Unternehmensübergabe in der VUCA-Welt

Beitrag von: Robert Simon
16. Februar 2022

Der klassische Nachfolgeprozess in patriarchalisch geführten Familienunternehmen hat sich in der Vergangenheit in einem statischen Wirtschaftsumfeld bewährt. In einer dynamischen Welt taugt dieser Ansatz jedoch kaum mehr. Bevor Entscheidungen über formale Strukturen, die zukünftige Rolle des Übergebenden und seines Nachfolgers getroffen werden, sollte geprüft werden, ob das Geschäftsmodell zukunftsfähig ist.

Mehr als 90 Prozent der deutschen Unternehmen sind in der Hand von Unternehmerfamilien und beschäftigen rund 60 Prozent der Arbeitnehmer. Familienunternehmen haben folglich eine besondere Relevanz für die deutsche Volkswirtschaft. Der erfolgreichen Übergabe an die nächste Generation kommt daher eine herausragende Bedeutung zu. Doch viel zu oft gelingt die Nachfolge nicht.

Defizite des Patriarchats

Vordergründig erscheint das übliche Vorgehen plausibel, gemäß dem ein Unternehmer mit seinem vertrauten Steuerberater und Anwalt für Gesellschaftsrecht die Optionen seiner Nachfolge bespricht und regelt. Dabei geht es vor allem um die neue Corporate Governance des Unternehmens in Verbindung mit dem meist stufenweisen Ausscheiden des Altunternehmers, um Formen der Vermögensübertragung sowie die daraus resultierenden Steuereffekte.

Wenn Familienunternehmen scheitern, dann zumeist, weil sie auf den Patriarchen – umgarnt von Opportunisten – zugeschnitten sind. Dies spiegelt sich auch in ihrer Nachfolgeregelung wider. Sie dient primär dem persönlichen Machterhalt trotz schwindender Lebenskraft. Fair gegenüber den Nachfolgenden ist das nicht. Das ist das herausragende Defizit patriarchalisch geführter Systeme und mit formalen Ansätzen allein nicht zu lösen. Die rein formale Gestaltung von Nachfolgesituationen wird der Komplexität, die in einem dynamischen Umfeld noch ungleich höher ist, nicht gerecht.

Selbsterkenntnis muss sein

Vollblutunternehmer können nicht wie ihre Gehaltsempfänger wohlgeordnet in Rente gehen. Die Rolle als Vorsitzender eines Aufsichtsrates ist für einen ausscheidenden Patriarchen zwar ein gutes Modell, aber nur wenig Balsam auf die Wunden des aktiven Gestalters und mit einem Hobby als Kompensation kann ein jahrelanger Kämpfer nun wirklich nicht viel anfangen.

Unterstützend haben sich deshalb seit Jahren erfahrene Personalberater und Psychologen etabliert, die den Nachfolgeprozess wirksam als Moderatoren begleiten und wertvolle Hilfe leisten. Sie erleichtern dem Unternehmer die Entscheidungsfindung in eigener Sache, die Suche nach dem Nachfolger sowie den fairen Umgang mit den Mitgliedern seiner Familie und Gefolgschaft. Das ist wichtig, reicht aber nicht aus.

Ist das Geschäftsmodell nachhaltig?

Was bei diesem herkömmlichen Modell fehlt, ist die kritische strategische Sicht auf den Status des Unternehmens und die Anforderungen der Zukunft. Strategische Unternehmensführung setzt bei dem Geschäftsmodell an und das weiß der Unternehmer. Auch deshalb ist es häufig so schwer für ihn aufzuhören, denn er weiß oder ahnt, wo sein Unternehmen im Wettbewerb tatsächlich steht, und seine Nachfolge ist zunächst aus diesem Blickwinkel anzugehen.

Im Zentrum der Überlegungen zur langfristigen Unabhängigkeit des Lebenswerkes sollten daher Themen wie Innovationsprogramme, die De-Globalisierung, strategische Finanzierun­gen etc. stehen. Weiter geht es darum, die künftige Reaktions- und Veränderungsfähigkeit des Unternehmens zu gewährleisten. So sind z.B. in Stiftungen eingebrachte Familienunternehmen aufgrund ihres Zwecks und ihrer Rechtsnormen alles andere als handlungsfähige Modelle in Krisensituationen.

Erst wenn klar ist, wie das Unternehmen auch in Zukunft flexibel und erfolgreich sein kann, ist die Basis für Entscheidungen über formale Strukturen, Stufen der Übergabe und das Profil der Nachfolger geschaffen. Dabei ist eine offene Diskussion frei von persönlichen Befindlichkeiten eine wesentliche Bedingung für diesen Prozess. Ansonsten wird nur Stückwerk ohne Wissen um die Erfordernisse des Unternehmens betrieben.

Kritische Technik- und Marktexperten sowie unabhängige Aufsichtsräte – keine Mitläufer – sind gute Ratgeber, um mit dem Unternehmer und weiteren Vertrauenspersonen zeitig die Voraussetzungen für die Zukunft des Unternehmens zu diskutieren. Daraus werden dann alle ergänzenden Maßnahmen abgeleitet. Dann kann die Nachfolge für das Unternehmen, seine Gestalter und die Unternehmerfamilie auch in einer dynamischen Welt eine Erfolgsgeschichte werden.

ILLUSTRATION 123rf.com/drogatnev

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