Der Mittelstand kämpft mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Gerade jüngere Unternehmenslenker müssen sich erstmals in einer Wirtschaftskrise beweisen. Das wird nicht ohne Folgen bleiben: Die Bereitschaft, sich vom Familienunternehmen zu trennen, dürfte zunehmen.
Jahr für Jahr erreichte der erfolgsverwöhnte Markt für Unternehmenstransaktionen neue Höhen, bevor die Corona-Krise die M&A-Aktivität im zweiten Quartal 2020 deutlich eintrübte. Mit Beginn des dritten Quartals 2020 folgte eine sukzessive Erholung. Diese dauert bis heute an. Die Aussichten für das Jahr 2021 werden derzeit überwiegend – natürlich auch abhängig von der jeweiligen Branche – als positiv bewertet. Erste Analysen z.B. der Kanzleien CMS oder Luther sprechen gar von einem zu erwartenden Rekordjahr 2021 bei M&A-Transaktionen.
Erfolgsverwöhnt statt krisenerprobt
Viele Familienunternehmen in Deutschland wurden im zurückliegenden Jahrzehnt bereits an die nächste Generation übergeben. Nach einer Dekade des kontinuierlichen wirtschaftlichen Aufschwungs erlebt nun ein großer Teil der Nachfolger erstmals eine Krise. Diese neue Erfahrung kann dazu führen, dass die junge Generation die eigene Rolle im Familienunternehmen nochmals selbstkritisch überprüft. Der Anteil der Nachfolger, die im vergangenen Jahrzehnt aus reinem Pflichtgefühl und ohne Leidenschaft den Familienbetrieb übernommen haben, ist hoch. Dabei ist Leidenschaft eine notwendige Vorrausetzung für den unternehmerischen Erfolg.
Andere Werte, neue Ziele
Im Vergleich zur Vätergeneration streben die Junioren heute oftmals weniger nach Prestige und Status. Für sie stehen vielmehr lebenslanges Lernen und eine selbstbestimmte Balance von Beruf und Freizeit mit einer sinnhaften Lebenserfüllung im Vordergrund. Die Bindung zum Familienunternehmen kann dadurch geringer werden, das Loslassen fällt leichter. Auch enttäuschte Erwartungen können dazu führen, eine alternative Lösung für das Familienunternehmen in Betracht zu ziehen und sich künftig einer Tätigkeit zuzuwenden, die dem eigenen Anspruch an Lebenserfüllung gerecht wird.
Nachfolge-Alternativen prüfen
Doch auch die heute noch aktive Generation der Senioren unter den Familienunternehmern kann die Corona-Krise zum Anlass nehmen, die Frage der familieninternen Weitergabe der Unternehmensführung neu zu überdenken und auch eine externe Lösung in Betracht zu ziehen. Dieser Umstand kann dadurch beschleunigt werden, dass die eigenen Kinder noch in der Ausbildung sind oder erst wenige Jahre Berufserfahrung sammeln konnten. In diesem Fall kann der durch die Corona-Krise auf den noch aktiven Unternehmern lastende Handlungsdruck dazu führen, dass sie sich einer solchen Stresssituation nicht noch einmal aussetzen möchten. Leider ist davon auszugehen, dass die pandemiegetriebene Krise kein einmaliges Phänomen bleiben wird. Insofern kann auch ein Unternehmensverkauf in das Blickfeld der gestandenen Familienunternehmer rücken.
Früher galt ein Verkauf in der öffentlichen Wahrnehmung meist als unternehmerisches Scheitern. Inzwischen ist die Veräußerung eines Traditionsunternehmens kein Tabubruch mehr. Familienunternehmen gehen den Nachfolgeprozess inzwischen mehrheitlich sehr professionell an. Damit hat auch die Erkenntnis Einzug gehalten, dass die bestmögliche Nachfolgeregelung nicht immer eine familieninterne sein muss.
Zahlreiche Beispiele belegen, dass alternative Nachfolgelösungen wie die Übertragung der Unternehmensleitung an ein familienfremdes Management oder die Beteiligung des Managements über ein Management Buy-in oder ein Management Buy-out erfolgreich sein können. Auch der Verkauf des Unternehmens, bspw. an ein Family Office, kann aus Unternehmenssicht sinnvoll sein, um in neue Märkte vorzustoßen und eine neue Wachstumsstufe zu erreichen.
Aktuelle Zahlen einer PwC-Studie zeigen, dass bereits 80 Prozent der deutschen Familienunternehmen mit gemischten Teams aus Managern und familieneigenen Führungskräften arbeiten – die Top-500-Familienunternehmen werden sogar mehrheitlich von einem Fremdmanagement geführt.
Dieser Trend wird auch durch den Rückgang der Nachfolgeabsicht in den Unternehmerfamilien gestützt. Laut einer Studie von Ernst & Young in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen ziehen nur noch 20 Prozent der befragten Junioren in Betracht, das Familienunternehmen operativ weiterzuführen; stattdessen planen sie, sich eher auf die Rolle des aktiven Gesellschafters zu beschränken. Den Familienunternehmern bleibt folglich keine andere Wahl, als alle Alternativen der Nachfolge in Erwägung zu ziehen. Nur so lässt sich die beste Option für das Unternehmen finden. Das kann auch der Verkauf des Familienunternehmens sein.
kb@bartels-ma.de
GUSTL F. THUM ist Partner und Experte für Familienunternehmen bei der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH.
Foto:123rf.com/Kittitee Pongwong