Besser transformieren als restrukturieren

Beitrag von: Prof. Dr. Robert Simon
4. November 2019

Erfolg macht satt und lähmt nicht selten die gesamte Organisation. Das Rezept dagegen: das eigene Geschäftsmodell permanent zu hinterfragen und wenn nötig konsequent anzupassen.

„Zehn Jahre Investitionsstau und Defizite im Geschäftsmodell machen Sie nicht in zwei Jahren wett. Dafür fehlt das Potenzial zur Umsetzung. Wir wenden die Insolvenz ab. Im Anschluss sollten Sie Ihr Unternehmen aber verkaufen“, sagte der Restrukturierer zu dem verzweifelten Unternehmer. Und so kam es.

Die wenigsten Krisen sind auf disruptive Markt- oder Technologieentwicklungen zurückzuführen. Die überwiegende Ursache für das Scheitern von Unternehmen ist das Versagen des Managements, Entwicklungen zu erkennen und Geschäftsmodelle rechtzeitig anzupassen. Innovationen sind ein immanentes Merkmal dynamischer Wettbewerbssysteme und es gibt genug Konkurrenten, denen es gelingt, ihr Geschäftsmodell an ein sich veränderndes Marktumfeld zu adaptieren.

Verpasste Chancen

Erfolgreiche Unternehmer blicken nach vorn. Sie haben eine Vision und eine Gefolgschaft, die sie umsetzen kann. Darin liegen die Stärken des Mittelstandes und gleichzeitig häufig die Ursachen des Scheiterns. Der Unternehmer und seine Führungskräfte haben ihr Wissen in den Köpfen und versäumen es allzu oft, dieses Know-how zu institutionalisieren, es auf geeignete Nachfolger zu übertragen und das Bewusstsein zu schaffen, dass der erreichte Status offensiv weiterentwickelt werden muss. In diesen informellen Strukturen, bei denen es auch um persönliche Machtsicherung geht, schwinden mit jedem Personalwechsel Substanz und Potenzial des Unternehmens. Der Weg in die Krise wird im Fall von Mittelständlern typischerweise durch den zügigen Abgang der besten Mitarbeiter beschleunigt.

Riskante Rettungsaktionen

Restrukturierungen vor der akut drohenden Insolvenz oder mit den Mitteln der Insolvenz sind Versuche, die letzte Chance zu nutzen, um zukunftsfähige Teile des Krisenunternehmens mit harten Einschnitten zu retten. Meist werden unter hohem Zeitdruck Struktur- und Kapazitätsanpassungen vorgenommen und gewagte Maßnahmen für Umsatzsteigerungen eingeleitet, um wieder die Gewinnschwelle zu erreichen. Die Wettbewerber schauen dabei nicht tatenlos zu. Und die Geschäftspartner sehen sich nach besseren Alternativen um.

Solche Rettungsaktionen kosten durchschnittlich drei bis sechs Prozent des Jahresumsatzes. Und sie benötigen Zeit – zwischen drei und fünf Jahre. Denn ein Geschäftsmodell und die leistungswirtschaftlichen Bereiche lassen sich nicht nebenbei umdrehen. Mehr als drei Jahre können die Finanziers dem Krisenfall aber meist nicht geben, weil der notleidende Kredit ihre Bilanz belastet. Die Konsequenz ist die Suche nach Investoren und alternativen Geldgebern. Oft verliert der Unternehmer dabei sein Unternehmen. Mit schwindender Finanzkraft büßt er seine Handlungsfähigkeit ein.

Nimmt man die Bewahrung der Gesellschafterstruktur als Maßstab, sind weniger als 20 Prozent der Restrukturierungen erfolgreich. Umso verlockender klingen das neue vorinsolvenzliche Verfahren oder das Insolvenzplanverfahren mit der Option, dass der Schuldner seine Unternehmertätigkeit rettet. Doch die Realität sieht meist anders aus. Kaum ein Gläubiger möchte zugunsten der „zweiten Chance des ehrbaren Schuldners“ eine Quote von 20 Prozent auf seinen Nominalanspruch akzeptieren und womöglich selbst in Not geraten. Die Gläubiger wissen sich zu schützen – und ein Investorenprozess ist nicht selten das finale Ergebnis dieser Modelle.

Veränderung aus der Stärke heraus

Die beste Option lautet: stark sein und durch Transformationsmanagement noch stärker werden. Es darf erst gar nicht zur Unternehmenskrise kommen. Geschäftsmodelle, die Nutzen stiften, finden auch Nutzer. Deshalb gehen erfolgreiche Transformationen von künftigen Marktentwicklungen aus und bauen dazu passende Geschäftsmodelle. Digitalisierung ist dabei nur eine offenkundige Herausforderung. Weitere sind bspw. die Knappheit qualifizierter Fachkräfte, die Abschottungen von Märkten, politische Umwälzungen oder der Wertewandel.

Das Geschäftsmodell sollte in einer Phase überarbeitet werden, in der der Unternehmer noch handlungsfähig sind. Die Transformationen müssen ebenso radikal umgesetzt werden wie Restrukturierungen. Wie konnten z.B. die etablierten Versandhändler Quelle und Neckermann scheitern und der damalige „Nobody“ Amazon reüssieren? Vor allem der Wille und die Fähigkeit, eine Idee konsequent durchzusetzen, machten den Unterschied.

Das ist die Stunde erfahrener „Change Agents“. Sie machen den maßgeblichen Akteuren den Änderungsdruck offenbar und helfen, eine Siegermentalität zu erzeugen. Mit erprobten Methoden bringen sie sich selbst genügende Strukturen in Bewegung und erhalten diese in Programmen und Projekten aufrecht. Das ist ein harter Weg. Wer diesen nicht mitgeht, muss gehen, weil er notwendige Weiterentwicklungen blockiert. Transformationsprogramme, denen diese Konsequenz fehlt, scheitern zwangsläufig.

Illustration: 123rf.com

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