Aufsichtsräte: Sparringspartner für das Management

Beitrag von: Klaus Weigel
9. September 2019

Aufsichtsräte agieren im Normalfall eher beratend im Hintergrund. In Krisensituationen kommt dem Gremium aber eine besondere Bedeutung zu – sofern es mit den richtigen Leuten besetzt ist.

Zu den wesentlichen Aufgaben eines Aufsichtsrats gehört die Überwachung der Geschäftsführung bzw. des Vorstands des Unternehmens. In Krisensituationen kommen besondere Pflichten hinzu, sodass sich die erforderliche Intensität von Kontrolle und Beratungsaufwand deutlich erhöht. Dann muss die Kontrolle zu einer unterstützenden oder sogar zu einer gestaltenden Überwachung werden. Aufsichtsratsmitglieder müssen gerade in Krisensituationen über die notwendige persönliche und soziale Kompetenz verfügen, um den Restrukturierungsprozess angemessen begleiten zu können. Zudem müssen sie dem Unternehmen in der Restrukturierungsphase in dem erforderlichen zeitlichen Umfang zur Verfügung stehen. Ein gut strukturierter Aufsichtsrat antizipiert frühzeitig kritische Entwicklungen und liefert dem Vorstand wichtige Hinweise. Bei einer sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist der Aufsichtsrat verpflichtet, auf die rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrags hinzuwirken. Darüber hinaus muss er überprüfen, ob der Vorstand Zahlungen noch anweisen darf, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist.

Ist der Vorstand der richtige?

Neben der Kontrolle ist die Besetzung des Vorstands eine weitere Kernaufgabe des Aufsichtsrats. Insofern muss er auch dafür Sorge tragen, dass in einer Krisensituation der Vorstand mit für die Krisenbewältigung geeigneten und erfahrenen Personen besetzt ist. Notfalls ist der Aufsichtsrat gehalten, entsprechende Veränderungen vorzunehmen. Dies gilt etwa dann, wenn eine Bank Vorstandsveränderungen zur Bedingung einer Kreditverlängerung macht. Des Weiteren muss der Aufsichtsrat den Vorstand drängen, einen Sanierungsplan vorzulegen und diesen mit ihm ausführlich diskutieren. Falls notwendig, muss er externe Experten zur Ergänzung der eigenen Kompetenzen in diese Begutachtung einbeziehen. Wenn es dem Vorstand an Insolvenzerfahrung fehlt, empfiehlt sich frühzeitig – vor Stellung des Insolvenzantrags – eine Abstimmung mit dem zuständigen Insolvenzrichter. Optionen sind, den Vorstand in einem solchen Fall zu ergänzen oder gar umzubauen. Jedes Aufsichtsratsmitglied ist verpflichtet, in seine Tätigkeit die hierfür erforderliche Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit einzubringen. Wenn der Vorstand im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung eine nach den jeweiligen Umständen erforderliche Prüfung einer Sanierung unterlässt, haftet auch der Aufsichtsrat für den der Gesellschaft entstandenen Schaden, wenn er es schuldhaft unterlassen hat, rechtzeitig auf eine solche Prüfung zu drängen. Insofern ist es empfehlenswert, dass der Aufsichtsrat seine eigenen Aktivitäten und seine entsprechende Kommunikation mit dem Vorstand in einer Krisensituation in geeigneter Form dokumentiert. In vielen Fällen ist es sinnvoll, sich interimsweise Unterstützung durch einen Chief Restructuring Officer (CRO) ins Unternehmen zu holen. Dieser kann gemeinsam mit dem Vorstand einen tragfähigen Sanierungsplan entwickeln und umsetzen sowie konsensfähige Lösungen zwischen den Stakeholdern vermitteln. Durch seine klare Fokussierung auf die Restrukturierungsarbeiten kann der CRO den Restrukturierungsprozess beschleunigen und zugleich Freiräume für den Vorstand schaffen. Künftig könnten externe Berater noch früher eingeschaltet werden. Anfang Juni 2019 hat der Rat der Europäischen Union der EU-Richtlinie zum vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren zugestimmt. Der deutsche Gesetzgeber hat nun zwei Jahre Zeit, diese Regelungen umzusetzen. Dies soll es Unternehmen in Krisensituationen ermöglichen, ihre Schulden zu restrukturieren, ohne notwendigerweise ein gerichtliches Insolvenzverfahren durchlaufen zu müssen.

Blick über den Tellerrand

Ein qualifiziert besetzter Aufsichtsrat ist insbesondere in Krisensituationen ein strategisches Instrument zur Sicherung des Unternehmens. Richtig besetzt hilft er, das unternehmerische Vermögen zu erhalten und zu mehren. In Zeiten sich immer rascher verändernder Rahmenbedingungen und auch disruptiver Innovationen gilt es, permanent zu hinterfragen, wie robust die Unternehmensstrategie ist. Letztlich geht es um die Frage, wie anfällig das Unternehmen für exogene bzw. disruptive Veränderungen ist und inwieweit solche Anfälligkeiten konkret simuliert und antizipiert werden können. Diese Fähigkeit von Aufsichtsräten muss eine Kernkompetenz sein, denn sie entscheidet mit über Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens.

Illustration: 123rf.com/artqu

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