Die doppelnützige Treuhand im Praxistest

Beitrag von: Stephan Schraudner
17. Juli 2019

Wirksames Sanierungsinstrument oder unvermeidbares Übel? Die doppelnützige Treuhand kann im Sinne aller Beteiligten wirken, wenn sie richtig angewandt wird. Eine Empfehlung auf Grundlage zahlreicher Praxiserfahrungen.

Die Erfahrungen von SGP Schneider Geiwitz im Rahmen unserer Treuhändertätigkeit und die Auswertung der uns vorliegenden Sanierungsgutachten zeigen, dass sich die Gründe, die letztlich zum Abschluss einer doppelnützigen Treuhand führen, von Fall zu Fall stark überschneiden. Nahezu immer befindet sich das betroffene Unternehmen in einer, oftmals aber in mehreren Krisen: Stakeholderkrise, Strategiekrise, Produkt- und Absatzkrise, Liquiditätskrise.

In diesem Stadium ist der Punkt erreicht, an dem auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Definition einer Krise anknüpft: Das Unternehmen erhält von dritter Seite keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen, es ist kreditunwürdig.

Kann oder will der Gesellschafter selbst kein neues Kapital zur Verfügung stellen, sind die finanzierenden Banken gefordert, bestehende Kreditlinien zu prolongieren oder neue Kreditmittel auszureichen. Denn auch aufseiten der Banken besteht Handlungsdruck. Nur ihre Bereitschaft, das Unternehmen weiter zu finanzieren, verhindert eine drohende Insolvenz und – beispielsweise mangels ausreichender Sicherheiten – den Ausfall ihrer Forderungen.

Installation eines professionellen Treuhänders

Sind die üblichen Sicherungsmittel bereits ausgereizt, bestehen die Banken i.d.R. darauf, dass die Gesellschaftsanteile an dem Unternehmen in die Sicherungsmasse einbezogen werden. Da eine Verpfändung der Anteile wegen der Unwägbarkeiten der Pfandverwertung ausscheidet, ist die Installation eines professionellen Treuhänders geboten. Dieser übernimmt die Gesellschaftsanteile des Unternehmens als Treugut und hält dieses sowohl zugunsten der Banken als auch des Gesellschaftes (Treugeber) – eine doppelnützige Treuhand. Je nach Ausgangslage verwaltet der Treuhänder das Treugut als Sicherheit (Sicherungs- oder Verwaltungstreuhand), wird das Unternehmen unter seiner Aufsicht und Mitwirkung saniert (Sanierungstreuhand) oder verwertet er das Treugut (Verwertungstreuhand).

Da den Banken ein Anspruch auf vorrangige Befriedigung aus dem Verwertungserlös eingeräumt wird, sind diese bereit, das Unternehmen weiter zu finanzieren. Erste Voraussetzung hierfür ist die Bestätigung der Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit des Unternehmens auf Basis eines Sanierungsgutachtens. Der Sanierungsgutachter entwickelt ein Konzept und identifiziert dabei strategische und operative Maßnahmen. Nach unserer Erfahrung sind dies häufig: Kostensenkungs- und Umsatzwachstumsstrategien, Organisationsanpassungen, die Reduzierung des Overheads, Effizienzsteigerungen durch eine Optimierung von Strukturkosten, Steuerungs- und Controlling-Systemen, eine Fokussierung des Kerngeschäfts, eine Neuausrichtung der strategischen Ausrichtung etc.

Interdisziplinäre Teams

Die Sanierung ist nur dann nachhaltig erfolgreich, wenn sie als Gesamtkonzept verstanden und konsequent umgesetzt wird. Dem Treuhänder obliegt es hierbei, die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen zu begleiten und zu überwachen. Wir empfehlen darum, eine Treuhändertätigkeit durch interdisziplinäre Teams, die sowohl die betriebswirtschaftliche als auch die rechtliche Seite beleuchten, umzusetzen. Führt der positive Sanierungsverlauf zu einem Turnaround, wird die Treuhand beendet und das Treugut an den Treugeber zurückübertragen. Sollte die Sanierung, beispielsweise aufgrund äußerer Einflussfaktoren, scheitern, sieht der Treuhandvertrag i.d.R. die Verwertung des Treugutes vor, um mit dem erzielten Verwertungserlös die Verbindlichkeiten des Unternehmens zurückzuführen. Diese potenzielle Verwertungsmöglichkeit ist nicht zuletzt der Grund, dass der Gesellschafter die doppelnützige Treuhand zunächst meist als gravierenden Einschnitt in seine unternehmerische Freiheit und als enteignungsgleichen Eingriff in sein Eigentum ansieht.

Vermittelnde Rolle des Treuhänders

Sofern der Treuhänder als neutraler Dritter zwischen den divergierenden Interessen des Gesellschafters und den Banken vermittelt, gelingt es allerdings, den Gesellschafter von den Vorteilen, die ihm eine doppelnützige Treuhand angesichts der verbleibenden Alternative (Insolvenz des Unternehmens) bietet, zu überzeugen: Er vermeidet die Insolvenz und sichert den Erhalt der Arbeitsplätze, erhält die Option auf die Rückkehr in die selbstbestimmte Gesellschafterstellung, stellt die Weichen für einen Werterhalt und partizipiert am Sanierungserfolg des Unternehmens. Sofern das Unternehmen verwertet wird, erhält er einen Anteil am Verwertungserlös, der je nach Ausgestaltung des Erlöswasserfalls eine vorrangige Bedienung sensibler Punkte, wie persönlicher Steuern etc., berücksichtigt.

Ziel: Gesellschafterrechte wahren

Vornehmliches Ziel ist es, die Rechte des Gesellschafters bei der Gestaltung der Treuhandverträge zu wahren. Um den oftmals aus steuerlichen Gründen nicht gewollten Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Treuhänder zu vermeiden, verbleiben bei dem Treugeber zum einen gesellschaftsrechtliche Kernrechte. Zum anderen werden ihm Auskunfts- und Einsichtsrechte eingeräumt. Zudem ist der Treuhänder zur Rechenschaft verpflichtet. Zu empfehlen ist auch die Etablierung eines separaten Lenkungsausschusses, der ebenfalls Mittel zur Begleitung und Überwachung sowohl der Sanierung als auch der doppelnützigen Treuhand ist. Dort erhält neben der Geschäftsführung, einem etwaigen CRO und dem Treuhänder auch der Treugeber einen festen Sitz. Der Lenkungsausschuss bietet die Möglichkeit einer sachlichen Diskussion der sanierungsrelevanten und oftmals streitigen Entscheidungen zwischen dem Treugeber und den Banken unter Moderation des Treuhänders. Werden die Interessen und Belange aller Beteiligten berücksichtigt und die gemeinsamen Vorteile hervorgehoben, ist die doppelnützige Treuhand ein wirksames Sanierungsinstrument, bei dem durch die konsequente Umsetzung der vorab definierten Maßnahmen ein zunächst unvermeidbar erscheinendes Übel in einer erfolgreichen Sanierung mündet.

Illustration: 123rf.com/annatigra

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