Unternehmensbewertung in Zeiten von Corona

Beitrag von: Holger Linn, Oliver Böhm
14. Oktober 2020

Den Wert eines nichtbörsennotierten Unternehmens zu ermitteln und sich auf einen Kaufpreis zu einigen ist schon in normalen Zeiten schwierig. In einer anhaltenden Krise mit all ihren Unwägbarkeiten kann dies schnell zum Deal-Killer werden. Einen möglichen Ausweg bieten Earn-out-Strukturen.

 Die Bewertung von Unternehmen bei M&A-Transaktionen ist grundsätzlich komplex. Bei der Kaufpreisfindung ist die Wertermittlung des Unternehmens jeweils von den subjektiven Einschätzungen des Käufers und des Verkäufers geprägt. Daher variiert auch bei der Anwendung von marktüblichen akademischen Methoden die Bandbreite an Bewertungen erheblich.

Marktorientierte Bewertungsverfahren

Für die Bewertung von nichtbörsennotierten Unternehmen wird neben dem Ertragswert oder Discounted-Cashflow-Verfahren in der Praxis häufig die Multiplikatormethode angewendet. Bei der Multiplikatormethode wird eine Ergebnisgröße – meist das um Einmaleffekte oder andere Anomalitäten bereinigte EBITDA oder das EBIT – mit einem Faktor (Multiplikator) multipliziert und so der Unternehmenswert ermittelt. Von diesem wird der Saldo aus zinstragenden Verbindlichkeiten und Barmittelbestand abgezogen, um den Barkaufpreis zu errechnen. Dabei gilt: je höher die Erwartungen hinsichtlich des zukünftigen (Ertrags-)Wachstums des Kaufobjekts, desto größer der anzuwendende Multiplikator. Als Orientierungsgrößen dienen meist die aus Kapitalmarktbewertungen abgeleiteten Werte für einzelne Industrien, wobei auch individuelle, auf das jeweilige Unternehmen bezogene Einschätzungen eine Rolle spielen. Über die Art und Höhe der Adjustierungen entfacht zwischen Käufer und Verkäufer nicht selten ein heftiger Streit, insbesondere weil die Rechnungslegungsvorschriften hierzu keine Vorgaben machen. Gleiches gilt für die Höhe des Multiplikators.

Die Corona-Krise als spezielle Herausforderung

Die Covid-19-Krise beeinflusst die Geschäftsverläufe der meisten Unternehmen in dramatischer und primär negativer Weise. Neben dem Wegbrechen von Umsatz und Ertrag stellt sich zudem die Frage, ob und wann eine Rückkehr zur Normalität stattfinden wird. Dies erschwert die ohnehin schon diffizile Kaufpreisfindung immens. Unternehmer, die einen Verkaufsprozess vor dem Ausbruch der Corona-Krise gestartet haben oder für 2020 planen, müssen sich nun die Frage stellen, ob und in welcher Form die Effekte dieser Krise ihr Geschäft und damit den Wert ihres Unternehmens beeinflussen, um potenziellen Käufern ein adäquates Bild der nachhaltigen Profitabilität des Unternehmens zeigen zu können.

Es würde zu weit führen, die Vielzahl der möglichen Anpassungen zu erörtern, die sich momentan durch die GuV-, Bilanz- und Cashflow-Positionen ziehen. Es ist im Rahmen eines Verkaufsprozesses jedoch sinnvoll, die Auswirkungen der Krise näherungsweise zu modellieren und darzustellen, da jeder Euro durchsetzbares EBITDA/EBIT-Adjustment eine Kaufpreiserhöhung zur Folge hat. Eine extrem sorgfältige Vorbereitung und Dokumentation sind hier der Schlüssel zum Erfolg.

Umgang mit besonders unsicheren Erwartungen

Können sich Käufer und Verkäufer bei der Bewertung des Unternehmens nicht einigen bzw. sollten abweichende Erwartungen hinsichtlich des zukünftigen Geschäftsverlaufs bestehen, kommen Earn-out-Strukturen in Betracht. Bei einem Earn-out-Verfahren einigen sich die Parteien grundsätzlich auf einen Kaufpreis auf Basis des Businessplans des Unternehmens. Allerdings wird die zweite Kaufpreisrate und somit der volle Kaufpreis erst bei nachweislicher Planerreichung ausgekehrt. Earn-out-Strukturen ermöglichen Verkäufern, auch in unsicheren Zeiten ihr Unternehmen zu veräußern und gleichzeitig einen fairen Kaufpreis zu erhalten, der der tatsächlichen Entwicklung des Unternehmens Rechnung trägt.

Um sich auf einen solchen Mechanismus zu einigen, bedarf es selbstverständlich einer absolut transparenten und nachvollziehbaren Methode. Daher gilt auch hier: Eine sorgfältige und professionelle Vorbereitung und Aufarbeitung sind ein absolutes Muss.

Kreative Lösungen bei ungewisser Zukunft

Um in unsicheren Zeiten erfolgreich Unternehmen zu veräußern, müssen kreative Lösungen gefunden werden. Diese sind keinesfalls neu. Sie sind jedoch im positiv gestimmten, verkäuferfreundlichen Marktumfeld der vergangenen Jahre ein wenig in Vergessenheit geraten. Bei einer Earn-out-Lösung spielen nicht nur der Transaktionsberater, sondern auch der – meist mit den Eigentümern und ihren Unternehmen bestens vertraute – Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwalt eine zentrale Rolle.

Illustration: 123rf.com

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