was wir verändert haben, ist der Mindestjahresumsatz, den potenzielle Kreditnehmer mitbringen müssen. Dieser liegt seit August bei 1 Mio. EUR und nicht wie vorher bei mindestens 2,5 Mio. EUR.

Schließen Sie Problembranchen bei der Kreditvergabe aus?

JS: Nein. Aber natürlich fließen die Auswirkungen der Corona-Krise ins Kredit-Scoring ein. Wir haben deshalb unsere Brancheneinschätzung angepasst – wie alle anderen Kreditgeber übrigens auch. Es ist nun einmal so, dass die aktuelle Situation für einzelne Sektoren herausfordernder ist als für andere – für stationäre Einzelhändler etwa oder für die Gastronomie. Es sind aber immer Einzelfallentscheidungen.

Und was heißt das alles für das Pricing? Verlangen Ihre Investoren höhere Kreditzinsen?

JS: Am Pricing und an den Anlagekriterien hat sich nichts signifikant verändert. Creditshelf verwaltet aktuell ein Kreditbuch von rund 110 Mio. EUR – i. d. R. unbesicherte Darlehen. Die durchschnittliche Verzinsung liegt bei rund neun Prozent. Im Rahmen des Auktionsmodells mit mehreren Bewerbern bekommt der Mittelständler immer das günstigste Angebot.

Stichwort Auktionsmodell: Creditshelf hat jüngst einen eigenen Kreditfonds aufgelegt. Was hat es damit auf sich?

JS: Mit dem Kreditfonds bieten wir institutionellen Investoren eine weitere Möglichkeit an, in die Assetklasse Mittelstandskredit zu investieren. Er richtet sich vor allem an Investoren, für die Einzelkredite aus verschiedenen Gründen nicht infrage kommen oder die in ein breit diversifiziertes Kreditportfolio investieren wollen. Der Fonds investiert ausschließlich in die über unsere Plattform arrangierten KMU-Kredite. Creditshelf fungiert in der Struktur als Anlageberater und übernimmt das operative Management der Darlehen. Die finale Anlageentscheidung wird durch einen unabhängigen Fondsmanager getroffen.

Ist damit der Plattform-Gedanke tot? Wettbewerber nutzen bereits ausschließlich ein solches Fondsmodell zur Finanzierung von Krediten.

JS: Ganz im Gegenteil. Der Fonds ist ein wichtiger Bestandteil für unsere Funding-Strategie. Er kann in alle Kredite investieren, die im Einklang mit der Anlagepolitik stehen und er muss mindestens die Hälfte des Kreditvolumens bei den jeweiligen Darlehen halten. Somit können auch die anderen professionellen Investoren auf unserer Plattform an unserem Investitionsangebot partizipieren.

Foto: creditshelf

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