Regenschirm im Regen

Beitrag von: Boris Karkowski
29. Juni 2018

Der Mandant steckt mitten in einer wirtschaftlichen Krise – jetzt sind finanzielle Mittel gefragt, um zurück auf den Erfolgspfad zu finden. Doch die Banken scheuen sich. Die NordLB will in solchen Fällen jetzt mit einem „Special Situations“-Team Abhilfe schaffen.

Keine leichte Zeit für Insolvenzverwalter und Restrukturierungsspezialisten: Seit der Krise 2008/2009 entwickelt sich die deutsche Wirtschaft stabil, die Insolvenzquoten sind sehr gering. Dank der EZB-Niedrigzinspolitik ist die Versorgung mit Kapital günstig wie nie.

Dennoch gibt es weiter Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, ihren Finanzierungsbedarf zu sichern. Die regulatorischen Anforderungen an die Banken machen es für sie als klassische Geldgeber unattraktiv, hohe Risiken einzugehen. Manche Bank, beispielsweise kleinere Häuser oder Auslandsbanken, gibt daher nur sehr restriktiv Kredite an Unternehmen mit schlechten Bonitäten unterhalb eines entsprechenden Investmentgrade-Ratings. Die großen deutschen Geschäftsbanken wiederum haben häufig schon vielen der Unternehmen, die in Schwierigkeiten geraten sind, Kredite gewährt und können ihr Engagement in dem Unternehmen nur schwer ausweiten.

Darum haben sich in den vergangenen Jahren unterschiedliche Alternativen für Unternehmen mit schlechteren Bonitäten entwickelt, vielfach auch über den Kapitalmarkt. So waren vor wenigen Jahren Mezzanine-Programme populär geworden, bis die Ausfallraten zu hoch wurden. Der Markt für Mittelstandsanleihen ist bereits zusammengebrochen; nun könnte am Schuldscheinmarkt ein ähnliches Schicksal drohen, weil auch hier vom Nachfrageboom der Investoren offenbar zu viele schlechte Bonitäten angelockt worden sind. Größere Pleiten wie die der britischen Carillion oder die aktuellen Schwierigkeiten von Steinhoff waren zumindest ein Weckruf.

Doch die Verlockung, Kredite an Unternehmen mit schlechteren Bonitäten zu vergeben, ist weiterhin hoch – im „klassischen“ Geschäft mit Investmentgrade sind die Margen so stark gesunken, dass sie kaum noch auskömmlich sind. Hohe Risiken bedeuten hohe Zinsen – allerdings setzen sie auch eine sehr sorgfältige Prüfung des Kreditnehmers voraus. Einige, vor allem aus dem angelsächsischen Raum stammende Spezialisten, bieten gegen sehr hohe Zinsen frisches Geld, andere kaufen den Banken gegen einen Preisnachlass zum Nominalwert Kredite von säumigen Schuldnern ab.

Bewusst schwächere Bonitäten

Entgegen bisheriger Praxis will die NordLB als klassische Kreditbank in einem Spezialteam „Special Situation Financing“ bewusst auch das Risiko schwächerer Unternehmensbonitäten suchen und damit die oben skizzierte Nische besetzen. Dabei stehen im Vordergrund
– Turnaround-Finanzierungen für Unternehmen mit sich verschlechternden Bonitäten,
– Exit-Finanzierungen aus dem Status einer Insolvenz heraus und
– Finanzierungen von Planinsolvenzen
von Unternehmen mit mindestens 50 Millionen Euro Jahresumsatz und einem Rating schlechter als die DSGV-Note 10 (B+/B1). Das Finanzierungsvolumen sollte bei über 5 Millionen Euro liegen, als durchschnittliche Transaktionsgröße werden 10 Millionen Euro angepeilt.

Dabei geht es weniger um die Krisensituation selbst, sondern vielmehr den Aufbau einer langfristigen Unternehmensbeziehung. Markus Löhndorf, Teamleiter und erfahrener Firmenkundenbanker, erklärt: „Wir wissen, dass manche Bank im Krisenfall möglichst schnell aus dem Kreditverhältnis raus möchte. Wenn wir hingegen dem Kunden in schwieriger Zeit helfen, wird er sich daran hoffentlich auch in besseren Zeiten erinnern und uns weiter die Treue halten.“ Idealerweise werde der Kunde nach Ablauf der typischen Laufzeit von drei bis fünf Jahren von der Special-Situation-Einheit an die reguläre Kundenbetreuung übergeben.

Ausgeschlossen ist darum die Finanzierung von in der Sanierung befindlichen Bestandskunden der NordLB. Auch Leveraged-Finanzierungen, bei denen beispielsweise ein Private-Equity-Investor das Übernahmeziel bewusst hochverschuldet hat, sind für Löhndorfs Team nicht interessant.

IDW-S6-Gutachten als Voraussetzung

Den Norddeutschen geht es darum, insbesondere die Unternehmen zu identifizieren, die eine temporär schlechte Kredithistorie aufweisen, aber eine positivere Zukunft vor sich haben. Also beispielsweise die Fälle, die heute schon für Debt Funds interessant sind. Mit Kreditkosten um die 5 Prozent wollen die Landesbanker aber eine günstigere Alternative bieten. Je nach Situation kann noch eine Gebühr hinzukommen. Debt Funds sind typischerweise etwa doppelt so teuer.

Löhndorf kann sich vorstellen, dass mit dem NordLB-Geld bestehende Kreditverträge abgelöst werden oder neues Kapital hinzugenommen wird. „Wir kaufen aber keine Kredite ab“, stellt er klar. Es werde ein separater Kreditvertrag geschlossen, der aber nicht im Konflikt mit den möglichen Rahmenbedingungen eines Konsortialkreditvertrags stehe.

Voraussetzung für eine Kreditvergabe ist ein vorliegendes IDW-S6-Sanierungsgutachten oder ein Independent Business Review (IBR), ausgestellt von einem renommierten Restrukturierungsexperten. Nur wenn die Experten bestätigt haben, dass das Geschäftsmodell tragfähig ist und Aussicht auf erfolgreiche Fortführung besteht, kommt eine Finanzierung infrage. Und es gilt, eine weitere Hürde zu nehmen: Das NordLB-Cashflow-Modell muss die verschiedenen Szenarien der Restrukturierungsberatung bestätigten. Sind diese Vorgaben erfüllt, verspricht Löhndorf eine schnelle Entscheidung: „In drei Tagen kann ich sagen, ob wir grundsätzlich finanzieren wollen oder nicht – und darauf aufbauend kurzfristig eine formale Kreditgenehmigung herbeiführen.“

Bildnachweis: 123rf.com/Christian Mueller

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