Externe Nachfolgelösungen ohne Identitätsverlust

Beitrag von: Daniel Kral
28. Dezember 2021

Durch den schrittweisen Verkauf an eine langfristig orientierte Industrieholding kann das Unternehmen durch den Abgebenden noch eine Weile begleitet und gemeinsam mit dem neuen Gesellschafter gestaltet werden.

Der Mittelstand ist das Herz der deutschen Wirtschaft. Der Großteil der deutschen Unternehmen sind kleine und mittlere Unternehmen. Sie beschäftigen mehr als zwei Drittel der deutschen Arbeitnehmer. Über die Hälfte der Familienunternehmen sind im ländlichen Raum angesiedelt und stehen dort für Stabilität und Tradition. Die gesamtgesellschaftliche Verantwortung ist groß. Doch der Nachwuchs fehlt. Steht ein Generationenwechsel im Unternehmen an, so muss die Frage beantwortet werden, wem das Geschäft anvertraut werden soll.

Hidden Champion mit Nachfolgesorgen

Unser Beispielunternehmer ist Anfang 60. Vor mehr als 30 Jahren gründete er ein Maschinenbauunternehmen im ländlichen süddeutschen Raum. Beschäftigte er zu Beginn nur wenige Mitarbeiter, so stieg die Zahl der Beschäftigten mit dem Ausbau des Geschäfts um ein Vielfaches. Heute ist sein Unternehmen einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region. Der Kundenstamm ist breit gestreut und international. Das Produktportfolio ist hochspezialisiert. Das Beispielunternehmen ist der Weltmarktführer in seiner Nische. Es ist in Fachkreisen bekannt, in der Öffentlichkeit aber kaum wahrgenommen. Denn als erfolgreiches B2B-Unternehmen braucht es keine Werbung. Ein typischer Hidden Champion.

Seit einiger Zeit beschäftigt sich der Unternehmer mit dem Gedanken, in den Ruhestand zu gehen und das Geschäft an einen geeigneten Nachfolger zu übergeben. Seine beiden erwachsenen Kinder haben andere Berufswege eingeschlagen. Eine traditionelle Nachfol­gelösung innerhalb der Familie kommt nicht infrage. Der Wunschkandidat aus der zweiten Führungsebene möchte selbst nur einen Minderheitsanteil erwerben und benötigt einen Partner zur Kaufpreisfinanzierung.

Der Beispielunternehmer wohnt am Ortsrand der Kleinstadt, in der auch sein Unternehmen ansässig ist. Er ist seiner Heimat sehr verbunden und möchte sein Unternehmen in gute Hände geben. Dabei ist ihm wichtig, dass sein Lebenswerk nicht in Kürze wertoptimiert wieder veräußert wird. Die Identität und Kultur des Unternehmens sollen gewahrt bleiben.

Im Schoß einer Holding

Geeignete externe Investoren sind bspw. langfristig ausgerichtete Industriegruppen. Die erworbenen Unternehmen werden als selbstständige Einheiten in die Unternehmensgruppe integriert. Die Geschäftsmodelle werden fortgeführt und weiterentwickelt. Die Steuerung erfolgt dezentral. Die Unternehmen in der Gruppe profitieren von der Unterstützung durch die Holding in operativen und strategischen Fragen.

Im Zuge der Akquisition übernimmt der Finanzinvestor die mehrheitlichen oder sämtliche Anteile des Gesellschafters. Dabei sind individuelle Vereinbarungen für einen späteren Erwerb verbliebener Minderheitsanteile keine Seltenheit. Denn je nach Situation eröffnen derartige Übereinkünfte die Möglichkeit einer fließenden Übergabe. Der „Altgesellschafter“ bleibt noch eine Zeit an Bord und begleitet die Übergabe an das neue Management. Die Beschäftigten können so schrittweise mit der neuen Situation vertraut gemacht werden. Darüber hinaus lassen sich Informationsasymmetrien zwischen Käufer und Verkäufer während des Übergabezeitraums deutlich verringern.

Neben der Sicherung des Fortbestandes des Unternehmens durch organisches Wachstum besteht die Möglichkeit, mithilfe des neuen Gesellschafters auch durch Zukäufe zu wachsen. Kleinere Ergänzungsakquisitionen im In- und Ausland können dazu beitragen, das Produktportfolio auszubauen und neue Märkte zu erschließen.

Der Beteiligungsprozess

Im geschilderten Fall kam dem Unternehmer der Zufall zupass. Im Gespräch mit seinem Steuerberater empfahl ihm dieser eine Holding, die sich als Spezialist für Nachfolgelösungen im Mittelstand einen Namen gemacht hatte. Nach einer ersten Kontaktanbahnung fand ein persönliches Kennenlernen statt, bei dem die Vorstellungen beider Seiten ausgetauscht wurden. Da sich diese grundsätzlich entsprachen, folgte zunächst die Analyse der wirtschaftlichen Eckdaten und Marktperspektiven des Unternehmens durch die M&A-Spezialisten der Holding. Anschließend signalisierten beide Seiten Interesse an der Transaktion und traten in den konkreten Verkaufsprozess ein.

Auf Grundlage eines ersten unverbindlichen indikativen Angebots (Letter of Intent) wurden verschiedene Transaktionsvarianten diskutiert. Im nächsten Schritt prüfte die Holding das Unternehmen in einer Due Diligence (sorgfältige Prüfung). Sechs Wochen später einigten sich beide Parteien auf einen Kaufpreis. Zeitgleich wurde der Kaufvertrag ausgearbeitet. Nach erfolgter Unterzeichnung des Vertrags (Signing) war für den Vollzug der Transaktion (Closing) einzig die Freigabe des Kartellamtes erforderlich. Diese traf vier Wochen später ein. So vergingen zwischen der ersten Kontaktaufnahme bis zum Vertragsabschluss insgesamt sechs Monate.

In einem ersten Schritt veräußerte der Unternehmer 80 Prozent seiner Anteile. In den folgenden Jahren blieb er dem Unternehmen als Geschäftsführer erhalten. Der Wunschkandidat aus der zweiten Führungsebene konnte zwischenzeitlich auf die Erfahrung des Unternehmers zurückgreifen, ergänzt um die Fachexpertise aus der Holding. Drei Jahre später trat er die Nachfolge des Geschäftsführers an. Mit der Veräußerung der verbliebenen Minderheitsanteile schied der Altgesellschafter schließlich aus dem Unternehmen aus und war noch einige Zeit in beratender Funktion tätig.

Mit dieser Lösung wusste der Verkäufer sein Unternehmen in guten Händen. Die Holding konnte ein neues wertvolles Mitglied in die Gruppe integrieren. Eine Win-win-Situation für alle Seiten.

ILLUSTRATION 123rf.com/alhovik

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