Rückzug auf Raten

Beitrag von: Andreas Knoch
24. November 2021

Das eigene Lebenswerk in fremde Hände zu geben ist eine emotionale Angelegenheit. Bei vielen Mittelständlern stellt sich in den nächsten Jahren die Nachfolgefrage. Unternehmerische Erfahrung, Fingerspitzengefühl und Diskretion sind laut Philipp Gusinde von der Industrieholding Adcuram die entscheidenden Attribute, die Käufer in solchen Fällen mitbringen müssen.

Herr Gusinde, schenkt man Prognosen Glauben, rollt auf Deutschland in den kommenden Jahren eine Welle von Unternehmensnachfolgen zu. Warum sind Nachfolgeregelungen so schwierig?

Philipp Gusinde: Das traditionelle Modell generationenübergreifender Unternehmensübergaben lässt sich nicht immer fortsetzen. Wo früher die Kinder des Gründers Werte und Kultur des Unternehmens weiterführten, hat der Nachwuchs heute oft eigene berufliche Pläne und die Nachfolgefrage bleibt für viele Mittelständler ungeklärt. Das Thema wird dann häufig auf die lange Bank geschoben, womit der langfristige Fortbestand des Unterneh­mens und die Sicherheit der Arbeits­plätze aufs Spiel gesetzt werden.

Übernehmen die Kinder nicht, bleibt doch immer noch der Verkauf…

PG: Das ist die zweite Variante. Doch in der Praxis tun sich Unternehmer damit sehr oft schwer. Sein Lebenswerk, das über Jahrzehnte Gravitationspunkt war, an den Wettbewerber oder an einen Finanzinvestor zu verkaufen und nicht zu wissen, was damit passiert, auch keinen Einfluss mehr darauf nehmen zu können, ist eine Zäsur. Häufig wird auch versucht, sich auf die Gesellschafterrolle zurückzuziehen und ein externes Management mit der Führung des Unternehmens zu beauftragen. Doch das geht i.d.R. nicht auf.

Was bleibt dann noch?

PG: Die Kombination aus beidem: mit einem Minderheitsanteil beteiligt bleiben und weiter die Geschäftsführung ausüben – etwa als Mitgeschäftsführer mit dann reduziertem Verantwortungsbereich. Wir haben etliche solcher Beispiele unter dem Dach unserer Industrieholding, bei denen dieses Konstrukt gut funktioniert – auch wenn es nicht der Weg des geringsten Widerstands ist.

Worauf kommt es bei einer solchen Konstruktion an?

PG: Eine gute – auch langfristige – Vorbereitung ist das A und O. Der Unternehmer muss sich im Klaren sein, was er eigentlich will und was ihm wichtig ist, wie das Unternehmen aktuell aufgestellt ist und was es braucht: Kapital, operative Unterstützung oder beides. Will er beteiligt bleiben und wenn ja, mit wie viel Prozent? Will er weiterhin als Geschäftsführer tätig sein? Was ist ihm als Gesellschafter wichtig? Was soll erhalten bleiben? Solche Themen müssen artikuliert werden, wenn man eine Partnerschaft eingehen möchte. Und natürlich muss die persönliche Chemie zwischen bei­den Partnern stimmen, man muss zu­einander passen.

Wie kann dieser Annäherungsprozess in der Praxis gelingen?

PG: Indem Unternehmervertraute hin­zugezogen werden, die dem Unter­nehmer sowohl als Sparringspartner als auch für die inhaltliche Aufberei­tung der Unterlagen für eine Unterneh­mensprüfung zur Seite stehen. Und dann kommt es darauf an, Vertrauen aufzubauen. Der Unternehmer muss sich mit dem neuen Partner wohlfüh­len und sich vorstellen können, viele Jahre gemeinsam zusammenzuarbei­ten. Das hat durchaus eine Analogie zur Ehe mit einem Ehevertrag.

Also braucht es klare Regeln, falls es doch einmal zum Bruch kommt …

PG: Genau. Es kommt nicht nur auf den Kaufvertrag und den Kaufpreis an. Ganz wichtig ist auch die Gesellschaf­tervereinbarung. In der lässt sich vieles regeln, was dem Unternehmer wichtig ist: etwa Bestandsgarantien für wich­tige Standorte, der Erhalt von Arbeits­plätzen, die strategische Ausrichtung, die Besetzung des Beirats oder ein klar umrissenes Weiterverkaufsverbot. Die große Sorge vieler Mittelständler ist nämlich, dass ihnen ein Finanzinves­tor das Unternehmen abkauft und es zerschlägt, Randbereiche verkauft und sich nach zwei Jahren wieder aus dem Staub macht. Auch Put-Optionen sind denkbar, also die Möglichkeit des Un­ternehmers, seine Gesellschafterantei­le dem Partner zu einem späteren Zeit­punkt anzudienen.

Welche Vorteile sehen Sie in einer solchen Nachfolgelösung, bei der der Alteigentümer geschäftsführender Gesellschafter bleibt?

PG: Bleibt der alte Alleingesellschaf­ter operativ an Bord, ist das u.a. ein gutes Zeichen für die Belegschaft. Sie wissen dann, dass es keinen Bruch mit dem gibt, was das Unternehmen vor der Transaktion ausgemacht hat. Auch in der Kommunikation mit den Kun­den hilft es häufig, wenn derselbe Ge­schäftsführer Ansprechpartner bleibt.

Adcuram hat sich auf komplexe Nachfolgeregelungen spezialisiert. Warum der Fokus auf die schwierigen Fälle?

PG: Weil es dafür einen Markt gibt, der noch dazu größer wird, und klas­sische Finanzinvestoren in solchen Si­tuationen oftmals das Handtuch wer­fen. Bei sehr profitablen Unternehmen kommen wir i.d.R. nicht zum Zug. Wir brauchen Zeit mit dem Unternehmen und dem Unternehmer. Schwierige Situationen sind unser Metier. Ein Fi­nanzinvestor kann das nicht. Oben­drein geben wir nicht nur Kapital, sondern auch operative Unterstützung – wenn es an Effizienz mangelt oder bei einer zu hohen Komplexität.

Wenn es also nicht nur auf den Corporate-Finance-Berater ankommt …

PG: Ja, und das unterscheidet uns auch von einem reinen Finanzinvestor. Wir halten ein Team von Spezialisten vor, die sich in solche schwierigen Fälle stürzen. Das sind gestandene Exper­ten, etwa für Produktionsprozesse oder für die Einkaufsoptimierung, die sich dann bspw. um ein Dual Sourcing oder eine internationale Einkaufsstrategie kümmern – Themen, die im Unter­nehmen vorher nie angegangen wur­den, weil entweder die Zeit oder die Expertise gefehlt hat.

Foto: Adcuram

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