„Unternehmer kennen häufig ihre Finanzierungsmöglichkeiten nicht“

Beitrag von: Ulrike Lüdke
30. Mai 2023

Finanzierungsverhandlungen sind heikel, denn für ein Unternehmen geht es um viel. Marius Wolter und Philipp Widmaier von Goetzpartners wissen, worauf es den Kapitalgebern ankommt und was eine gute Credit Story ausmacht.

Herr Wolter, Herr Widmaier,Unternehmen berichten, dass die Finanzierungsverhandlungen in den vergangenen Monaten schwieriger geworden sind. Was hat sich verändert?

Marius Wolter: Die Schuldentragfähigkeit der Unternehmen wird stärker unter die Lupe genommen. Es gibt mehr kritische Rückfragen seitens der Finanziers: Wie ist die Cashflow-Stärke des Unternehmens? Wie groß ist die Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten? Wie geht das Unternehmen mit Preisanstiegen um? Sind die möglichen Kostenanstiege in der Businessplanung schon berücksichtigt? Das sind Fragen, auf die man besser eine Antwort haben sollte.

Wie können sich Unternehmen optimal auf Verhandlungen mit ihren Finanziers vorbereiten?

Philipp Widmaier: Unternehmer sollten zeigen können, wie sich die veränderten Marktbedingungen auf ihr Geschäftsmodell auswirken, und eine realistische Unternehmensplanung vorlegen. Der Finanzier muss das Gefühl haben, dass der Unternehmer die relevanten Themen im Blick und die potenziellen Risiken im Griff hat. Daher ist es sehr wichtig, kritische Themen im Vorfeld zu identifizieren und offensiv anzusprechen.

Unterschiedliche Finanziers schauen aus verschiedenen Perspektiven auf das Unternehmen. Was interessiert die Banken? Was interessiert alternative Kapitalgeber wie Finanzinvestoren?

MW: Fremdkapitalgeber bekommen eine fixe Verzinsung, die unabhängig von der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens ist. Sie achten eher auf das Rating, also auf die Faktoren, die dazu führen, dass sie im Krisenfall trotzdem ihr Geld zurückbekommen. Finanzinvestoren partizipieren dagegen am Erfolg des Unternehmens und schauen daher mehr auf die Wachstumstreiber und das Potenzial.

PW: Finanzinvestoren untersuchen potenzielle Targets auf Herz und Nieren, bevor sie überhaupt in Gespräche eintreten. Sie schätzen eine offene Diskussion und begegnen Herausforderungen ganz anders als Banken bei einer normalen Refinanzierung. Unabhängig davon, um welche Art von Finanzierung es sich handelt und mit wem man spricht – am Ende dürfen keine Fragen offenbleiben.

Was sind aus Unternehmenssicht die häufigsten Fehler im Finanzierungsprozess?

PW: Unternehmern fällt es oft schwer, sich in die Lage des Finanziers zu versetzen. Dabei ist es so wichtig, die Kapitalgeber zu 100 Prozent abzuholen. Da reichen die Jahresabschlüsse der vergangenen drei Jahre und eine Unternehmensplanungsrechnung nicht aus. Stattdessen sollte man überzeugend darlegen können, wie sich das Unternehmen erfolgreich weiterentwickeln wird. Zudem sollte man den Finanzier an der Begeisterung des Unternehmers teilhaben lassen. Das wird aber leider häufig vergessen. Der Finanzier muss überzeugt sein, dass er ein tolles Investment vor sich hat, nur dann bekommt man die besten Konditionen. Deswegen ist eine runde Credit Story so wichtig.

MW: Je nach Branche fällt es den Banken auch schwer, die Geschäftsmodelle der Unternehmen zu verstehen. Der Eigentümer hat oft ganz andere Themen im Kopf als der Finanzier. Daher braucht es Vermittler wie uns. Wir bereiten die Unternehmen darauf vor, welche Themen wichtig sind, und übersetzen das Geschäftsmodell in die Sprache der Banker, bspw. mithilfe eines Debt Memorandums.

Welche Bedeutung hat Debt Advisory im deutschen Mittelstand?

MW: Unser Eindruck ist, dass der Mittelstand im Vergleich mit anderen Ländern da noch sehr hinterherhinkt. In den USA spielt das Thema Debt Advisory eine ganz andere Rolle als in Deutschland. Hierzulande kommt der CFO klassischerweise aus dem Controlling. Meistens wird versucht, mit den bestehenden Hausbanken die Finanzierungsprobleme des Unternehmens zu lösen. Dabei gibt es heute zahlreiche Alternativen zum klassischen Bankkredit. Gleichzeitig sind die klassischen Hausbanken auch deutlich konservativer als früher. Mittelständler sollten sich deshalb deutlich mehr mit Finanzierungsalternativen beschäftigen und ihre Optionen kennen.

PW: Immer dann, wenn es um die Transformation des Unternehmens geht, also in Wachstumssituationen, bei Unternehmensnachfolgen oder auch bei der Restrukturierung, braucht es eine Anpassung der Finanzierung. Unternehmen kennen aber häufig ihre Finanzierungsmöglichkeiten nicht und verlassen sich nur auf die Hausbanken. Wenn der bestehende Kreis der Finanziers die nächsten Schritte nicht mitgehen will, werden die Maßnahmen allzu oft nicht umgesetzt und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Eventuell ist es dann aber schon zu spät.

Was ist die beste Verhandlungsstrategie: Salami-Taktik oder volle Transparenz von Anfang an?

PW: Im Finanzierungsprozess ist das Informationsmanagement ein ganz sensibles Thema, das professionell gemanagt werden muss. Die zentrale Frage ist: Welche Informationen werden zu welchem Zeitpunkt des Prozesses von wem benötigt? Wenn wir bspw. ein Konsortium zusammenstellen und noch gar nicht wissen, welche Finanzierungspartner dabei sind, ist es nicht sinnvoll, von Anfang an alle Informationen allen zur Verfügung zu stellen. Am Ende des Prozesses müssen aber alle Finanzierungsparteien die volle Transparenz über die für sie relevanten Informationen haben, das ist schon allein aus haftungsrechtlichen Gründen sehr wichtig.

Inwieweit können Unternehmen auf die Vertragsgestaltung Einfluss nehmen?

MW: Die Unternehmer unterschätzen oft ihre Einflussmöglichkeiten. Banken kennen die Verträge und deren Stellschrauben natürlich viel besser als ihre Kunden. Wir können die Unternehmer dabei unterstützen, an den Stellschrauben zu drehen, sodass der Vertrag auf die jeweilige Unternehmenssituation angepasst wird. Das hat auch mit Verhandlungsmacht zu tun. Wer mehrere Finanzierungspartner zur Auswahl hat, kann diese Situation nutzen, um die für das Unternehmen optimalen Bedingungen im Vertrag durchzusetzen.

Fotos: goetzpartners

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