Die Dynamik ist zurück

Beitrag von: Andreas Knoch
22. Februar 2021

Die Corona-Pandemie hat auch den Private-Equity-Markt im vergangenen Jahr durchgeschüttelt. Die Schockstarre des Frühjahrs ist aber längst überwunden. Andreas Bösenberg, Geschäftsführer bei der Nord Holding, über das Comeback des Private Equity Midmarket und steigende Multiples in angesagten Branchen.

Herr Bösenberg, wenn man das das Private-Equity-Jahr 2020 rekapituliert, dann stellt man fest, dass die mittelständische Beteiligungsbranche die Corona-Krise sehr schnell hinter sich gelassen hat. Woran liegt das?

Andreas Bösenberg: Die Panik im Frühjahr zum Zeitpunkt des ersten Corona-bedingten Lockdowns entpuppte sich rückblickend lediglich als eine vorübergehende Schockstarre. Die meisten Private-Equity-Investoren schalteten im Frühjahr schnell in den Krisenmodus und konzentrierten sich auf die Arbeit mit den Portfoliounternehmen: Diese haben Kreditlinien gezogen, Kurzarbeitergeld beantragt, Mietzahlungen verhandelt, Investitionen zurückgefahren und – wo möglich – KfW-Hilfen beantragt. Man verschaffte sich Zeit und Liquidität. Die Ebitda-Verluste – von den besonders gebeutelten Branchen Einzelhandel, Hotel, Gastronomie und Touristik einmal abgesehen – hielten sich dadurch in Grenzen.

Eine aktuelle Analyse des Magazins „Finance“ zeigt, dass 2020 sowohl die Anzahl der Deals als auch das Gesamtvolumen gegenüber 2019 zurückgegangen sind, das Krisenjahr aber dennoch das viertbeste der Geschichte ist. Vor allem das zweite Halbjahr hat die Bilanz gerettet.

AB: Es waren in der Tat zwei völlig verschiedene Jahreshälften. Nachdem im ersten Halbjahr die Deal-Volumina noch um rund 40 Prozent eingebrochen waren, ist das Comeback im zweiten Halbjahr schon erstaunlich. Wer verkaufen wollte, hat trotz Corona verkauft. Gute Geschäftsmodelle mit intakten Makrotreibern konnten sogar Wertsteigerungen verzeichnen. Wir sehen das an unseren eigenen Zahlen: Die Nord Holding hat im vergangenen Jahr zwölf Transaktionen abgeschlossen – zehn Käufe und zwei Exits. Damit waren wir im gesamten Lower-Midmarket-Segment in Deutschland einer der aktivsten Akteure.

Hält die Dynamik auch in diesem Jahr an?

AB: Es sieht ganz danach aus. Der Januar war ein sehr aktiver Monat, vor allem im Lower-Midmarket-Segment. Ein Deal jagt den nächsten, wobei wir eine extreme Fokussierung auf einzelne Branchen feststellen. Gefragt sind vor allem Software und Healthcare. Investoren suchen ihr Heil in diesen Sektoren, weil sie sich in der Krise als stabil erwiesen haben oder vermeintlich nicht betroffen sind. Software verspricht ewiges Wachstum und Healthcare wenig Zyklizität. Wir beobachten das durchaus mit Skepsis. Die Entwicklung, dass immer mehr Geld in immer weniger Branchen fließt, kann aber auch Chancen eröffnen.

Was macht das mit den Preisen?

AB: Zu Beginn der Pandemie glaubten viele, dass es am Private-Equity-Markt billiger wird. Doch heute sind wir sicher: Es wird alles noch viel teurer. Wir sehen gerade in den angesagten Branchen eine deutliche Inflation der Preise. Ebitda-Mulitples von 12 bis 15 sind bei Software- und Healthcare-Transaktionen inzwischen Standard. Vor zehn Jahren lagen die Multiples in diesen Branchen noch bei 6 bis 8. Auch die Spreizung über die Sektoren ist extrem: Am anderen Ende der Range haben wir aktuell Automotive mit einem Faktor von ungefähr 4.

Welche Gründe sehen Sie für diese Neubewertung in einzelnen Sektoren?

AB: Das hat zum einen mit dem für Private Equity zur Verfügung stehenden Kapital zu tun. Globales Kapital sucht Rendite in einer Niedrigzinsphase und Private Equity hat dieses Versprechen nie enttäuscht. Die Fonds werden immer größer und es kommen auch immer mehr Investoren auf den Markt. Zum anderen gehen die Renditeerwartungen zurück. Im Vergleich zur Situation von vor 20 Jahren haben sich die Renditeerwartungen nach unserer Beobachtung halbiert. Der Markt ist reifer und auch enger geworden.

Hat Corona den Blick der Nord Holding auf den Private-Equity-Markt verändert?

AB: Strategisch gar nicht. Wir investieren nur in Geschäftsmodelle, die auch in Krisenzeiten wachsen können. Das sind im Regelfall Unternehmen, die von Megatrends profitieren und deren Markt über Jahre eine positive Entwicklung verspricht. Natürlich sind das Targets aus den aktuell angesagten Sektoren Software und Healthcare; wir schauen uns aber auch in den Bereichen Umwelt- und Messtechnik, Nahrungsmittel und Konsum um. Vor allem der Konsumbereich hat durch Corona fundamentale Umwälzungen erfahren. Doch die Frage bleibt: Wie nachhaltig sind die Umsatz- und Ertragsentwicklungen aus 2020? Gehen die Kunden nach dem Lockdown zum stationären Einzelhandel zurück? Und sinken die Wachstumsraten im E-Commerce wieder?

Und operativ? Wie geht Dealmaking unter Kontaktbeschränkungen? Und hat sich im Umgang mit den Portfoliounternehmen etwas geändert?

AB: Wie in allen Branchen ist auch das PE-Geschäft durch Corona digitaler geworden. Wir haben im Frühjahr, zum Höhepunkt der Corona-Epidemie in Italien, nahe von Venedig zugekauft. Unser größtes Problem war damals, dass wir nicht nach Italien einreisen konnten, um beim Notar die Unterschrift zu leisten. Solche Hürden sind heute kein Thema mehr. Ich kenne Wettbewerber, die komplette Transaktionen digital abgewickelt haben. Im Mittelstand muss man sich aber wenigstens zwei, drei Mal direkt in die Augen geschaut und mit dem Verkäufer am Tisch gesessen haben. Als Mehrwertinvestor legt die Nord Holding seit jeher Wert auf KPIs. Im Umgang mit unseren Portfoliounternehmen hat sich durch Corona nichts geändert, eher hat sich der Austausch vertieft.

Foto: NORD Holding

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