Digital-Know-how zukaufen

Beitrag von: Martin G. Schmitt, Prof. Dr. Philipp Haberstock, Steffen Lohrer
14. Juni 2019

Unternehmen werden zunehmend wegen ihres Digital-Know-hows zugekauft. Doch günstige Preise sollte man nicht mehr erwarten – die Digitalunternehmen wissen, wie wertvoll sie für die Zukunftssicherung vieler Konzerne und Mittelständler sind.

Das Jahr 2018 hat viele Veränderungen mit sich gebracht: Der schnelle technologische Wandel, Kapital im Überfluss sowie ambitionierte Wachstumsziele setzen Unternehmen weltweit unter Druck. Mit Übernahmen wollen sie diesen Herausforderungen begegnen. Firmenkäufe sind immer häufiger Know-how-getrieben und werden vorrangig genutzt, um Wachstum zu beschleunigen und zusätzliches Knowhow ins Unternehmen zu holen. Erstmals hat es 2018 mehr Scope- als ScaleDeals gegeben, das heißt mehr Transaktionen, die das Geschäftsmodell erweitern und bei denen es nicht vor allem um Kostenvorteile geht, schreiben Bain & Company in ihrer Studie „M&A in Disruption: 2018 in Review“.

Weniger Mega-Käufe, mehr digitale Deals

Während in den vergangenen Jahrzehnten vor allem der Zukauf von Marktanteilen und die geografische Expansion die M&A-Transaktionen bestimmten, geht es mittlerweile zunehmend um den Erwerb von digitalem Know-how. Der weltweite Anteil dieser „digitalen Transaktionen“, die dazu dienen, digitale Kompetenzen für das Unternehmen zu gewinnen, kletterte 2018 auf 15 Prozent. Drei Jahre zuvor waren es nur zwei Prozent gewesen. Die Dynamik bei kleineren Deals dürfte noch größer sein. Dafür spricht die Vervierfachung der Corporate-Venture-Capital-Investitionen seit 2013. Bei vielen Übernahmen mit einem digitalen Bezug stehen neue Technologien im Vordergrund. Die Themen reichen vom autonomen Fahren über E-Commerce und digitales Marketing bis hin zu Internet der Dinge und Cybersecurity. So übernahmen in den vergangenen Monaten viele große strategische Investoren wieder Mittelständer mit Digitalkompetenz: Daimler stieg bei der Onlineplattform Heycar ein; SAP übernahm mit Contextor einen Spezialisten für Softwareroboter sowie den Marktforschungsspezialisten Qualtrics für acht Milliarden US-Dollar, was dem 15fachen des geplanten Umsatzes des nächsten Geschäftsjahres entspricht. Und auch Eon, die Deutsche Bank, Siemens und Volkswagen kauften digitale Start-ups und Mittelständler auf.

Hohe Bewertungen verhindern eine noch stärkere Dynamik

Dass es nicht noch mehr solcher Transaktionen gibt, dürfte an den hohen Bewertungen liegen. So wird es immer schwieriger, die hohen Preise gegenüber den Aufsichtsräten und Aktionären zu rechtfertigen. Außerdem schlagen sich ausgereiftere Geschäftsmodelle im Vergleich zu den Jahren vor der Finanzkrise 2008 in extrem hohen Kaufpreismultiplikatoren nieder. So wurde bereits 2017 durchschnittlich das 26fache des operativen Gewinns vor Zinsen und Steuern (EBIT) gezahlt; 2012 hatte der Multiplikator noch einen Wert von 17. Zum Vergleich: Bei der Übernahme von traditionellen Mittelständlern ohne besondere Digitalkompetenz zahlten die Investoren laut der BCG-Studie „Cracking the Code of Digital M&A“ zuletzt das Neun- bis Zehnfache des operativen Ergebnisses, was auch schon als teuer gilt. Die Bewertungen, die einigen der Akquisitionen von Digital-Know-how zugrunde lagen, waren mitunter spektakulär: So zahlten die Käufer oftmals zweistellige Umsatzmultiplikatoren, wenn es sich um digitale Funktionen handelte, die unbedingt erforderlich erschienen (siehe Abbildung).

Vormarsch der Pessimisten

Zwar nahm 2018 das weltweite Transaktionsvolumen laut Refinitiv um 19 Prozent auf 3,4 Billionen US-Dollar zu, doch scheint das globale M&A-Geschäft derzeit abzukühlen. Im vierten Quartal des vergangenen Jahres kam es zu einer rückläufigen Entwicklung und auch das erste Quartal 2019 verspricht kaum Besserung. Die geopolitischen Unsicherheiten wie der Brexit, weltweite Handelskriege, ein konjunktureller Abschwung und längere Kartellprüfungen sorgen für weniger Mega-Deals und einen Rückgang internationaler Cross-Border-Transaktionen. Trotzdem sind Experten überzeugt, dass sich der Wachstumstrend bei den digitalen Deals fortsetzen wird und das Thema „Scope statt Scale“ im M&A-Geschäft immer wichtiger wird. Daher wird es für Unternehmen entscheidend, das Know-how für regelmäßige digitale M&A-Transaktionen aufzubauen, denn durch digitale Transaktionen können sie den disruptiven Wandel besser bewältigen und sich so einen nachhaltigen Wettbewerbsvorsprung verschaffen.

Bildnachweis:  Baird, L., et al.: M&A in Disruption: 2018 in Review – Using M&A to ride the tide of disruption, Bain & Company; 2019 Boston, S. 14.

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