Unternehmervertraute unterstützen ihre Mandanten beim Transformationsprozess, damit diese ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen. Doch auch die Kanzleien selbst wollen einen Beitrag zu einer enkeltauglichen Ökonomie und Gesellschaft leisten. Wir haben uns die Nachhaltigkeitsinitiativen von drei Kanzleien angeschaut und festgestellt: Da ist einiges in Bewegung.
Ein Blick auf die Webseite von Iffland Wischnewski zeigt schnell, dass Nachhaltigkeit in der Fachkanzlei für Sozialwirtschaft eine wichtige Rolle spielt. Eine ganze Seite widmet Iffland Wischnewski dem eigenen Nachhaltigkeitskonzept – von der Energie über Mobilitätsfragen bis zum Einkauf von Lebensmitteln fürs Büro. Bereits seit mehr als dreizehn Jahren bezieht die Kanzlei ihren Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. Geschäftsreisen werden möglichst vermieden. Ganz ohne Auto geht es zwar noch nicht, aber zum Fuhrpark der Kanzlei gehören inzwischen vier Plug-in-Hybride, die – wie auch andere Elektrofahrzeuge der Mitarbeiter – kostenlos am Standort in Darmstadt aufgeladen werden können. Muss einer der 18 Berater doch einmal ein Flugzeug besteigen, so wird der CO2-Ausstoß über Zertifikate von Atmosfair ausgeglichen. Der Biokaffee kommt aus einer kleinen regionalen Rösterei und das Obst für die Mitarbeiter von Biohöfen aus der Umgebung. Für die Zubereitung oder das Aufwärmen kleiner Mahlzeiten stehen zwei Küchen zur Verfügung. Ein großer Sozialraum und eine Kaffee-Lounge schaffen Aufenthaltsmöglichkeiten für Pausen.
Nachmachen erlaubt
Immer mehr Kanzleien entdecken das Thema Nachhaltigkeit für sich. In den vergangenen Jahren hat der Druck vor allem auf kapitalmarktorientierte Unternehmen zugenommen, sich an ESG(Environment, Social und Governance)- Kriterien auszurichten. Die Nachhaltigkeitsanforderungen für große Unternehmen strahlen aber zunehmend auch auf deren Dienstleister und Zulieferer aus und setzen weitere Veränderungen hin zu mehr Umwelt- und Sozialverträglichkeit auch in kleineren Unternehmen in Gang. Sozietäten bleiben davon nicht unberührt. Mandanten und Mitarbeiter erwarten zunehmend auch von der Kanzleiführung ein Bekenntnis zu ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Werten.
Bei Iffland Wischnewski kommen viele Ideen für ein nachhaltigeres Büro aus dem Kreis der Mitarbeiter. Seit 2019 sind diese aktiv in den Prozess eingebunden und posten Ideen im Intranet, die dann von der Kanzleimanagerin geprüft werden. „Wir haben unsere Kanzleiangestellten gefragt, was können wir noch besser machen? Von der Abschaffung des Tischkalenders mit Plastikhalterung bis zur Umstellung auf Recyclingpapier für den internen Gebrauch haben wir schon viele gute Vorschläge umgesetzt“, erklärt Jörn Bachem, Partner bei Iffland Wischnewski und Ansprechpartner für das Thema Nachhaltigkeit in der Kanzlei. „Allerdings haben wir auch gelernt, dass man nicht alles auf einmal umsetzen kann, sondern dass viele kleine Schritte am besten funktionieren.“ So sei derzeit die Umstellung auf das papierlose Büro eine der größten Herausforderungen. „Trotz guter Best-Practice-Beispiele haben wir festgestellt, dass jede Kanzlei anders funktioniert und sich nicht alles eins zu eins übertragen lässt“, sagt Bachem.
„Team Green“ gewinnt
Auch bei McDermott Will & Emery kommen viele Anregungen zu mehr Nachhaltigkeit in der Kanzlei aus dem Kreis der Mitarbeiter. „Ursprünglich ging die Initiative vom Düsseldorfer Büro aus, inzwischen engagieren sich Mitarbeiter und Anwälte in den lokalen Arbeitsgruppen an allen deutschen Standorten“, berichtet Norman Wasse, Partner und Koordinator für Nachhaltigkeit am Standort Frankfurt. Für Großkanzleien besteht die Herausforderung vor allem darin, das Thema in alle Niederlassungen zu tragen – auch länderübergreifend. McDermott Will & Emery hat dafür in Deutschland die Initiative „Team Green“ ins Leben gerufen. Die Kanzlei wurde dafür im März dieses Jahres mit dem Azur-Award in der Kategorie Innovation ausgezeichnet.
Jeweils acht bis zwölf Mitarbeiter pro Standort arbeiten fest in den lokalen Arbeitsgruppen, die Norman Wasse gemeinsam mit seinen Anwaltskollegen Sebastian Keding und Franziska Leubner standortübergreifend koordiniert. In den Teams werden vor allem ökologische Lösungen für den Büroalltag entwickelt. Erste Ideen wurden bereits umgesetzt. So wurden an einigen Standorten durch den Einbau eines Filter- und Zapfsystems in den Küchen die Plastikwasserflaschen verbannt und die Kapselmaschinen durch Kaffeevollautomaten ersetzt. Mit verschiedenen Aktionen wie einem Müllsammeltag, Impulsvorträgen oder der Teilnahme am „Stadtradeln“ – einem Wettstreit um die meisten Fahrradkilometer – sollen die Mitarbeiter für das Thema sensibilisiert werden. Seit Kurzem bietet die Kanzlei ihren angestellten Mitarbeitern auch ein Bike-Leasing-Modell an. „Wir sind begeistert, wie schnell die Initiative eine Eigendynamik über alle Standorte entwickelt hat“, sagt Wasse. Sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Mandanten sei das Feedback durchweg positiv.
International ausgerollt
Die Kanzlei Rödl & Partner dokumentiert ihre Corporate-Social-Responsibility(CSR)-Aktivitäten seit 2017 regelmäßig in einem Nachhaltigkeitsbericht. Sarah Haßdenteufel kümmert sich seit einem Jahr um das interne Nachhaltigkeitsmanagement bei Rödl & Partner: Der Nachhaltigkeitsbericht schaffe nicht nur Transparenz und zeige Verbesserungsmöglichkeiten auf, er mache es auch leichter, das Thema in die anderen Standorte in insgesamt 48 Ländern zu tragen, erklärt die CSR-Referentin. „Wir agieren von unserem Stammhaus in Nürnberg aus als Impulsgeber.“ Ziel sei allerdings, dass die Standorte eigene Initiativen entwickelten. Kommunikation sei dabei wichtig. Die unterschiedlichen Aktionen sowie Ideen und Tipps, bspw. zum Einsparen von CO2 oder Plastikmüll, werden über das Intranet geteilt. Seit März können Mitarbeiter an einer digitalen CSR-Schulung teilnehmen.
Die ersten Initiativen aus dem Jahr 2017 zielten vor allem auf die Vermeidung von CO2-Emissionen ab. Moderne IT-Systeme, mobiles Arbeiten, die Nutzung von Cloud-Systemen und Recyclingpapier gehören inzwischen längst zum Büroalltag. Dabei kommt in den deutschen Niederlassungen ausschließlich Ökostrom zum Einsatz. Auf dem Dach des Stammhauses in Nürnberg wurden im vergangenen Jahr Photovoltaikmodule installiert, die nun Strom für den Eigenbedarf produzieren. Die Infrastruktur zum Laden von Elektromobilen soll noch weiter ausgebaut werden, um den wachsenden Bedarf der Mitarbeiter zu decken.
„Energie, Mobilität und Wärme sind die Felder, in denen wir unsere Emissionen noch weiter verringern wollen“, sagt Haßdenteufel. Nach Möglichkeit sollen sämtliche Immobilien im Besitz der Kanzlei zukünftig nach den Green- Building-Standards saniert werden und ihren Strom selbst produzieren. Zudem wird über die Einführung eines Mobilitätsbudgets nachgedacht, bei dem die Mitarbeiter wählen können, ob der Arbeitgeber das Jobticket für den ÖNPV, das Leasing eines Fahrrades oder Carsharing bezuschusst. „Insbesondere unsere jungen Mitarbeiter möchten bei der Wahl ihrer Transportmittel flexibel sein“, erklärt Haßdenteufel. Mittelfristig will Rödl CO2-neutral werden. Dies soll möglichst aus eigener Kraft und ohne die Kompensation durch CO2-Zertifikate erreicht werden.
Auch im sozialen Bereich möchte sich die Kanzlei messen lassen. Flexible Arbeitszeitmodelle, kanzleiinterne Kinderbetreuungsangebote sowie mobiles Arbeiten werden von den Mitarbeitern gern genutzt. Neu ist die Einführung einer digitalen Plattform, auf der Mitarbeiter Tipps für gesundes Arbeiten und niederschwellige Hilfsangebote finden, z.B. bei Fragen zu den Themen Arbeitsstress und -belastung, bei Konflikten oder Sorgen. „Gerade in Corona-Zeiten ist ein solches Angebot sehr wertvoll“, stellt Haßdenteufel fest.
Nutzen überwiegt Kosten
Helfen solche Investitionen auch, Kosten einzusparen? Schließlich umfasst Nachhaltigkeit nicht nur ökologische Verträglichkeit und soziale Verantwortung, sondern auch wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Durch einen effizienten Ressourceneinsatz könnten in jedem Fall Kosten eingespart werden, so Haßdenteufel. Um für die Mitarbeiter ein interessantes Arbeitsumfeld schaffen zu können, sei eine stabile ökonomische Ausgangslage Voraussetzung. Letztlich komme es darauf an, die richtige Balance zu finden zwischen Umwelt, Mensch und Ökonomie.
„Ein nachhaltiges Arbeitsumfeld sorgt für zufriedenere Mitarbeiter, erhöht die Identifikation mit dem Unternehmen und macht uns auch als Arbeitgeber attraktiver“, ist sich Bachem sicher. Doch Veränderungen bedürften erst einmal Investitionen und die Erträge seien nicht immer direkt sichtbar. „Letztlich ist es eine Frage der Prioritäten“, sagt Bachem. „Ich finde, das sind wir unseren Kindern schuldig.“
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