Neue Ansätze für Transaktionsprozesse im digitalen Zeitalter

Beitrag von: Martin G. Schmitt, Philipp Haberstock
27. Januar 2020

Konventionelle M&A-Prozesse sind für Digitalunternehmen nur begrenzt anwendbar. Mit einem „Digital M&A-Playbook“ können Mittelständler Erfahrungen im Umgang mit digitalen Targets sammeln und Abläufe standardisieren.

Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) oder Blockchain-Anwendungen bergen enorme betriebswirtschaftliche Potenziale für Unternehmen: Sehr geringe Grenzkosten und eine hohe Skalierbarkeit sind nur zwei Merkmale, die digitale Produkte und Dienstleistungen auszeichnen.

Digitalisieren – aber wie?

Dennoch stocken die Investitionen in die Digitalisierung insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen mit geringeren Mitarbeiterzahlen. Dies birgt das Risiko, dass diese Unternehmen in Zukunft an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen und damit den Anschluss an eine zunehmend digitalisierte internationale Umgebung verlieren. Erhebungen des Bitkom zufolge geben 56 Prozent dieser Unternehmen an, im Zuge der Digitalisierung ihr Portfolio bzw. Geschäftsmodell anpassen zu wollen, aber nur 34 Prozent verfügen über eine bereichsübergreifende Digitalisierungsstrategie. Hinzu kommt erschwerend, dass das bestehende Wissen um M&A-Prozesse für digitale Targets nur begrenzt anwendbar ist. Während der Ablauf einer Transaktion dem traditionellen Muster folgt, unterscheiden sich die einzelnen Transaktionsschritte teilweise deutlich von klassischen M&A-Prozessen. Der von Steinbeis M&A entwickelte Leitfaden in Form eines „Digital M&A-Playbook“ kann insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen bei ihrem Digitalisierungsprozess unterstützen.

Zukunftsgerichtete Analyse

Im Zentrum des Leitfadens steht eine auf Potenzial und Zukunft des Targets ausgerichtete Betrachtungsweise anstelle einer vergangenheits- und performance-bezogenen Analyse. Dieser Fokus zieht sich in vielen Facetten durch „Digital M&A“ und hat Auswirkungen auf zentrale Schritte des M&A-Prozesses, wie die Due Diligence und die Unternehmensbewertung. Die Betrachtungsparameter von Risiko und Erfolg müssen neu kalibriert und die Bedeutung des Cashflows überdacht werden. Zudem können je nach Integrationsvorhaben weiche Faktoren wie das Selbstverständnis, die Risikobereitschaft und die Autonomie der Leistungsträger des Targets eine entscheidende Rolle spielen.

Praxisbeispiel

Die Unterschiede und Herausforderungen eines digitalen M&A-Prozess lassen sich anhand eines Praxisfalls gut verdeutlichen: Als Beispiel sei ein Unternehmen genannt, das ein Marktführer in der Ausstattung von Krankenwagen und Sanitätshubschraubern ist. Die entwickelte Digitalisierungsstrategie des Hidden Champion fokussierte nicht nur auf die konsequente Vernetzung der medizintechnischen Geräte (z.B. Defibrillatoren) mit dem Internet, um so z.B. Predictive Analytics zu nutzen, sondern konzentrierte sich auch auf die Vernetzung der Krankenwagen und Hubschrauber mit Krankenhäusern, um schnell überlebenswichtige Daten übermitteln zu können. Da die hierfür erforderlichen Kompetenzen nur teilweise intern aufgebaut werden konnten, wurde zunächst ein innovatives Unternehmen im Bereich Datenanalyse als Kooperationspartner gewonnen.

Da der angestammte B2B-Markt stagnierte, sah die Digitalisierungsstrategie im nächsten Schritt die Fokussierung auf den stark wachsenden B2C-Bereich vor (z.B. zur Auswertung patientenspezifischer Daten aus Smart Watches und anderen Wearables). Hierbei galt es, die interessantesten Start-up-Target-Unternehmen mit innovativen Methoden, wie z.B. Smart Money Flows, Netzwerkanalysen und Sentiments in sozialen Medien zu identifizieren. Mit Blick auf die Synergiebetrachtung waren bei der folgenden Unternehmensbewertung „nicht-traditionelle“ Synergien von besonderer Relevanz.

Der Due-Diligence-Prozess war primär durch eine zukunftsgerichtete Betrachtung geprägt, da eine Vergangenheitsbetrachtung wegen des Mangels an Daten nicht möglich war. Von besonderer Bedeutung war dabei das Schlüsselpersonal, vor allem weil es sich um eine „frühe“ Akquisition handelte. Da das Potenzial eng an diese Personen gekoppelt war, wurde versucht, Fähigkeiten und Motivation der Treiber bestmöglich nachzuvollziehen.

Für den Käufer war besonders wichtig, dass der Deal schnell geschlossen werden konnte, um das technologische Momentum bestmöglich zu nutzen. Im Zuge des Transaktionsabschlusses musste der Käufer für einen erfolgreichen Know-how-Transfer eine enge Bindung des Managements an die Firma erreichen. Dazu nutzte der Käufer Earn-out-Optionen, durch die ein Teil des Kaufpreises erfolgsabhängig und erst in den Folgejahren fällig wurde.

Nach dem Closing der Transaktion galt es für die erfolgskritische Post-Merger-Integration u.a., dem Schlüsselpersonal des Targets einen hohen Autonomiegrad zuzusichern, um es langfristig an das Unternehmen zu binden. Ein zeitweiliger Personalaustausch und eine Rotation unterstützten die erfolgreiche Integration und trugen zu einer erfolgreichen Transaktion und zur digitalen Neuausrichtung bei.

Illustration: 123rf.com/vska

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