„Zieht die Wirtschaft an, kann Factoring seine Vorteile ausspielen“

Beitrag von: Andreas Knoch
2. Juni 2021

Der historische Wirtschaftseinbruch infolge der Corona-Pandemie hat auch das Factoring ausgebremst. Wenn die Konjunktur in diesem Jahr wieder anspringt, dürfte das Pendel umschlagen, erwartet Bernd Renz, Leiter Vertrieb Factoring bei der Targobank. Denn die Finanzierungsform habe für Unternehmen in Aufschwungphasen entscheidende Vorteile.

Herr Renz, die Corona-Pande­mie hat durch die staatlichen Hilfsprogramme auch stark auf die Unternehmensfinanzie­rung durchgeschlagen. Was heißt das für das Factoring und wie hat sich die Targobank geschlagen?

Bernd Renz: Wir erleben gerade sehr spannende Zeiten. Es ist weiterhin sehr viel Liquidität am Markt – durch die KfW-Hilfsprogramme, durch die EZB-Zinspolitik und durch die Kre­ditvergabebereitschaft der Banken. Dazu kommt, dass viele Firmen ak­tuell nicht viel Liquidität benötigen, da die Umsätze eingebrochen sind und eine Erholung noch aussteht. Die Umsatzrückgänge haben naturgemäß auch auf das Factoring durchgeschla­gen. Wenn weniger umgesetzt wird, können auch weniger Forderungen an den Factor verkauft werden. Die Targobank ist alles in allem or­dentlich durch das Krisenjahr 2020 gekommen. Wir haben hinsichtlich des Volumens der angekauften For­derungen einen Rückgang im einstel­ligen Prozentbereich erfahren.

Wie wichtig ist Factoring als Finanzierungsinstrument angesichts des üppigen Liqui­ditätsangebots am Markt?

BR: Wenn die Impfkampagne in Schwung kommt und die Wirtschaft wie prognostiziert anzieht, wird sich auch das Factoring-Geschäft deutlich beleben. Wir gehen von einem Nach­frageschub in diesem Jahr aus, denn ge­rade in einer solchen Phase kann Fac­toring seine Vorteile gegenüber anderen Finanzierungsformen ausspielen.

Die da wären?

BR: Es ist eine umsatzkongruente Fi­nanzierung, die Höhe der Kreditli­nie ist flexibel. Zudem spielt die Bo­nität des Forderungsverkäufers eine geringere Rolle, da der Factor vor­nehmlich auf die Werthaltigkeit der Forderungen abstellt. Weiterhin bie­tet Factoring Schutz vor Forderungs­ausfällen und verbessert die Eigenka­pitalquote, da durch den Verkauf der Forderungen die Bilanz verkürzt wird.

Was heißt „Werthaltigkeit der Forderungen“ konkret? Was prüfen Sie da?

BR: Es geht zum einen um die Fra­ge, was passiert, wenn der Lieferant ausfällt. Müssen die Abnehmer auch dann die Rechnung ordnungsgemäß zahlen oder gibt es Punkte, die da­gegensprechen? Geprüft wird bspw., ob seitens der Abnehmer Gegenfor­derungen bestehen, die sich im Fal­le einer Insolvenz aufrechnen lassen. Monatsrabatte, Werbekostenzuschlä­ge oder die im Automotive-Bereich üblichen Jahresboni sind klassische Gegenforderungen. Die würde der Factor vom zu finanzierenden For­derungsvolumen abziehen. Nicht fi­nanziert werden auch Forderungen, die an die Hausbank als Sicherheiten abgetreten wurden. Die Globalzession bspw. ist ein gern genutztes Instru­ment der Banken. Allerdings sind die Forderungen mit einer Werthaltigkeit von rund 30 Prozent bemessen. Beim Factoring dagegen werden üblicher­weise 90 Prozent des Forderungsvo­lumens vorfinanziert – und das auch in Krisenzeiten.

Mit welchen Kosten müssen Kunden beim Factoring denn kalkulieren?

BR: Prinzipiell gibt es zwei Kostenblö­cke. Zum einen die Factoring-Gebühr, mit der die hundertprozentige Über­nahme des Delcredere-Risikos abge­golten wird. Zum anderen die Zinsen für die Vorfinanzierung der Forderun­gen, die – abhängig von der direkten Auszahlungshöhe und der Laufzeit der Forderung – auf Basis des 3-Monats-Euribor berechnet werden. Allein die Skontoerträge machen vielfach die Kosten für das Factoring schon wie­der wett. Auch die negativen Liquidi­tätswirkungen längerer Zahlungsziele, die insbesondere öffentliche Auftragge­ber vermehrt durchsetzen, lassen sich über Factoring mildern.

Nahezu alle Factoring-Institute verlangen als Basis für den Ankauf der Forderungen ein Warenkreditversicherungslimit. Im vergangenen Jahr hatte Euler Hermes die Branche aufgeschreckt, als der Kredit­versicherer ankündigte, die Deckungszusagen zu kürzen. Der Schutzschirm, den der deutsche Staat daraufhin aufspannte, läuft Ende Juni aus. Rechnen Sie mit einer Verlängerung?

BR: Nein, das glaube ich nicht. Der Be­darf ist nicht mehr da, weil die prognos­tizierte Insolvenzwelle nicht kommen wird. Zudem ist der staatliche Schutz­schirm für die Warenkreditversicherer zu teuer. Sie müssen nämlich ein hohes Prämienvolumen an den Staat abtreten.

Werden die Kreditversicherer ihre Limite kürzen?

BR: Flächendeckend wird das nicht passieren. In einzelnen Branchen- und Ländern wird es sicherlich An­passungen geben. Wir sind da im Gespräch mit den Warenkreditver­sicherern und versuchen, fehlen­de Limite nachzuverhandeln. Falls das nicht klappt, können wir unse­ren Kunden immer noch eine Son­derfinanzierung anbieten, wenn die Limite überschritten werden. Wir würden das über das Kreditlimit hi­nausgehende Forderungsvolumen mit bis zu 50 Prozent vorfinanzieren und als klassischen Kredit ausreichen.

Foto Targobank AG

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