Der historische Wirtschaftseinbruch infolge der Corona-Pandemie hat auch das Factoring ausgebremst. Wenn die Konjunktur in diesem Jahr wieder anspringt, dürfte das Pendel umschlagen, erwartet Bernd Renz, Leiter Vertrieb Factoring bei der Targobank. Denn die Finanzierungsform habe für Unternehmen in Aufschwungphasen entscheidende Vorteile.
Herr Renz, die Corona-Pandemie hat durch die staatlichen Hilfsprogramme auch stark auf die Unternehmensfinanzierung durchgeschlagen. Was heißt das für das Factoring und wie hat sich die Targobank geschlagen?
Bernd Renz: Wir erleben gerade sehr spannende Zeiten. Es ist weiterhin sehr viel Liquidität am Markt – durch die KfW-Hilfsprogramme, durch die EZB-Zinspolitik und durch die Kreditvergabebereitschaft der Banken. Dazu kommt, dass viele Firmen aktuell nicht viel Liquidität benötigen, da die Umsätze eingebrochen sind und eine Erholung noch aussteht. Die Umsatzrückgänge haben naturgemäß auch auf das Factoring durchgeschlagen. Wenn weniger umgesetzt wird, können auch weniger Forderungen an den Factor verkauft werden. Die Targobank ist alles in allem ordentlich durch das Krisenjahr 2020 gekommen. Wir haben hinsichtlich des Volumens der angekauften Forderungen einen Rückgang im einstelligen Prozentbereich erfahren.
Wie wichtig ist Factoring als Finanzierungsinstrument angesichts des üppigen Liquiditätsangebots am Markt?
BR: Wenn die Impfkampagne in Schwung kommt und die Wirtschaft wie prognostiziert anzieht, wird sich auch das Factoring-Geschäft deutlich beleben. Wir gehen von einem Nachfrageschub in diesem Jahr aus, denn gerade in einer solchen Phase kann Factoring seine Vorteile gegenüber anderen Finanzierungsformen ausspielen.
Die da wären?
BR: Es ist eine umsatzkongruente Finanzierung, die Höhe der Kreditlinie ist flexibel. Zudem spielt die Bonität des Forderungsverkäufers eine geringere Rolle, da der Factor vornehmlich auf die Werthaltigkeit der Forderungen abstellt. Weiterhin bietet Factoring Schutz vor Forderungsausfällen und verbessert die Eigenkapitalquote, da durch den Verkauf der Forderungen die Bilanz verkürzt wird.
Was heißt „Werthaltigkeit der Forderungen“ konkret? Was prüfen Sie da?
BR: Es geht zum einen um die Frage, was passiert, wenn der Lieferant ausfällt. Müssen die Abnehmer auch dann die Rechnung ordnungsgemäß zahlen oder gibt es Punkte, die dagegensprechen? Geprüft wird bspw., ob seitens der Abnehmer Gegenforderungen bestehen, die sich im Falle einer Insolvenz aufrechnen lassen. Monatsrabatte, Werbekostenzuschläge oder die im Automotive-Bereich üblichen Jahresboni sind klassische Gegenforderungen. Die würde der Factor vom zu finanzierenden Forderungsvolumen abziehen. Nicht finanziert werden auch Forderungen, die an die Hausbank als Sicherheiten abgetreten wurden. Die Globalzession bspw. ist ein gern genutztes Instrument der Banken. Allerdings sind die Forderungen mit einer Werthaltigkeit von rund 30 Prozent bemessen. Beim Factoring dagegen werden üblicherweise 90 Prozent des Forderungsvolumens vorfinanziert – und das auch in Krisenzeiten.
Mit welchen Kosten müssen Kunden beim Factoring denn kalkulieren?
BR: Prinzipiell gibt es zwei Kostenblöcke. Zum einen die Factoring-Gebühr, mit der die hundertprozentige Übernahme des Delcredere-Risikos abgegolten wird. Zum anderen die Zinsen für die Vorfinanzierung der Forderungen, die – abhängig von der direkten Auszahlungshöhe und der Laufzeit der Forderung – auf Basis des 3-Monats-Euribor berechnet werden. Allein die Skontoerträge machen vielfach die Kosten für das Factoring schon wieder wett. Auch die negativen Liquiditätswirkungen längerer Zahlungsziele, die insbesondere öffentliche Auftraggeber vermehrt durchsetzen, lassen sich über Factoring mildern.
Nahezu alle Factoring-Institute verlangen als Basis für den Ankauf der Forderungen ein Warenkreditversicherungslimit. Im vergangenen Jahr hatte Euler Hermes die Branche aufgeschreckt, als der Kreditversicherer ankündigte, die Deckungszusagen zu kürzen. Der Schutzschirm, den der deutsche Staat daraufhin aufspannte, läuft Ende Juni aus. Rechnen Sie mit einer Verlängerung?
BR: Nein, das glaube ich nicht. Der Bedarf ist nicht mehr da, weil die prognostizierte Insolvenzwelle nicht kommen wird. Zudem ist der staatliche Schutzschirm für die Warenkreditversicherer zu teuer. Sie müssen nämlich ein hohes Prämienvolumen an den Staat abtreten.
Werden die Kreditversicherer ihre Limite kürzen?
BR: Flächendeckend wird das nicht passieren. In einzelnen Branchen- und Ländern wird es sicherlich Anpassungen geben. Wir sind da im Gespräch mit den Warenkreditversicherern und versuchen, fehlende Limite nachzuverhandeln. Falls das nicht klappt, können wir unseren Kunden immer noch eine Sonderfinanzierung anbieten, wenn die Limite überschritten werden. Wir würden das über das Kreditlimit hinausgehende Forderungsvolumen mit bis zu 50 Prozent vorfinanzieren und als klassischen Kredit ausreichen.
Foto Targobank AG