Warum der Finanzmarkt für den Mittelstand attraktiv ist

Beitrag von: Elmar Jakob
10. März 2022

Viele Familienunternehmen scheuen den Gang an den Kapitalmarkt. Doch wer die dortigen Finanzierungschancen nicht auslotet, riskiert Nachteile.

 Stabil, kosteneffizient und flexibel – so sollte eine gute Finanzierung sein. Erreichen lässt sich dies vor allem durch einen Finanzierungsmix, der unterschiedliche Finanzierungspartner wie Banken, Versicherungen, Debt-Fonds, Leasing-Gesellschaften und – besonders für Ei­genkapitallösungen – auch Finanzinvestoren berücksichtigt. Die Finanzierung vieler Familienunternehmen basiert jedoch klassischerweise auf einer geringen Zahl an Hausbanken. Nicht nur in turbulenten Zeiten wie diesen ist eine solche Strategie fragwürdig. Branchen verändern sich, der Wettbewerb wird schärfer, die Bedeutung von IT und Di­gitalisierung nimmt rasant zu. Gleichzeitig stecken die Banken in einem Konsoli­dierungsprozess. Familienunternehmen sind daher gut beraten, ihren eigenen Fi­nanzierungsmix zu hinterfragen.

Eine Kombination aus unterschiedlichen Finanzierungspartnern, -produkten und Laufzeiten ist die Basis für eine maßgeschneiderte und kosteneffiziente Finanzierungsstruktur. Diese kann auch „atmende“ Komponenten beinhalten, mit deren Hilfe sich kurzfristig Fi­nanzierungsvolumen aufstocken lassen. Zudem sollte ein Unternehmen stets gewappnet sein, um auf unterschiedliche Risikosituationen, exogene Schocks und auf kurzfristig entstehende Akquisitionschancen reagieren zu können.

Nachteile der Bankfinanzierung nehmen zu

Lange Zeit haben Deutschlands Familienunternehmen einen Fluchtreflex verspürt, wenn es um Kapitalmarktfinanzierung ging. Quartalsberichte: Teufelszeug. Familienfremde Aktionäre: schwierig. Und warum sollte man aufgrund von Transparenz und Offenlegungspflichten Wettbewerbern Informationen zum eigenen Geschäft geben?

Doch die Zeiten ändern sich. Die Phase der Kreditschwemme dürfte auf längere Sicht vorbei sein: Nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Eigenkapitalanforderungen werden sich die bislang günstigen Konditionen der klassischen Kreditfinanzierung voraussichtlich ver­schlechtern. Zugleich sitzen die Kapitalsammelstellen auf viel Geld, das primär am Kapitalmarkt investiert wird. Investoren wissen das Angebot maßgeschneiderter Produkte zu schätzen. Je passgenauer diese Produkte sind, umso besser können die Konditionen sein. Daher dürfte die Schere zwischen Bank- und Kapitalmarktfinanzierung zum Nachteil der Bankfinanzierung immer weiter aufgehen. Dieser Finanzierungsnachteil für die Unternehmen, die den Kapitalmarkt scheuen, wird zwangsläufig zu einem Wettbewerbsnachteil führen.

Zudem ist eine Kapitalmarktfinanzierung nicht automatisch mit einer vollständigen Offenlegung, Quartalsberichten und Fremdaktionären verbunden. Eine Schuldschein-Begebung, mezzanine Strukturen wie ein Genussschein oder eine intelligente ABS-Struktur können erste Schritte sein, um sich mit dem Kapitalmarkt anzufreunden.

Welche Optionen sind sinnvoll?

Sofern es nicht schon geschehen ist, sollte zunächst der Finanzierungsbedarf der nächsten Jahre ermittelt werden. Dann folgt die kritische Analyse der aktuellen Finanzierungspartner und genutzten Produkte. Dazu gehört auch die Prüfung von Tragfähigkeit und Konditionen. Die Erhöhung des wirtschaftlichen Eigenkapitals kann durch die Begebung von Genussrechten erfolgen, die u.a. Family Offices gern zeichnen.

Nun wird das Spielfeld der Möglichkeiten betrachtet: Verschiedene Handlungsoptionen in Form von Finanzierungsarten, Marktteilnehmern und Produkten werden eruiert und bewertet, immer bezogen auf die Bedürfnisse der spezifischen Unternehmenssituation. Im Ergebnis sollten die künftigen Finanzierungsbausteine und deren Dimension bestimmt werden.

Vor der Ansprache potenzieller Finanzierungspartner wird eine geeignete Dokumentation erstellt, die Informationen über das Unternehmen, seine Marktposition und -strategie sowie die Finanzierungsziele beinhaltet. Ergänzt wird das Ganze um einen aussagekräftigen Finanzteil mit historischen Zahlen und Planzahlen der nächsten drei bis fünf Jahre. Eine sorgfältige Beschäftigung mit dem Wie und Wo ist auch deshalb empfehlenswert, da die Kapitalmarktfinanzierung für die meisten Familienunternehmen zunächst Terra incognita darstellt.

Bedeutung der Kapitalmarktfinanzierung steigt

Deutsche Familienunternehmen sind am Kapitalmarkt gern gesehen und für viele Finanzierungspartner sehr attraktiv. Diese Unternehmen profitieren vom Wettbewerb in Form von günstigen Finanzierungskonditionen. Vor diesem Hintergrund darf man davon ausgehen, dass insbesondere für größere Familienunternehmen die Bedeutung von Kapitalmarktfinanzierungen zunehmen wird. Die durch den Ukraine-Krieg verursachten Unsicherheiten an den Kapitalmärkten sind kein Grund, sich dem Thema nicht zu widmen. Der Weg an den Kapitalmarkt ist kein Sprint. Wer 2023 oder 2024 an der Börse sein will, ist gut beraten, heute mit den Überlegungen zu beginnen. Es lohnt, sich rechtzeitig mit der Thematik zu beschäftigen, um vorbereitet zu sein.

Illustration: 123rf.com/dragontiger8

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