Strengere Kreditanforderungen belasten die Liquidität: Droht ein Teufelskreis?

Beitrag von: Jonas Sulzberger
28. Februar 2023

Mit dem Anstieg der Unternehmensinsolvenzen schrauben die Banken ihre Finanzierungskriterien für die Vergabe neuer Kredite weiter hoch. Die daraus folgende Liquiditätsknappheit gefährdet besonders Unternehmen mit kurzfristiger Finanzierungsstruktur.

Die deutsche Wirtschaft blickt wieder hoffnungsvoller in die Zukunft. Nachdem der Ifo-Geschäftsklimaindex zuvor sechsmal in Folge rückläufig war, stellte sich im Dezember die lang ersehnte Wende ein. Nach einer Phase der Unsicherheit, scheint nun für viele Unternehmen wieder mehr Klarheit hinsichtlich der zukünftigen Marktentwicklung zu herrschen. Aber auch die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte milliardenschwere Energiepreisbremse hat wesentlich zur Verbesserung der wirtschaftlichen Stimmung beigetragen. Dabei können Unternehmen von den sinkenden Strom- und Gaskosten nicht nur ausgabenseitig, sondern durch die sich daraus ableitende Stärkung des Privatkonsums gleich doppelt profitieren.

Konjunkturentwicklung wird überschätzt

Seit Jahresbeginn werden daher – unter Anführung der zunehmend positiven Konjunkturprognosen sowie der rückläufigen Inflation – immer mehr Stimmen laut, die von einer Überwindung der Rezession sprechen. Sie sehen sich aufgrund der sinkenden Erzeugerpreise sowie der zunehmenden Nachfrage nach Unternehmenskrediten darin bestätigt, dass der Markt zeitnah wieder mit ausreichend Liquidität ausgestattet sein wird, um in die Erreichung der nächsten Wachstumsphase zu investieren.

Der Schein trügt jedoch: So weist eine derzeit zu beobachtende Verkürzung der Laufzeit bei Neukrediten darauf hin, dass der zunehmende Finanzierungsbedarf nicht wie die Jahre zuvor auf der steigenden Investitionsbereitschaft der Unternehmen basiert. Vielmehr besteht eine Notwendigkeit, die Finanzierung für die stark gestiegenen Ausgaben des operativen Geschäfts weiter aufrechtzuerhalten. Dies belegt auch eine Studie der KfW, gemäß der ein 2022 gemessener Rekordanstieg des Kreditneugeschäfts für Unternehmen maßgeblich auf die Bewältigung der Lieferkettenproblematik sowie die steigenden Materialkosten zurückzuführen war.

Es handelt sich somit aktuell um eine für das Fortbestehen unerlässliche und durch kurzfristige Bankkredite getriebene Aufnahme von Finanzmitteln, für deren Inanspruchnahme die Unternehmen bereit sind, hohe Zinskosten sowie einen hohen Verschuldungsgrad in Kauf zu nehmen.

Kreditvergabe zunehmend restriktiv

Diese Problematik wird sich im Laufe des Jahres wohl weiter verschärfen. Dabei sind im Hinblick auf das hohe Inflationsniveau für 2023 nicht nur weitere Zinserhöhungen zu erwarten, die sich bei den derzeit verstärkt nachgefragten kurzlaufenden Krediten direkt auf die Zinsaufwendungen durchschlagen werden. Unternehmen müssen auch mit zunehmend strengeren Kreditvergaberichtlinien rechnen, wie sie seit der Corona-Krise marktseitig zu beobachten sind. Eine in diesem Zusammenhang stehende Befragung der Deutschen Bundesbank zum Kreditgeschäft deutscher Kreditinstitute (Bank Lending Survey) ergab, dass die Anzahl der abgelehnten Kreditanträge 2022 gegenüber dem Vorjahr massiv anstieg. Gleiches gilt für die bankseitigen Kreditvergabekriterien, die sich im selben Zeitraum in einem Viertel der Fälle „leicht“ oder sogar „deutlich“ verschärften.

Einen hier zu beobachtenden Trend bestätigt auch die Umfrage des Münchner Ifo-Instituts, gemäß derer der Anteil der Unternehmen, die im Dezember über zunehmend „schwierigere“ Kreditverhandlungen klagten, im Vergleich zum Vorquartal um rund 6 Prozentpunkte auf fast 30 Prozent zulegte.

Dabei ist davon auszugehen, dass ein sich abzeichnender Liquiditätsengpass infolge des letztjährigen – seit der Finanzkrise erstmaligen – Anstiegs der Unternehmensinsolvenzen wohl auch 2023 weiter an Fahrt aufnehmen wird. Die Konsequenz einer sich daraus ableitenden Verschlechterung der Kreditrisiken ist eine noch restriktivere Kreditvergabepolitik, wodurch Unternehmen mit erhöhtem Liquiditätsbedarf eben diesen nicht mehr decken können, was wiederum das Insolvenz- sowie das bankseitige Ausfallrisiko erhöht. Es droht somit ein Teufelskreis, in dem ein insolvenzbedingt zunehmend konservativer Kreditvergabeprozess ein aus Liquiditätsknappheit resultierendes Unternehmenssterben bedingen würde.

Drohender Liquiditätsengpass

Auch wenn man für 2023 von einer über den letztjährigen Wirtschaftsprognosen liegenden Gesamtmarktentwicklung ausgehen kann, ist angesichts der anhaltenden Inflation sowie der Zunahme der Unternehmensinsolvenzen eine derzeit teilweise herrschende Zukunftseuphorie deutlich verfrüht. So werden sich die immer kurzfristigeren Unternehmenskredite aufgrund der Weitergabe etwaiger unterjähriger Zinserhöhungen nicht nur als zusätzliche Belastung für die krisengeschwächte Wirtschaft erweisen. Eine aus dem ansteigenden Marktrisiko folgende restriktivere Neukreditvergabe lässt auch mit jeder Prolongation das Risiko einer finanzierungsseitigen Ablehnung wachsen.

Besonders Firmen mit hohem Liquiditätsbedarf, deren operatives Geschäft fremdkapitalfinanziert ist, sollten daher die kommenden Monate dazu nutzen, sich sowohl mit der Tragfähigkeit als auch mit der Nachhaltigkeit der eigenen Finanzstruktur auseinanderzusetzen, um bspw. durch den gezielten Einsatz von Working-Capital-optimierenden Finanzinstrumenten wie Factoring einem potenziellen Liquiditätsengpass vorzubeugen.

Illustration: 123rf.com/jozefmicic

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