„Die Transaktionstätigkeit im E-Commerce zieht an“

Beitrag von: Andreas Knoch
31. August 2020

Die Corona-Krise hat auch dem Geschäft mit Fusionen und Übernahmen ihren Stempel aufgedrückt. Während in etlichen Branchen Flaute herrscht, zieht die Dynamik bei E-Commerce-Transaktionen an. Moritz Freiherr von Bodman, Geschäftsführer von GCA Altium, über die Gewinner der Krise und veränderte M&A-Prozesse.

Herr von Bodman, der E-Commerce-Sektor gehört zu den Corona-Profiteuren. Spiegelt sich das auch in den M&A-Aktivitäten wider?

Moritz von Bodman: Zweifellos. Die Transaktionstätigkeit zieht an. Das Interesse von Private Equity für E-Commerce hat in den vergangenen Wochen und Monaten deutlich zugenommen. In den vergangenen Jahren hatten wir doch eine gewisse Zurückhaltung der Investoren in diesem Sektor registriert. Die Branche gewinnt auch deshalb an Attraktivität, weil andere relativ verlieren – vor allem die Unternehmen, deren Geschäftsmodell einzig und allein auf der physischen Interaktion mit den Kunden basiert, ohne ein explizites Alleinstellungsmerkmal bei Produkt oder Service.

Ist diese neue Attraktivität nachhaltig?

MvB: Ja, davon gehen wir aus. Der Digitalisierungstrend hat durch Corona einen weiteren Schub erhalten. Die E-Commerce-Anbieter haben in den Wochen des Lockdowns völlig neue Kundengruppen erschlossen. Die 75-jährige Rentnerin, die zuvor ausschließlich im stationären Einzelhandel eingekauft hat, bestellt jetzt eben auch online. Für andere wiederum gewinnt der Online-Handel an Bedeutung, weil das Einkaufserlebnis im stationären Handel durch die Maskenpflicht nicht mehr das ist, was es einmal war. Der Umsatzschwung der vergangenen Monate ging noch dazu einher mit einer attraktiveren Kostenbasis: Weil Wettbewerber aus dem stationären Handel keine Anzeigen mehr geschaltet haben, waren Werbeplätze sehr viel günstiger.

Was heißt das für die Wachstumsraten in der Branche?

MvB: Da muss man zwischen kurz- und langfristigen Effekten unterscheiden. Unternehmen, die zuvor mit Jahresraten zwischen 30 und 40 Prozent gewachsen sind, weisen jetzt 100 Prozent Wachstum und mehr aus im Vergleich zu den Vorjahren. Diese hohen Wachstumsraten werden sicherlich nicht von Dauer sein. Da uns die Corona-Einschränkungen jedoch wesentlich länger und wahrscheinlich auch intensiver begleiten werden als noch vor Wochen gedacht, wird E-Commerce als Absatzkanal auch auf lange Sicht wichtiger. Wir rechnen damit, dass die Unternehmen durch Corona ein bis zwei Jahre in ihrer Entwicklung übersprungen haben und zukünftig auf der wesentlich höheren Basis mit den für die Branche üblichen Raten weiterwachsen werden.

Ziehen mit den Wachstumsraten auch die Transaktionsbewertungen an?

MvB: Die Bewertungen für E-Commerce-Targets sind höher als vor Corona – auch weil die Kurse bzw. Multiplikatoren an den Börsen seitdem nochmals zugelegt haben. Bewertungen im Bereich des zehn- bis zwölffachen EBITDA-Multiplikators sind üblich. Targets, die stark wachsen, profitabel wirtschaften und noch dazu eine gewisse Einzigartigkeit aufweisen, können auch deutlich höhere Multiples erzielen. Investoren preisen im besten Fall die aktuelle Entwicklung ein, als wäre sie nachhaltig.

Wer ist aktuell auf der Käuferseite unterwegs, vornehmlich Strategen oder Finanzinvestoren?

MvB: Wir erleben beides, einen klaren Trend gibt es nicht. Es sind sowohl strategische Käufer am Markt aktiv, die sich bspw. regional oder in ihrer Digitalkompetenz verstärken wollen, als auch Finanzinvestoren. Überraschungskäufer, die in den vergangenen Jahren die Transaktionen mit beeinflusst haben, erleben wir derzeit kaum. Aktuell sind jene Investoren unterwegs, die investieren wollen bzw. müssen oder für die das Target von strategischer Relevanz ist.

Geld dürfte momentan nicht der limitierende Faktor sein.

MvB: Nein. Bankenfinanzierungen nähern sich dem Vor-Corona-Niveau, wenn auch auf leicht erhöhter Kostenbasis. Debt-Fonds bleiben als Finanzierungsalternative ebenfalls aktiv, wenn das Geschäftsmodell nachhaltig ist. Sowohl Banken als auch Fonds haben Liquidität und müssen damit Rendite erwirtschaften. Im aktuellen Zinsumfeld geht das nur mit entsprechenden Investments.

Wie beeinflusst die Corona-Krise denn den Transaktionsprozess für M&A-Häuser wie GCA Altium?

MvB: Der Verkaufsprozess bleibt global, wird aber immer digitaler. Wir hatten jüngst eine Transaktion, bei der es lediglich ein physisches Treffen gab. Alles andere wurde in Videokonferenzen besprochen. Das erfordert eine etwas andere Verhandlungs- und Prozessführung, auch um internationalen Investoren mit eingeschränkten Reisemöglichkeiten dieselben Chancen einzuräumen. Auch der Stil von Managementpräsentationen ändert sich. Man muss versuchen, das Geschäftsmodell einschließlich der Produkte und Dienstleistungen virtuell darzustellen, und die Gegenseite motivieren, Fragen zu stellen, um so die Interaktion und den Dialog zu intensivieren.

Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass alle involvierten Parteien Veränderungen im Transaktionsprozess akzeptieren. Mehr noch: Käufer und Verkäufer merken, dass es oftmals effizienter ist. Videokonferenzen lassen sich deutlich schneller und kostengünstiger organisieren als ein Treffen vor Ort. Das führt u.a. dazu, dass es einen regelmäßigeren Austausch zwischen Käufern und Verkäufern bzw. den involvierten Beratern geben kann. Auf diese Weise lässt sich eine Transaktion bis zu 90 Prozent finalisieren. Für die restlichen 10 Prozent wird eben ein physisches Treffen in der finalen Phase des Prozesses arrangiert.

Foto: GCA Altium

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