Versicherer: Helfer in der Not

Beitrag von: Alfons-Maria Gracher
24. Februar 2022

Selbst erfahrene Restrukturierungsexperten unterschätzen oft die Bedeutung von Kautions- und Kreditversicherern in der Krise. Dabei können diese maßgeblich zur Stabilisierung und einer erfolgreichen Restrukturierung beitragen, wie das Beispiel der R+S Group zeigt.

Die Fuldaer R+S Group kannte jahrelang nur Wachstum und Erfolg. Doch dann kam der Mittelständler ins Straucheln. Fehlentscheidungen häuften sich. Dies wurde in den Unternehmenszahlen von 2018 überdeutlich: Sie waren besorgniserregend. Dabei hatte noch ein Jahr zuvor – zum 30. Firmenjubiläum – alles gut ausgesehen. Makulatur, wie sich nun zeigte. In kurzer Zeit wurde das einstige Erfolgsunternehmen in die Intensivbetreuung von Banken und Versicherern durchgereicht. Die zogen aus der vorherigen Intransparenz gleich Konsequenzen und die Zügel deutlich an – und zwar in Form von ausgeweiteten Berichtspflichten und eingeengten Entscheidungsfreiräumen.

Ein erstes Aufatmen gab es erst Mitte 2019, als schließlich ein positives IDW-S6-Gutachten vorlag, das die Sanierungsfähigkeit von R+S bescheinigte. Während sich das Konsortium der Banken nun beriet, wurden die Warenkredit-und Kautionsversicherer zunächst nicht einbezogen. In vielen Krisenfällen stehen sie ganz am Ende der Informationskette. Manches Mal werden sie sogar ganz vergessen. Dann findet das entscheidende Gruppentelefonat zur Abstimmung ohne sie statt. Das kann sich als folgenreicher Fehler entpuppen.

Ohne Versicherer wird der Unternehmenserfolg schwierig

Denn die Kautions- und Kreditversicherer können in der Krise die Situation stabilisieren. Dazu müssen sie allerdings mitziehen und dürfen ihre Kautionslinien und Limite nicht streichen oder kürzen. Nur wenn diese Absicherungen stabil bleiben, wird es dem Krisenunternehmen gelingen, Aufträge zu gewinnen, zu wachsen und damit die Krise zu überwinden. Konkret bedeutet das: Die Versicherer müssen ihre Zusagen aufrechterhalten und ggf. sogar ausbauen, während die Banken in der Krise in die entgegengesetzte Richtung drängen.

Oft versuchen diese, die Unternehmen zu Asset-Verkäufen o.Ä. zu bewegen, damit Sondertilgungen möglich werden. Natürlich würden auch Versicherer im Krisenfall gern ihre Risiken reduzieren. Umso wichtiger ist es daher, die Kautions- und Kreditversicherer in Kommunikation und Weichenstellungen einzubinden – damit sie wieder Vertrauen gewinnen können. Die Gründe, warum dies häufig nicht geschieht, sind manchmal einfach: Selbst erfahrene Restrukturierer verlieren die Versicherer aus dem Blick. Dabei nimmt die Bedeutung der Versicherer sogar weiter zu: Der Rückzug der Banken aus dem Avalgeschäft hat sich in der Corona-Krise beschleunigt; die Versicherer füllen diese Lücke. Sie treten meist unabgestimmt und jeder für sich auf, während sich Banken im Krisenfall meist zum Konsortium unter klarer Führung zusammenschließen. Offenbar fehlt es allen Beteiligten an Zeit und Kapazitäten für die Koordination und Abstimmung.

Praxisbeispiel: R+S

Tatsächlich war es im Fall von R+S der Kredit- und Kautionsmakler, der in die Rolle des Koordinators schlüpfte. Keine Selbstverständlichkeit, da jeder Vertragsentwurf, jede Rückmeldung und Änderung von den Versicherern und ihren Rechtsbeiständen koordiniert und umgesetzt werden musste. Telefonkonferenzen mit mehreren Dutzend Teilnehmern wechselten sich mit bilateralen Abstimmungen ab. Transparenz über die Lage des Unternehmens musste geschaffen werden. Zugleich galt es – das bleibt in der Unternehmenskrise nie aus –, emotionale Wellen auf allen Seiten zu glätten.

Mit viel Mühe und Geduld entstand so eine Vertrauensbeziehung aller Beteiligten, die die Basis für den Turnaround von R+S legte. Die bestehenden Versicherer konnten davon überzeugt werden, für ein großes und wichtiges Sonderprojekt die Linien auszuweiten. Und es wurde sogar noch ein neuer Versicherer gewonnen und in den Kreis aufgenommen.

Heute geht es R+S wieder gut. Die Krise ist Vergangenheit, das operative Geschäft zieht weiter an. Inzwischen wurde auch ein neuer unternehmerisch agierender Mehrheitsgesellschafter gefunden. Die Entschuldung schreitet voran. Das Geschäft mit Kautionsversicherern wurde sogar ausgeweitet, um das Wachstum zu ermöglichen. Nun gilt es für das Unternehmen vor allem, Corona-bedingte Sondereffekte hinter sich zu lassen.

Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter. Doch die Bedeutung der Kredit- und Kautionsversicherer, die in einer zukunftsentscheidenden Situation einer Erweiterung ihrer Risiken zustimmen können, sollte nicht unterschätzt werden. Restrukturierung gelingt nur, wenn alle Stakeholder mit an Bord sind. Mit besserer Abstimmung und Kommunikation auch der Versicherer wächst ihr Vertrauen und steigen die Erfolgschancen für Unternehmen in der Krise. Das wird umso wichtiger, je mehr Unternehmen nicht zuletzt durch die Pandemie und ihre Folgen in schweres Fahrwasser geraten sind und Hilfe benötigen.

ILLUSTRATION 123rf.com/natbasil

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