„Die Gefahr einer Rezession ist deutlich gestiegen“

Beitrag von: Andreas Knoch
31. Mai 2022

Der Krieg in der Ukraine belastet über Sekundäreffekte die Aussichten für die Weltwirtschaft. Marc Thiery von Deutsche Private Equity erklärt, was das für das Beteiligungsgeschäft bedeutet.

Herr Thiery, DPE ist Mehrheitsgesellschaft des Münchener IT-Dienstleisters Valantic, der auch einen Standort in der Ukraine hat. Wie ist die Situation vor Ort?

Marc Thiery: Unsere Portfoliogesellschaft Valantic beschäftigt im ukrainischen Schytomyr, westlich von Kiew, rund 60 Mitarbeiter. Mit Kriegsausbruch hat Valantic begonnen, Mitar­beiter und ihre Familien in die Niederlande umzusiedeln und Mitarbeiter, die das Angebot nicht annahmen, lokal zu unterstützen. Darüber hinaus haben wir bei DPE viele Hilfsaktionen zugunsten der Ukraine gestartet. Die humanitäre Situation für die Betroffenen ist eine Katastrophe; wirtschaftlich spielen aber weder die Ukraine noch Russland eine nennenswerte Rolle für unser Portfolio. Weniger als 0,1 Prozent unserer Portfolioumsätze kommen aus diesen beiden Märkten.

Wie gehen Sie mit der gestiegenen Unsicherheit im Zuge des Ukraine-Krieges um? Ist die Situation vergleichbar mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2020?

MT: Unser Kerngeschäft tangiert der Krieg in der Ukraine bis dato nicht. Eine gestiegene Unsicherheit registrieren wir, ja. Aber die Gründe dafür sind andere. Sorgen machen uns zurzeit die ausufernde Inflation, die Probleme in den globalen Lieferketten und die allgemeine geopolitische Destabilisierung, wobei der Ukraine-Krieg natürlich auf diese Faktoren einzahlt. Die Situation vor zwei Jahren war eine andere. Damals war die ganze Welt betroffen. Die Pandemie war ein Unsicherheitsfaktor, der schwer zu greifen war. Da waren auch wir deutlich vorsichtiger. Es ging um grundlegendere Fragen: Verändern sich Investitionszyklen? Wie reagieren die Konsumenten? Die Breite der möglichen Szenarien war viel größer und ging bis hin zum kompletten Zusammenbruch der Weltwirtschaft.

Wie verändert der Krieg das Investitionsverhalten der Finanzinvestoren im Allgemeinen und konkret von DPE?

MT: Im Moment belasten die Sekundäreffekte durch den Ukraine-Krieg mehr als der Krieg selbst. Das Exposure der meisten Finanzinvestoren in der Ukraine und in Russland ist überschaubar. Das gilt, wie eingangs erwähnt, auch für DPE. Allerdings haben wir die Perspektive eines Mittelstandsinvestors. Bei Großkonzernen ist die Bedeutung dieser Märkte im Einzelfall deutlich höher.

Rechnen Sie im Zuge des Krieges mit Veränderungen bei den Investmentkriterien von Private-Equity-Gesellschaften und der Finanzierungsbereitschaft der Banken und Debt-Fonds in der Waffenindustrie?

MT: Nein, da erwarten wir keine Änderungen. Für DPE ist die Waffenindustrie tabu. Und es gibt meines Wissens auch kaum eine Private-Equity-Gesellschaft, die in die Branche investiert. In den Verträgen mit den Investoren ist der Ausschluss dieser Branche mittlerweile Standard, weil Beteiligungen an einem Kriegswaffenhersteller als sozial nicht vertretbar gelten. Wir haben die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bereits vor zehn Jahren in unseren Kriterienkatalog aufgenommen und unsere Geldgeber erwarten, dass wir diese Kriterien bei Investitionsentscheidungen auch berücksichtigen. Für mich ist es nicht vorstellbar, dass man das wieder über Bord wirft. Wir werden es nicht tun.

Registrieren Sie seitens der Investoren eine Zurückhaltung durch den Ukraine-Krieg?

MT: Die Investoren sind insgesamt etwas vorsichtiger geworden. Diese Unsicherheit dürfte aber kurzfristig zu keinen großen Veränderungen führen, zumal der Anlagedruck von Pensionsfonds, Rentenversicherern oder Family Offices nicht weniger wird. Eine Zeitenwende auf dem M&A-Markt sehe ich durch den Ukraine-Krieg noch nicht.

Sie haben die ausufernde Inflation angesprochen. Wie wirkt sich das auf Ihr Portfolio aus?

MT: Das betrifft zunächst einmal unser gesamtes Portfolio. Da viele unserer Beteiligungen in ihren jeweiligen Branchen Marktführer sind, sehen wir uns aber in der komfortablen Situation, dass die Unternehmen die gestiegenen Erzeugerpreise an ihre Kunden im Allgemeinen weitergeben können. Hinzu kommt, dass wir steigende Inflationsraten schon vor einer ganzen Weile als Risikofaktor identifiziert haben. Unseren Portfoliounternehmen haben wir daraufhin geraten, eine anziehende Teuerung beim Abschluss von Verträgen zu berücksichtigen und keine Fixpreise, sondern Preisgleitklauseln zu vereinbaren. Darüber hinaus sind wir vorsichtiger bei Investitionen in Branchen mit regulierten Preisen – im Gesundheitswesen etwa, wo für bestimmte Leistungen Fixpreise üblich sind.

Im Schlepptau der Inflation geht auch die Zeit des billigen Geldes zu Ende. In den USA hat die Notenbank Fed die Leitzinsen bereits angehoben. In der Eurozone wird die EZB die Zinswende voraussichtlich im Sommer verkünden. Was bedeutet das für das M&A-Geschäft?

MT: Die Gefahr einer Rezession ist in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen. Und das beeinflusst die Perspektiven für unser Geschäft. Kein Finanzinvestor will sich eine Beteiligung ins Portfolio holen, der bei einer Rezession zehn Prozent der Umsätze wegbrechen. Neben einer Verschlechterung der Entwicklungsaussichten für Firmen wird auch die Debt-Fi­nanzierung problematischer. Während ein Ebitda-Faktor von sechs bei vielen Finanzierungen bis vor Kurzem noch gang und gäbe war, werden Banken und Debt-Fonds inzwischen vorsichtiger. Für unsere Branche heißt das: Finanzierungen werden auf jeden Fall teurer. Und das wird Einfluss auf die Preise haben. Die Multiples werden sinken. Relativierend muss man allerdings sagen, dass die Liquidität auf den Märkten nach wie vor hoch ist und Transaktionen weiter finanziert werden.

Foto: DPE Deutsche Private Equity

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