Wenn es um die Nachfolge geht, sind Unternehmervertraute geschätzte Ansprechpartner für Unternehmerfamilien. Doch nicht immer findet sich eine passende Lösung. Nach einer Initiative der Stiftung Verantwortungseigentum sollen Unternehmen zukünftig sich selbst gehören können. Ein fortschrittlicher Vorschlag für Unternehmer mit Nachfolgesorgen oder ein Vorstoß von Idealisten?
Ein eigenes Unternehmen gründen und aufbauen, ohne die Möglichkeit, die Früchte der unternehmerischen Mühen eines Tages zu ernten oder das Lebenswerk an seine Kinder weiterzureichen. Klingt nicht gerade reizvoll? Und doch tun genau dies Jahr für Jahr zahlreiche Inhaber, die ihr Unternehmen in eine Stiftung einbringen, häufig mit der Motivation, dieses vor Gesellschafterstreitigkeiten und einem Verkauf durch die Erben zu schützen. Auch steuerliche Überlegungen mögen dabei eine Rolle spielen.
Gewinne als Mittel zum Zweck
Eine Gruppe namhafter Rechtsprofessoren, Ökonomen und Unternehmer unter der Federführung von Armin Steuernagel, Gründer der Purpose Stiftung, hat vorgeschlagen, mit der „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ eine neue Rechtsform einzuführen. Die Idee: Das unternehmerische Vermögen wird in Form eines „Asset Locks“ dem Zugriff der Gesellschafter entzogen und bleibt für den gesamten Lebenszyklus an das Unternehmen gebunden, während die Kontrolle über die Firma treuhänderisch bei Personen verbleibt, die ihr langfristig verbunden sind. Gewinne werden thesauriert, investiert oder können gespendet werden. Auch ein Verkauf des Unternehmens oder die Auflösung der Gesellschaft durch die Gesellschafter sind nach dem Willen der Initiatoren möglich, allerdings ohne Gewinn für die Gesellschafter. Sie erhalten lediglich ihre Einlage zurück. Das Unternehmenskapital dient ausschließlich dem Unternehmenszweck, der zwingend erwerbswirtschaftlich oder gemeinnützig sein muss, ansonsten aber flexibel ist und nicht der Kontrolle einer Stiftungsaufsicht unterliegt.
Kern des Vorschlags ist eine Ergänzung des GmbH-Gesetzes um eine neue Rechtsformvariante. „Durch diese Ergänzungen wird es insgesamt leichter, die Leitung des Unternehmens an geeignete Nachfolger zu übergeben, ohne dass diese sich teuer einkaufen müssen und das Unternehmen den Verkaufspreis refinanzieren muss“, erläutert Till Wagner, geschäftsführender Vorstand der Stiftung Verantwortungseigentum. Zudem würde diese Rechtsform für kurz- und mittelfristige Kapitalspekulationen uninteressant. Insbesondere für Unternehmer, die die Werte ihres Unternehmens über Generationen bewahrt wissen wollen, ohne es in eine Stiftung zu überführen, sei das Modell interessant.
Kritiker zweifeln an Umsetzbarkeit
Doch der Vorschlag stößt nicht überall auf Beifall. Sowohl von Rechtswissenschaftlern als auch aus der Beratungspraxis kommt Kritik. Der Vorwurf: Der Ansatz verstoße gegen fundamentale Rechtsprinzipien und sorge für Fehlanreize in der Kapitalausstattung des Unternehmens. Es bestehe die Gefahr, dass eine solche Gesellschaft übermäßig mit Fremdkapital finanziert werde, da die Gesellschafter das Eigenkapital nicht mehr aus dem Unternehmen herausziehen können. Zudem bestünden nur begrenzte Gläubigerschutzmöglichkeiten im Hinblick auf die Gesellschafter. Die Gesellschaftsanteile könnten nicht als werthaltige Sicherheit für Finanzierungen dienen. Dies sei vor allem in Krisensituationen ein Nachteil, lautet ein weiterer Kritikpunkt. Weiterhin fehle es an geeigneten Governance-Strukturen. Auch steuerpolitisch gesehen sei der Vorschlag diskussionswürdig, kritisieren Steuerrechtler. Anstelle eines neuen Rechtsinstituts könne mit der Lockerung des Stiftungsrechts mehr Flexibilität hinsichtlich der Nutzbarkeit und weniger staatliche Einflussnahme erreicht werden, lautet ein Alternativvorschlag.
Kapitalbeschaffung trotz Restriktionen
Wagner weist diese Kritikpunkte als ungerechtfertigt zurück: Durch die Vermögensbindung wäre die Eigenkapitalausstattung einer solchen Gesellschaft tendenziell hoch. „Das dickere Eigenkapitalpolster kommt Unternehmen gerade auch in Krisensituationen zugute“, argumentiert er. Die Gläubiger der Gesellschaft seien sogar vergleichsweise bessergestellt, da potenziell mehr Vermögensmasse als Sicherheit zur Verfügung stehe. Zudem stünden zahlreiche Wege der Finanzierung offen. Beispielsweise seien Mezzanine-Finanzierungsformen wie partiarische Darlehen oder Genussrechtskapital denkbar, sodass die Gesellschaft über ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten verfüge. Bestehenden Forderungen gegenüber den Gesellschaftern zur Zeit der Umwandlung würde im überarbeiteten Diskussionsentwurf jedoch noch mehr Rechnung getragen, so Wagner. Diese Problematik stelle sich jedoch ebenso beim Einbringen eines Unternehmens in eine Stiftung.
Den Vorschlag der „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ möchte Wagner nicht als Konkurrenz zum Stiftungsmodell sehen. „Anders als im Stiftungsrecht steht hier das Unternehmen konsequent im Zentrum der neuen Rechtsform“, betont er. Im Hinblick auf das Thema Governance sieht auch er noch Diskussionsbedarf. Die Stiftung Verantwortungseigentum will in Kürze eine überarbeitete Fassung ihres Entwurfs vorlegen. „Ob das neue Rechtsinstitut im GmbH-Recht angesiedelt sein wird oder ob ein eigenes Statut entsteht, muss sich im politischen Prozess erst noch zeigen“, sagt Wagner.
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