Rückkehr der Sicherheiten

30. November 2022

Energiekrise, Inflation und Lieferkettenprobleme: Viele Mittelständler stehen aktuell massiv unter Druck und brauchen dringend Liquidität, doch die klassischen Banken agieren restriktiv. Im Interview verrät Carl-Jan von der Goltz von Maturus Finance, warum nun die Stunde der objektbasierten Finanziers schlägt.

Herr von der Goltz, inwieweit müssen sich Unternehmen angesichts der aktuellen Wirtschaftslage auf schlechtere Finanzierungsbedingungen bei Banken einstellen?

Carl-Jan von der Goltz: Banken haben derzeit viele Problemfälle in ihrem Portfolio – also Unternehmen, bei denen die Rückzahlung von Krediten in Gefahr ist. Zudem müssen die Häuser aufgrund der Basel-Vorschriften strengere Risikokriterien beachten und immer mehr Eigenkapital hinterlegen. Zuletzt ist auch das Zinsniveau explodiert. Da Banken vor so großen Unsicherheiten stehen, werden Kreditentscheidungen und Konditionen strenger. Die Bonität von Unternehmen wird die Kreditvergabe noch stärker dominieren und Branchenausschlüsse, gerade bei energieintensiven Industrien, werden weiter zunehmen.

Spielen Sicherheiten bei der Kreditvergabe wieder eine größere Rolle?

CJvdG: Ja und nein. Bei den klassischen Banken eher weniger. Sie werden weiter an ihrer Cashflow-zentrierten Vergabepolitik festhalten. Unternehmen müssen also vor allem gute Wirtschaftszahlen vorweisen können. Natürlich nehmen auch Banken gern Sicherheiten – aber eben nur on top. Bei alternativen Finanziers sieht es anders aus. Hier gibt es mittlerweile Spezialisten, die ausschließlich auf Vermögensobjekte abstellen. Damit spielen Sicherheiten auch für Unternehmen wieder eine größere Rolle, denn sie haben heute umfassende Möglichkeiten, sich darüber zu finanzieren.

Die Renaissance der Sicherheiten gilt also nur für bestimmte Finanziers?

CJvdG: Richtig, Sicherheiten erleben vor allem im Bereich von Asset-based Finance, sprich: der objektbasierten Finanzierung, ein Revival. Die Spezialisten haben es sich hier zur Aufgabe gemacht, die Bewertung – und im Zweifel die Verwertung – von Vermögensobjekten zu professionalisieren und daraus Finanzierungslösungen zu entwickeln. Statt auf die Kreditwürdigkeit von Unternehmen konzentrieren sie sich hauptsächlich auf die Qualität und Quantität gebrauchter Assets. Bei einem Modell wie Sale-and-lease-back werden bspw. die Maschinen von KMU angekauft und zur Weiternutzung direkt zurückvermietet. Hier kommt es daher auf die Werthaltigkeit, Mobilität, Fungibilität und Sekundärmarktfähigkeit der Objekte an.

Welche Sicherheiten sind gefragt, welche nicht?

CJvdG: Das kommt ganz auf den Finanzier und seine Ausrichtung an. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass Asset-based Finance mittlerweile sämtliche Objektklassen abdeckt. Das reicht vom Handels- und Fertigwarenlager über Maschinen, Anlagen und Fahrzeuge bis hin zu Sachwerten oder Immobilien. Andere Finanziers akzeptieren bspw. auch Forderungen als Sicherheiten. Es kommt also weniger auf die Art der Assets an als vielmehr auf deren Tauglichkeit und Wertbeständigkeit. Im Worst Case muss sich der Finanzier allein auf sie verlassen und sie rentabel verwerten können. Aus diesem Grund taugen Vorprodukte, halbfertige Erzeugnisse oder Rohstoffe derzeit nicht als Finanzierungsgegenstand. Durch die hohe Volatilität in den Märkten ist eine Bewertung dieser Assets zu Verwertungszwecken derzeit kaum möglich.

Firmen mit digitalen Geschäftsmodellen verfügen nicht über klassische Assets wie Maschinen. Welche Sicherheiten können sie nutzen?

CJvdG: Auch digitale Unternehmen besitzen oft zahlreiche Sicherheiten. Denken Sie etwa an E-Commerce-Anbieter. Hier gibt es ein reichhaltiges Umlaufvermögen in Beständen oder Warenlagern, das als Sicherheit in der Finanzierung dienen kann. Wahrscheinlich nicht bei klassischen Banken, aber es gibt Ansätze wie Asset-based Credit, die genau auf solche Fälle abzielen.

Viele Unternehmen leiden unter den Folgen der Corona-Krise. Inwieweit haben die Unternehmen ihren Finanzierungsspielraum im Hinblick auf objektgebundene Finanzierungen bereits ausgereizt?

CJvdG: Während der Corona-Krise konnten sich die Unternehmen über die KfW-Hilfen Liquidität sichern. Asset-based Finance war daher für die meisten kein Thema. Das ist nun anders. Die Eigenkapitalreserven vieler Mittelständler sind inzwischen aufgezehrt, viele suchen hängeringend nach Alternativen zur Bankenfinanzierung. Insofern können objektbasierte Finanzierungen für die Unternehmen eine interessante Möglichkeit sein, um sich schnell Liquidität zu beschaffen.

Was würde die von vielen befürchtete Insolvenzwelle für die Verwertung und Bewertung von Sicherheiten und letztlich die Finanzierung von Unternehmen bedeuten?

CJvdG: Es käme in manchen Branchen wohl zu einer zeitweiligen Asset-Schwemme und einer Entwertung bestimmter Vermögensobjekte. Rohstoffe oder Anlagen mit hohem Energiebedarf etwa müssten mit besonderer Vorsicht behandelt werden. Da kommt es in der Bewertung besonders auf Erfahrung und Genauigkeit an. Verfügt ein Verwerter zudem über ein internationales Netzwerk, kann er Maschinen auch auf dem weltweiten Markt absetzen und so Wertverluste kompensieren. Die Erfahrung zeigt zudem: Wenn sich die wirtschaftliche Lage beruhigt hat, springt gerade der Gebrauchtmaschinen-Markt mit als Erster wieder an.

Foto: Maturus

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