Hauptsache digital

Beitrag von: Ulrike Lüdke
8. Oktober 2021

Kanzleien haben lange mit dem digitalen Marketing gefremdelt. Doch in der Corona-Pandemie haben sie die Vorteile des Online-Marketings für sich entdeckt. Was früher verpönt war, gilt nun als Erfolgsrezept. Wir haben uns von den Profis erklären lassen, worauf es ankommt.

Als Katja Giese, Partnerin bei KliemtArbeitsrecht, den Instagram-Account für die Kanzlei anlegte, ging das ganz schnell. Kurz darauf war der erste Post online. „Ich habe das einfach gemacht, weil ich überzeugt war, dass es das Richtige ist“, erinnert sich Giese. Inzwischen gehört der Instagram-Kanal fest zum Online-Marketing-Portfolio von Kliemt und wird von einer Social-Media-Redakteurin betreut, die die Kanzlei eingestellt hat, um das Thema Social-Media-Marketing noch weiter nach vorne zu bringen. Vor allem Berufsanfänger, etwa junge Arbeitsrechtler, werden über Instagram angesprochen. Aber auch bei den eigenen Mitarbeitern kommen die Posts ihres Arbeitgebers gut an, die einen Einblick in die Unternehmenskultur, den Arbeitsalltag und kanzleiinterne Veranstaltungen geben – oder hin und wieder einfach nur zum Schmunzeln einladen.

Social Media: Braucht man das?

Über die Frage von Sinn und Unsinn von Digital-Marketing ist in den Kanzleien schon viel diskutiert worden. „Unseriös, zeitaufwendig, ineffektiv“, kritisieren die einen. „Zeitgemäß, zielgruppengerecht und schnell“, urteilen die anderen. Auch Giese kennt diese Diskussionen. Doch bei Kliemt stellt keiner mehr die Notwendigkeit von Online-Marketing infrage. Neben Instagram ist die Kanzlei für Arbeitsrecht mit etwa 70 Berufsträgern vor allem auch auf Linkedin aktiv. Über das Berufsnetzwerk werden eher Mandanten oder Fachleute aus der Arbeitswelt adressiert. Und auch auf Facebook und Twitter ist Kliemt präsent. Die größte Reichweite mit bis zu 90.000 Aufrufen pro Monat hat jedoch der Kanzlei-Blog: An vier Tagen in der Woche schreiben die Anwältinnen und Anwälte der Kanzlei über aktuelle arbeitsrechtliche Themen. Sechs Jahre gibt es den Blog bereits. Immer im Fokus: die Frage, wie er noch leserfreundlicher werden kann. In der Corona-Pandemie sei er zum Zentrum des Austauschs über aktuelle Entwicklungen geworden, berichtet Giese, die im Haus das Online-Marketing verantwortet. „Aber auch Social-Media-Kommunikation hat einen ganz neuen Stellenwert erhalten.“

Von Pfui zu Hui

Schnell sein und mutig, auch mal Position beziehen – das sind nicht unbedingt Attribute, die man mit Unternehmervertrauten verbindet. Kein Wunder, dass anwaltliche Influencer lange kritisch beäugt wurden. Mit der Corona-Pandemie veränderte sich allerdings die konservative Einstellung in den Kanzleien. Vom Webinar über den Audio-Podcast bis hin zum Youtube-Kanal – auf einmal trauten sich die Unternehmervertrauten digitales Marketing und hatten sogar Erfolg.

„Viele Kanzleien konnten zu Beginn der Corona-Pandemie mit ihren Themen relativ schnell große Sichtbarkeit erzielen und sich als Experten profilieren, sogar in Rechtsbereichen, die bis dato nur marginal zum Beratungsangebot der Kanzleien gehörten“, hat Kanzleiberaterin Dr. Geertje Tutschka beobachtet. Der Effekt habe sich direkt in den Mandatsvolumen und im Gewinn von neuen Mandanten niedergeschlagen. „Das hat schließlich auch viele Skeptiker überzeugt“, so Tutschka. Inzwischen haben viele die neuen Tools in ihre Marketingstrategie integriert, die sich zuvor im Wesentlichen auf die klassischen Instrumente wie Printveröffentlichungen, Messen, Anzeigen und Veranstaltungen konzentrierten. „Social Media sind inzwischen eine der wichtigsten Spielwiesen für Kanzleimarketing“, sagt Tutschka. Kanzleien kämen heute nicht mehr ohne eine professionelle Webseite und zielgerichtete Kundenkommunikation aus. Klassische Instrumente wie Newsletter und Fachveröffentlichungen würden immer mehr in den Hintergrund treten. „Social Media werden immer mehr das Zugpferd für die Mandanten- und Mitarbeiterakquise werden“, prognostiziert Tutschka.

Der richtige Dreh

Allerdings lässt sich gutes Online-Marketing nicht aus dem Ärmel schütteln. Wie immer steht am Anfang eine Strategie: Welche Zielgruppe soll angesprochen werden? Welche Themen eignen sich dafür? In welcher Frequenz soll gepostet werden und wer aus der Kanzlei soll das machen?

Das sind Fragen, die sich jede Kanzlei stellen sollte. Tutschka rät, dass das Kanzleimarketing unbedingt zu den Werten und dem Gesicht der Kanzlei passen sollte. Jeder müsse seinen individuellen Ton finden. „Viel zu oft sind die Social-Media-Auftritte von Kanzleien eine Mischung aus Deal-Meldungen, Personalmeldungen, Posts vom Sommerfest und Einladungen zu Webkonferenzen. Zudem werden dieselben Inhalte ohne Anpassungen an die veränderte Zielgruppe identisch auf mehreren Kanälen gespielt“, stellt Steffen Kahl fest, Managing Partner der Markenberatung Brandrelation Consulting in Hamburg. Kahl rät zu einer zielgerichteten und konsistenten Ansprache der Zielgruppen: „Die Social-Media-Strategie sollte sich aus der Kanzleistrategie ableiten und aus einem Guss sein.“ Mitunter sei es sogar besser, sich nur auf einen Kanal zu konzentrieren und die Zielgruppe regelmäßig mit gutem Inhalt zu versorgen, anstatt als alles ein bisschen zu machen. Dabei müsse man nicht immer selbst einen Beitrag schreiben. Man könne auch in der Rolle als Kurator agieren und aktuelle Meldungen und Themen aufnehmen und kommentieren. „Wichtig ist, dass die Kanzlei sich in dem für sie wichtigen Themenfeld mit ihrer Expertise positioniert und von der entsprechenden Zielgruppe als Experte wahrgenommen wird“, sagt Kahl.

Entscheidend sei zudem, die Resonanz der Beiträge zu messen: Zugriffszahlen und Verweildauer müssten ausgewertet und evaluiert werden. Zudem sollte ein Dialog mit den Adressaten in Gang kommen. Werden Beiträge kommentiert, sollte man auch darauf reagieren, so Kahl.

Probieren geht über Studieren

Dass es aber nicht immer nach dem Lehrbuch gehen muss, zeigt das Bei­spiel von Christian Deák. Sein erstes Video – die Verfilmung eines Blog-Beitrages, den er verfasst hatte – lud der Steuerberater und Inhaber der DHW Steuerberatung vor drei Jahren auf Youtube hoch. Von einem Kollegen ließ er sich mit einer handelsüblichen Kamera filmen – Hintergrundgeräusche und Kamerawackeln inklusive. Inzwischen hat er längst eine professionelle Ausstattung samt Schneidetechnik angeschafft, an seinem Vortragsstil gefeilt und ein Jingle produzieren lassen, das zu Beginn der Videobeiträge eingespielt wird. Aus seinem Videokanal „Digitalfutter“ ist inzwischen sogar eine eigene Firma entstanden.

Deák ist einer der wenigen Steuerberater, die sich schon frühzeitig in die sozialen Medien getraut haben. Als Deák das Steuerbüro vor fünf Jahren übernahm, begann er es komplett umzukrempeln: „Ich wollte die Kanzlei sowohl digital als auch überregional aufstellen und eine junge, moderne Mandantschaft ansprechen“, sagt der Steuerberater. Daher entschied sich Deák bewusst gegen lokale Werbung und begann mit der Produktion von Videos zu Steuerthemen. Nach und nach rutschten die Beiträge im Google-Ranking nach oben. Es entstanden plötzlich Kontakte, die in der analogen Welt niemals zustande gekommen wären. „Man benötigt nicht unbedingt eine tolle Strategie, Hauptsache man macht etwas, um gesehen zu werden. Online-Marketing ist wie ein großes Leuchtschild für die Kanzlei, das 24/7 im Internet gesehen wird“, sagt Deák. Mit der größeren Reichweite des Marketings kamen die Mandanten, die vor allem aus dem E-Commerce stammen. Innerhalb von drei Jahren ist die Steuerkanzlei DHW, die inzwischen komplett papierlos arbeitet, von vier Teilzeitangestellten auf 20 Mitarbei­ter gewachsen.

Lohnt sich das?

Obwohl DHW nur ein paar Hundert Abonnenten hat, zahlt sich für Deák das Investment ins Online-Marketing aus, das vor allem in Arbeitszeit besteht: „Viele, die sich unsere Videos ansehen, werden später auch unsere Mandanten“, sagt er. Zwei Jahre lang kümmerte er sich selbst um sämtliche Social-Media-Auftritte und Posts sei­ner Steuerkanzlei, inzwischen hat er zwei Teilzeitkräfte eingestellt. Trotzdem beschäftigt er sich wöchentlich rund einen Arbeitstag mit der inhaltlichen Konzeption, dem Verfassen und Aufnehmen der Online-Beiträge. In­zwischen sei dies zu einem festen Bestandteil seiner Arbeitszeit geworden. „Es ist ein Marathon, aber es zahlt sich aus“, so Deák.

Für Katja Giese ist die Bilanz des Online-Marketings ebenfalls eindeutig positiv: „Der Informationsbedarf der Mandanten ist nach wie vor hoch und der digitale Außenauftritt zahlt auf unsere Marke ein.“ Dennoch weiß sie, dass es nicht immer einfach ist, neben dem Tagesgeschäft einen Blog- Beitrag zu schreiben oder ein Video zu drehen. Auf die klassischen Marketinginstrumente – vor allem Mandantenveranstaltungen – will Kliemt aber auch in Zukunft nicht verzichten. Der persönliche Kontakt behalte unangefochten seine Wichtigkeit.

Für die Mandanten von Steuerberater Deák spielen persönliche Treffen kaum eine Rolle. Sie sind es gewohnt, ihre An­gelegenheiten digital zu regeln und fordern dies auch von ihrem Steuerberater ein. Und auch bei der Neuakquise der digitalaffinen Mandanten spielt der direkte Kontakt keine Rolle. „Potenzielle Mandanten machen i.d.R. einen Reputationscheck im Internet. Dort finden Sie uns auf vielen Portalen und kommen deshalb zu uns“, sagt Deák.

Selbst bei persönlicher Empfehlung, ergänzt Kanzleiberaterin Tutschka, würden sich die Mandanten den On­line-Auftritt der Sozietät anschauen und abgleichen, ob die Kanzlei für das stehe, wofür sie empfohlen wor­den sei. „Findet der potenzielle Man­dant einen Online-Artikel oder einen Podcast zu seinem Thema, ist das Ding geritzt“, sagt Tutschka. „Er ruft an und macht einen Termin.“

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