Vom Boom zum Downturn?

Beitrag von: Roland Schulz
20. September 2022

Das Umfeld für Unternehmenstransaktionen ist deutlich schwieriger geworden und eine Besserung ist vorerst nicht in Sicht. Doch auch aktuell lassen sich noch gute Transaktionen abschließen. Für verkaufswillige Unternehmer bedeutet das: Nicht in jedem Fall lohnt es sich abzuwarten.

Nach dem Rekordjahr 2021 signalisierten die Zahlen für das erste Quartal 2022 bereits ein deutlich geringeres Volumen am M&A-Markt, auch in Deutschland. Je nach Datenanbieter war mitunter zu lesen, dass sich das Volumen der Transaktionen, in denen ein deutsches Unternehmen erworben wurde, gegenüber dem Vorjahreszeitraum halbiert habe. Auch erste Statistiken zum ersten Halb­jahr 2022 scheinen diese Entwicklung zu bestätigen. Der Datenanbieter Refinitiv ermittelte z.B. global einen Rückgang von 20 Prozent beim Volumen und 17 Prozent bei der Anzahl der Transaktionen. Wer sich indes in diesen Tagen nach der Auslastung der verschiedenen Marktteilnehmer erkundigt, erhält einen ganz anderen Eindruck: Nach wie vor wird an einer Vielzahl von Transaktionen gearbeitet.

Allerdings ist nicht zu leugnen, dass angesichts des geopolitischen Umfelds die Unsicherheit am Markt erheblich zugenommen hat und dass dies nicht spurlos an M&A-Transaktionen vorübergeht. Gleich zu Beginn des Kriegs in der Ukraine hatten sich Unternehmen bereits als mögliche Käufer aus M&A-Prozessen zurückgezogen, um sich um ihre Mitarbeiter, Standorte und Geschäftspartner nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Russland zu kümmern. Lieferkettenunterbrechungen und explodierende Preise für Energie und Rohstoffe sowie andere Vorprodukte infolge erneuter Lockdowns in China zur Bekämpfung von Corona und des Kriegs in der Ukraine stellten und stellen die Unternehmen darüber hinaus vor größte, wenn nicht existenzielle Herausforderungen und machen sich zunehmend in den laufenden Geschäftszahlen bemerkbar.

Rahmenbedingungen verschlechtern sich

Je länger dieses Umfeld anhält und je schwieriger sich das Überwälzen der Preissteigerungen auf die Kunden für Unternehmen gestaltet, desto mehr driften die Erwartungen von potenziel­len Käufern und Verkäufern über den weiteren Geschäftsverlauf und damit die Vorstellungen über den Kaufpreis auseinander. Insofern sind M&A-Prozesse in den vergangenen Wochen und Monaten herausfordernder geworden.

Zudem wandelt sich das Finanzierungsumfeld. Banken prüfen vor dem Hintergrund des geopolitischen Umfelds die Resilienz von Geschäftsmodellen noch intensiver und könnten insgesamt vorsichtiger und selektiver bei der Vergabe neuer Kredite werden. Die angesichts der hohen Inflation seitens der Zentralbanken eingeleitete Zinswende führt zudem zu höheren Akquisitionskosten für Käufer.

Mitunter ist auch zu beobachten, dass die Vergabe und damit der Start neuer M&A-Projekte hinausgezögert wird, um (ähnlich wie bei Börsengängen am Kapitalmarkt) einen besseren Verkaufszeitpunkt abzupassen – vorausgesetzt, dass angesichts fehlender Vorprodukte aus Russland das Geschäftsmodell nicht ohnehin erst einmal neu gedacht werden muss.

Stabilisierende Faktoren

Die Lage des M&A-Geschäfts ist indes nicht in allen Branchen gleich. So gibt es – anders als in weiten Teilen der verarbeitenden Industrie – nach wie vor Bereiche, in denen von Krise oder einem etwaigen Drehen von einem Verkäufermarkt in einen Käufermarkt kaum etwas zu spüren ist. Diese Branchen profitieren von den Megatrends wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder Demografie. Insofern überrascht es wenig, dass das Investoreninteresse etwa an Software, Technologie, Gesundheit und erneuerbaren Energien ungebrochen groß ist und dass diese Branchen – vielleicht zulasten anderer – sogar noch mehr Kapital anziehen.

Nach wie vor ist viel Liquidität im Markt, die angesichts der hohen Inflation nach attraktiven Anlagemöglichkeiten sucht. Erfolgreiche Kapitaleinwerbungen von Private-Equity-Fonds selbst in den vergangenen Wochen und Monaten haben gezeigt, dass Investoren auch weiterhin auf diese Assetklasse setzen. Private-Equity-Fonds stehen somit wie im vergange­nen Rekordjahr unter einem anhaltenden Anlagedruck, der sich vor allem bei kleineren und mittleren Transaktionen unabhängig vom Finanzierungsumfeld weiterhin positiv auf den M&A-Markt auswirken wird. Aber auch strategische Käufer sind nach wie vor aktiv.

Jetzt verkaufen oder abwarten?

Was bedeutet all das nun etwa für den Unternehmer, der überlegt, seine Unternehmensnachfolge über einen Verkauf zu regeln? Lieber erstmal abwarten? Dass sich das Bild am M&A-Markt in Kürze wieder grundsätzlich wandelt, ist zurzeit nicht abzusehen, betrachtet man etwa die Entwicklung am Aktienmarkt oder diverse andere Konjunktur- und Stimmungsindikatoren. Anders als in den Anfängen der Corona-Pandemie, als der M&A-Markt ebenfalls einen kräftigen Dämpfer erhielt, fehlt derzeit die Aussicht auf einen Impfstoff, der für eine begründete Rückkehr des Optimismus sorgt. Insofern kommt es bei der Frage, ob ein Unternehmensverkauf jetzt oder lieber später angestoßen werden soll, vor allem auf die persönliche Situation des Unternehmers und die Aufstellung seines Unternehmens an. Auch in dieser Zeit lassen sich Transaktionen mit gut positionierten Unternehmen in den un­terschiedlichsten Branchen zu attraktiven Preisen abschließen. In jedem Fall bedarf es einer vertrauensvollen und professionellen Beratung, die mit Erfahrung und internationalem Investorenzugang überzeugen kann. Denn unabhängig von der Branche kommt es am Ende darauf an, dass mit den richtigen Käufern gesprochen wird.

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