Einem heftigen Einbruch folgte ein beeindruckendes Comeback: Für den Restrukturierungsexperten Johannes Schmittat von GCA Altium haben die Finanzierungsmärkte die Corona-Krise größtenteils abgehakt. Allerdings gehen die Kreditgeber deutlich selektiver vor.
Herr Schmittat, die vergangenen Monate waren eine turbulente Zeit in der Unternehmensfinanzierung. Was hat sich durch Corona verändert?
Johannes Schmittat: Die Ausschläge waren heftig. Jetzt, mit einigen Monaten Abstand, zeigt sich aber, dass die Finanzierungsmärkte schon wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben. Die Erholung nach dem ersten Schock im Frühjahr 2020 verlief rückblickend sehr schnell. Nach nur sechs Wochen ging es bereits wieder aufwärts. In den vergangenen beiden Krisen – beim Einbruch der Technologiewerte kurz nach der Jahrtausendwende und im Zuge der Finanzkrise 2008/09 – hat es bis zu zwei Jahre gedauert, ehe der Markt wieder das Vorkrisenniveau erreicht hatte. Das Finanzierungsumfeld ist allerdings unübersichtlicher geworden.
Wie meinen Sie das?
JS: In den ersten Monaten der Corona-Krise haben sich die Banken nahezu ausschließlich auf ihre Bestandskunden fokussiert. Das ist nachvollziehbar, weil die Beantragung und Auszahlung etwa der KfW-Corona-Hilfen ja über die Hausbanken lief. In den Wochen nach dem ersten Lockdown sind die Institute in einer wahren Antragsflut versunken. Hinzu kamen reihenweise gerissene Covenants. Neukundengeschäft war mit den vorhandenen Kapazitäten oftmals nicht möglich und wegen ausgeschöpfter Risikolimite auch gar nicht gewollt. Das hat sich inzwischen gedreht. Die Banken sind jetzt alle wieder offen für neue Kunden, allerdings sind sie deutlich wählerischer als vor Corona.
Der Relationship-Ansatz hat sich in der Krise also bewährt?
JS: Definitiv. Gewachsene und stabile Hausbankbeziehungen, das haben die vergangenen Monate einmal mehr gezeigt, sind ein wichtiger Faktor, um in schwierigen Zeiten Unterstützung zu erfahren. Banken und Sparkassen haben ihren Kunden seit Ausbruch der Corona-Krise in Deutschland Kredite in erheblichem Umfang bereitgestellt – ein Vielfaches dessen, was sie seitdem an KfW-Krediten durchgeleitet haben.
Sie erwähnten, dass Banken im Neugeschäft wählerischer geworden sind als vor der Krise. Wie äußert sich das?
JS: Es gibt Gewinner und Verlierer – und Letztere beziehen sich häufig auf ganze Branchen. Der stationäre Einzelhandel, die Textilbranche und klassische, vom Verbrennungsmotor abhängige Automotive-Zulieferer werden mitunter gar nicht mehr finanziert. Auf der anderen Seite stehen die Informationstechnologie, erneuerbare Energien und das Gesundheitswesen. Gut dastehende Unternehmen aus diesen Branchen gehen mit Top-Konditionen aus den Finanzierungsgesprächen heraus.
Wenn sich Banken aus der Finanzierung ganzer Branchen zurückziehen, wer springt dann ein? Debt Funds?
JS: In der Tat haben Debt Funds große Hoffnungen auf den deutschen Markt gesetzt. Doch bislang sind diese Hoffnungen enttäuscht worden. Ein Grund sind sicher die Corona-Hilfskredite der KfW. Die staatliche Förderbank hat für zwei Prozent alle guten Bonitäten wegfinanziert. Den Rest wollen dann auch die Debt Funds nicht mehr.
Apropos Konditionen: Wie hat sich die Pandemie auf Margen, Laufzeiten und Covenants ausgewirkt?
JS: Zwischenzeitlich sind die Margen um mehr als 100 Basispunkte hochgeschnellt. Doch wie eingangs bereits erwähnt: Nach dem ersten Schock hat sich das schnell wieder normalisiert. Bei guten Bonitäten sind wir inzwischen wieder auf dem Vorkrisenniveau. Bei längeren Laufzeiten sehen wir noch eine gewisse Zurückhaltung seitens der Banken. Auch wird versucht, höhere Tilgungsleistungen und strengere Covenants durchzusetzen. In Summe sind das aber eher Nuancen. Gute Unternehmen können bei ihren Kreditgebern vergleichbar gute Konditionen wie vor der Corona-Krise durchsetzen.
Mit den Erfahrungen der vergangenen Monate: Denken Finanzchefs stärker über die Risiken nach, die sie mit ihren Finanzierungen eingegangen sind?
JS: Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass das Risikobewusstsein nur temporär anhält und die Unternehmen recht schnell wieder in den Modus Operandi der Konditionenoptimierung übergehen. Das wird in der Corona-Krise nicht anders sein. Konsortialkredite bspw. sind im Vergleich zu bilateralen Kreditlinien risikoärmer, aber eben auch teurer. Deshalb wird die derzeitige Nachfrage nach syndizierten Krediten wohl auch keinen Bestand haben.
Einen immer stärkeren Einfluss auf die Kreditvergabe haben auch die schärferen Anforderungen des Gesetzgebers, mehr Geld in nachhaltige Geschäftsmodelle zu lenken – Stichwort EU-Taxonomie. Wie äußert sich das in der Praxis?
JS: Der Trend, ESG-Kriterien in der Kreditvergabe zu berücksichtigen, hat sich parallel zur Corona-Krise verstärkt. Wir beobachten im Markt dabei zwei Effekte: zum einen eine Selektion seitens der Kreditgeber, d.h., Unternehmen aus klimaschädlichen Branchen wie bspw. der Kohle- oder der Ölindustrie bekommen so gut wie keine Finanzierungen mehr. Zum anderen eine Incentivierung der Kreditnehmer über Margin Ratchets. Dabei wird die Marge an die Nachhaltigkeitsperformance gekoppelt. Für Schuldner mit einer guten ESG-Performance sind inzwischen Abschläge von zehn Basispunkten drin. Vor eineinhalb Jahren lag dieser Bonus noch bei zwei bis drei Basispunkten.
Foto: GCA Altium