Die Intransparenz anwaltlicher Vergütungsstrukturen belastet das Mandantenverhältnis und schadet dem Geschäft, sagt Clemens Engelhardt, Partner der Kanzlei Trustberg und Mitinitiator des Deutschen Vergütungsrats. Ein Honorarkodex für Kanzleien soll für mehr Budgetsicherheit sorgen und unliebsame Überraschungen vermeiden.
Herr Prof. Engelhardt, im November vergangenen Jahres hat der neu gegründete Deutsche Vergütungsrat einen Honorarkodex für Kanzleien und Sozietäten verabschiedet. Was steckt dahinter?
Clemens Engelhardt: Die Initiative zur Gründung des Vergütungsrats kam sowohl aus den Rechtsabteilungen der Mandanten als auch von Kanzleiseite. Der Honorarkodex steht für Best Practice in der Vergütung für Anwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater; er folgt dem Prinzip der Selbstverpflichtung und zertifiziert Berufsträger, die sich zu Preistransparenz verpflichten.
Wofür braucht die Kanzleiwelt einen Honorarkodex?
CE: In jedem anderen Markt weiß der Kunde vorab, was er später bezahlen muss. Nur bei hochprofessionalisierten Berufen wie der Anwaltschaft und z.T. auch in der Steuerberatung und der Wirtschaftsprüfung ist der Preis meist eine Black Box. Das führt dazu, dass die Mandanten in unterschiedlichen Kanzleien und z.T. sogar innerhalb einer Kanzlei unterschiedliche Preise für die gleiche Leistung bezahlen. Dies belastet die Vertrauensbeziehung zwischen dem Mandanten und der Kanzlei.
Unterschiedliche Preise sind ein Merkmal von Wettbewerb. Wo ist das Problem?
CE: So soll es auch bleiben. Aber: Die Preisverhandlungen mit den professionellen Mandanten werden immer härter. Das ist auch ein Ausdruck von Misstrauen des Mandanten gegenüber der Preispolitik der Kanzleien. Transparenz schafft hier Vertrauen. Davon profitieren letztlich alle.
Lassen sich die individuellen Beratungsleistungen vorab so genau beziffern?
CE: Das Argument, dass die Beratungsleistung von Kanzleien und Sozietäten zu komplex sei für transparente Vergütungsmodelle, überzeugt nicht. Wir haben in unserer Kanzlei alle Leistungen mit Preisen versehen. Das war überhaupt kein Problem. Die Daten, die dafür notwendig sind, liegen allen Kanzleien vor. Dieser Datenschatz muss nur gehoben werden. Es mag natürlich Ausnahmen geben; aber fast alle Projekte lassen sich in Arbeitspakete herunterbrechen und diese folgen letztlich standardisierten Abläufen.
Was haben die Kanzleien davon?
CE: Mehr Transparenz führt zu höheren Umsätzen und erhöhter Profitabilität. Nach einer Studie unseres Mitinitiators Professor Michael Smets von der Saïd Business School der University of Oxford korreliert die Kundenzufriedenheit im Wesentlichen mit der Preiskommunikation und nicht so sehr mit der Preishöhe. Die Mandanten nehmen sogar einen höheren Preis in Kauf, wenn Sie dafür Budgetsicherheit erhalten. Ein weiteres – noch nicht veröffentlichtes – Forschungsprojekt der Hochschule St. Gallen gemeinsam mit einer deutschen Großkanzlei zeigt, dass die Profitabilität durch Preistransparenz innerhalb des Testzeitraums in der Kanzlei sogar gestiegen ist. Preisintransparenz schadet folglich dem Geschäft.
Mandanten verlangen schon heute mehr Transparenz bei der Abrechnung, vereinbaren Caps, definieren Einkaufsbedingungen und erwarten Abschlagsrechnungen. Zukünftig werden – in sehr begrenztem Rahmen – sogar Erfolgshonorare erlaubt sein. Sind Sie zu spät dran mit Ihrer Initiative?
CE: Ich kenne keine einzige Kanzlei, die in ihrem Mandatsanlageprozess eine Kundeninformation mitliefert, in der angegeben wird, wie hoch die Kosten sein werden. Caps und Pauschalvereinbarungen sind eher selten und werden nur auf Nachfrage bzw. Druck der Mandanten vereinbart. Es gibt Ausnahmen im Markt, aber die Mehrzahl der Kanzleien rechnet auf Stundenbasis ab.
Werden in Zukunft Zeithonorare weiterhin dominieren? Oder werden Pauschalpreise die Billable Hour als Standard ablösen?
CE: Pauschal- und Paketmodelle werden die Billable Hour ersetzen. Das Zeithonorar-Modell schafft nicht nur Preisintransparenz, es ist auch ungeeignet für die Unternehmensplanung und setzt falsche Anreize. Der Wertbeitrag jedes einzelnen Berufsträgers lässt sich nicht in einem Zeithonorar messen. Stattdessen sollten die Kanzleien nach Synergien und Effizienz streben. Den Mandanten ist es egal, wie lange die Rechtsanwälte an einem Vertrag gearbeitet haben. Ihnen kommt es auf das Ergebnis an.
Wie bewerten Sie die Entscheidung des Gesetzgebers, dass Berufsträger künftig im außergerichtlichen Bereich auf Erfolgshonorarbasis Forderungen in der Höhe von bis zu 2.000 Euro einziehen und Gerichts- sowie Prozesskosten übernehmen dürfen?
CE: Bei Wirtschaftsprojekten sehen wir durchaus eine hohe Bereitschaft aufseiten der Kanzleien, mit ins Risiko zu gehen, wenn sie auch am Erfolg teilhaben können. Voraussetzung ist dabei, dass es sich nicht um Verbraucher-Mandate handelt. Eine Lockerung beim Thema Erfolgshonorare darf nicht auf Kosten des Verbraucherschutzes gehen.
Foto: Trustberg