Keine Angst vorm Carve-out

Beitrag von: Christian Futterlieb
26. Juni 2020

Die Ausgliederung, Abspaltung und der Verkauf eines Unternehmensteils sind aufwendig und komplex. Dennoch kann sich ein Carve-out für alle Beteiligten lohnen, wie das Beispiel der APZ Auto-Pflege-Zentrum GmbH zeigt.

 Zwölf Jahre lang war die APZ Auto-Pflege-Zentrum GmbH – ein Dienstleister für professionelle Fahrzeugaufbereitung – integraler Bestandteil von TÜV Süd. Das führte dazu, dass APZ keine eigene IT-Infrastruktur oder Software vorhalten musste und vielfache Shared-Services-Dienstleistungen der Konzernmutter nutzte. TÜV Süd war sogar Lizenznehmer einer individuell für APZ erstellten Software, mit der die einzelnen Dienstleistungen für den Kunden vor Ort per Handy oder Laptop erfasst und abgerechnet werden konnten. Die Struktur funktionierte gut, APZ wuchs beständig und profitabel – auf mittlerweile mehr als 50 Mio. EUR Umsatz. Doch nach einer Dekade wurde deutlich, dass die Ausrichtung der Mutter und die Restriktionen im Bereich Reparaturdienstleistungen und Smart Repair das weitere Wachstum von APZ künftig eher bremsen würden. TÜV Süd entschied darum 2017, APZ aus dem Konzern herauszulösen, um dem Dienstleister mit einem neuen Investor die Möglichkeit zu geben, sein Potenzial voll zu entfalten.

Schwierige Käufersuche

Doch wer könnte APZ übernehmen? Der Automotive-Sektor gilt als Sorgenkind und hat angesichts der zu erwartenden Disruptionen und der damit verbundenen Unsicherheiten in großen Teilen an Attraktivität gegenüber Investoren eingebüßt. APZ jedoch profitiert von der Entwicklung in der Branche: Der Markt der Autohändler konsolidiert sich und kleine Häuser gehen in national aufgestellten Autohändlern auf. Die größeren Autohäuser möchten für die Aufarbeitung und andere Dienstleistungen rund um ihre Gebrauchtwagenflotte – ein großer Teil davon Leasing-Rückläufer – einen zentralen Ansprechpartner und Problemlöser. Sinkende Margen im Handel verlangen nach möglichst schlanken Strukturen und effizienten Prozessen. Das sind starke Argumente für APZ mit digitalen Prozessen und einer deutschlandweiten Abdeckung.

Dennoch scheuten viele mögliche Investoren vor dem Aufwand eines Carve-outs zurück. Denn der notwendige Aufbau einer funktionierenden, umfassenden und zukunftsträchtigen IT-Landschaft kann nicht nur sehr schnell teurer werden als gedacht, sondern sich auch lange hinziehen. Dies kann vor dem Hintergrund verkäuferseitig gesetzter Deadlines für die Loslösung vom früheren Eigentümer zum Risiko werden. Das Ziel von TÜV Süd war es, die vollständige Entkoppelung von APZ innerhalb eines Jahres umzusetzen. Hinzu kam das Risiko, durch die Trennung von der TÜV-Gruppe Kunden zu verlieren.

Herausforderung: Aufbau eigener IT-Strukturen

VR Equitypartner kennt die vielfältigen Herausforderungen und Stolpersteine eines Carve-outs aus früheren Projekten und konnte daher das Risiko gut einschätzen. Der Finanzinvestor, der zum genossenschaftlichen Verbund der DZ Bank gehört, holte sich im speziellen Fall Unterstützung bei einem IT-Spezialisten, der nicht nur die technologische Seite von Anfang an berücksichtigte, sondern auch die besonderen Anforderungen eines Finanzinvestors kannte.

Gemeinsam mit dem APZ-Management rund um den Gründer Peter Klingenmeier gelang es nach der Übernahme durch VR Equitypartner im Spätsommer 2018, die gesamten IT- und Reporting-Systeme bis Mitte 2019 – also in weniger als einem Jahr – auf eigene Beine zu stellen. Dabei wurde bewusst eine leistungsfähigere Software – z.B. im Bereich ERP – priorisiert, um der fortschreitenden Digitalisierung in der Branche und den Erwartungen zukünftiger Investoren Rechnung zu tragen.

Konstanz bei Kunden und Mitarbeitern

Die Befürchtung im Vorfeld der Übernahme, dass einzelne Kunden und Mitarbeiter durch den Wegfall des Bezugs zu TÜV Süd abspringen könnten, stellte sich als unbegründet heraus. Im Gegenteil: Weil TÜV Süd Reparaturen, die er und seine Tochtergesellschaft selbst durchgeführt haben, nicht zertifizieren darf, war das Leistungsangebot von APZ in dieser Zeit limitiert. Als eigenständiger Dienstleister sind nun auch Ausbesserungen und Arbeiten wie Steinschlagreparaturen problemlos möglich. APZ kann nun unabhängig agieren und seinen Kunden ganzheitliche Lösungen anbieten. Dadurch konnte APZ sogar während der heißen Carve-out-Phase wachsen. Dies wiederum stärkte das Vertrauen der Mitarbeiter in die Zukunft von APZ als eigenständiges Unternehmen.

Illustration: 123rf.com/stockgiu

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