Exklusive Verhandlungen als Alternative zum Bieterverfahren

Beitrag von: Broder Abrahamsen, Michael Feldt
17. Juni 2020

Nicht immer ist ein Auktionsverfahren die beste Lösung für den Unternehmensverkauf. Gerade bei Nachfolgeregelungen schaffen bilaterale Gespräche mit einem potenziellen Käufer Vertrauen.

Für Inhaber eines mittelständischen Unternehmens kann der Verkauf ihres Lebenswerkes eine Option sein, den Wert ihres Unternehmens zu realisieren und gleichzeitig dessen langfristigen Fortbestand zu sichern – zum Wohl der Kunden und der Mitarbeiter. Die meisten M&A-Transaktionen werden mithilfe eines M&A-Beraters als kontrollierte Bieterverfahren (Limited Auction) durchgeführt. Die breite Ansprache möglicher Investoren erhöht die Transaktionssicherheit und sorgt für die Optimierung des Preises und der Konditionen.

Neben diesen Vorteilen birgt die breite Vermarktung eines Unternehmens aus Sicht des Inhabers jedoch auch erhebliche Nachteile: Je mehr Personen Kenntnis von den Verkaufsabsichten erlangen, desto höher ist das Risiko einer Vertraulichkeitsverletzung mit allen negativen Konsequenzen. Kunden könnten nervös werden und andere Lieferanten aufbauen, Wettbewerber könnten Kunden mit Verweis auf den Verkauf gezielt abwerben. Zudem besteht die Gefahr, dass das Durchsickern eines anstehenden Eigentümerwechsels gute Mitarbeiter dazu verleitet, die Firma zu verlassen. So können wichtige Know-how-Träger verloren gehen, was den Wert des Unternehmens letztendlich mindern oder, beim Verlust von Schlüsselpersonal, unter Umständen sogar gefährden kann. Zudem bedeuten Bieterverfahren eine enorme Belastung für das Tagesgeschäft. Mehrere potenzielle Erwerber wollen die Standorte besichtigen, das Management muss unzählige Fragen verschiedener Due-Diligence-Dienstleister beantworten und vielen Parteien sensible Informationen und Daten offenlegen. Trotzdem entwickeln die Investoren oft nur eine oberflächliche Strategie für das Unternehmen, die sie nach dem Erwerb mit einem besseren Verständnis für das Geschäft mitunter korrigieren müssen.

Doch was, wenn ein Bieterverfahren nicht passend für den Unternehmensverkauf erscheint? Unsere Erfahrung – etwa am Beispiel der Garbe-Gruppe – zeigt, dass ein exklusiver Verkaufsprozess mit einem, maximal zwei Kaufinteressenten für viele Mittelständler entscheidende Vorteile bieten kann. Da sich der Unternehmer nur mit einem Interessenten austauscht, kann sich viel schneller ein grundlegendes Vertrauensverhältnis entwickeln. Der Unternehmer weiß und kann kontrollieren, an wen seine sensiblen Geschäftsinformationen gelangen. Er kann gemeinsam mit dem potenziellen Erwerber eine für beide passende Zukunftsstrategie für das Unternehmen entwickeln. Zudem können die Verhandlungspartner die Prozessgeschwindigkeit an die Ressourcen und Notwendigkeiten des Tagesgeschäfts anpassen, sodass Unruhe im Unternehmen weitestgehend vermieden wird.

Sondersituationen wie die aktuelle Corona-Krise bringen einen weiteren Vorteil eines engen, bilateralen Prozesses ans Tageslicht: Der potenzielle Investor kann – ggf. mit einem Darlehen oder einer Minderheitsbeteiligung – einen kurzfristigen Liquiditätsengpass überbrücken und so einen abgestuften Einstieg gestalten. Dies senkt auch die Berührungsängste bei Mitarbeitern und ermöglicht dem Investor einen tieferen Einblick ins Unternehmen. In einem bilateralen Prozess entsteht zudem mehr Verständnis für die Unwägbarkeiten der Sondersituation – dies ermöglicht es, die Gespräche konstruktiv fortzuführen und stärker auf die besonderen Umstände einzugehen.

Nachfolgeregelung bei der Garbe-Gruppe

Der Erwerb der Garbe-Gruppe durch Adcuram im Juli 2019 ist ein Beispiel für die Vorteile eines exklusiven Verkaufsprozesses: Die Garbe-Gruppe ist ein in Berlin ansässiges Rückbau- und Recycling- Unternehmen mit fast 400 Mitarbeitern und 50 Mio. EUR Umsatz. Der Unternehmer Eckhard Garbe verkaufte im Rahmen der Transaktion sämtliche Geschäftsanteile an Adcuram und übergab die Geschäftsführung an die zweite Führungsebene.

Der Erstkontakt zwischen Adcuram und Garbe ergab sich bereits im März 2018 – die Gespräche dauerten damit über ein Jahr. Diese Zeitspanne war nötig, um für beide Seiten die notwendige Transparenz und das erforderliche Vertrauen aufzubauen. Zudem erlaubte die lange zeitliche Streckung der Gespräche dem Inhaber, die wesentlichen Informationsbedarfe des Investors allein zu decken. Die zweite Führungsebene wurde erst eingebunden, als alle wirtschaftlichen und juristischen Aspekte des Verkaufs vollständig geklärt waren. So wurde jegliche Unruhe unter den Führungskräften vermieden.

Durch den engen bilateralen Transaktionsprozess konnte der Verkäufer Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Absprachen mit dem Käufer aufbauen – die Bewertungsgrundlage für die Transaktion wurde über die gesamte Zeitspanne nicht modifiziert – und so sein Lebenswerk guten Gewissens veräußern.

 

Illustration: 123rf.com/simmmax

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