Familienunternehmen und Finanzinvestoren: komplementäre Partner auf Zeit

Beitrag von: Justus Heuer, Maikel Wieland, Matthias Wilcken
20. November 2020

Führungs- und Eigentumsübergang sind Ereignisse, die Familienunternehmen mit ihrer besonderen Organisationsstruktur vor Herausforderungen stellen. Um diese zu meistern, kann eine Partnerschaft mit privaten Eigenkapitalgebern sinnvoll sein.

 Familienunternehmen unterscheiden sich von Unternehmen, die nicht inhabergeführt sind, i.d.R. durch ihren längeren Planungshorizont und ihr Wertegerüst. Statt einer formellen Organisation, in der Prozesse die Zusammenarbeit reglementieren, findet man in Familienunternehmen oft eine kulturelle Organisation, in der die Zusammenarbeit durch gemeinsame Werte organisiert wird. Dadurch gibt es in familiengeführten Unternehmen oft einen starken Zusammenhalt der Mitarbeiter und eine hohe Identifikation mit dem Arbeitgeber.

Generationenübergang als Risikofaktor

Den vielfältigen Vorteilen einer wertebasierten Organisation stehen aber auch Nachteile gegenüber: Während ein Managementwechsel in Unternehmen mit formeller Organisation i.d.R. weitgehend geräuschlos und ohne größere Risiken vonstattengeht, gilt der Generationswechsel in Familienunternehmen als großes Risiko für den Fortbestand des Unternehmens. Die weichen Faktoren, die Familienunternehmen auszeichnen, lassen sich schwieriger übergeben als klar strukturierte und dokumentierte Prozesse und ein technischeres Managementsystem.

Aber nicht nur beim Generationswechsel kann eine wertebasierte Organisation zum Nachteil werden: Auch die Übernahme eines Konkurrenten oder die Skalierung der Organisation lassen sich in stärker formalisierten Organisationen leichter bewältigen als in Strukturen, die stark auf den kulturellen Zusammenhalt setzen.

Erfahrung hilft im Transformationsprozess

Doch wie kann ein Finanzinvestor einem mittelständischen Familienunternehmen operativ helfen? Erfahrene private Eigenkapitalgeber haben eine dezidierte Expertise im Umgang mit transformatorischen Situationen wie Führungs- und Eigentumsübergang. Während diese Situationen für Unternehmer zum Ende ihrer Karriere i.d.R. eine völlig neue Herausforderung darstellen, gehört es für private Eigenkapitalgeber zum Tagesgeschäft, solche Transformationen zu managen. Im Gegensatz zu einem strategischen Käufer greift ein Finanzinvestor aber nicht in die Eigenständigkeit des Unternehmens ein. Im Gegenteil: Der kulturelle Kern des Unternehmens wird als wesentliche Komponente des Unternehmenswertes gesehen, die es zu bewahren gilt. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen:

Im Jahr 2014 suchte der Gründer von Comcave, einem der führenden Anbieter für Erwachsenenbildung in Deutschland, eine Nachfolgelösung. Comcave war bis dato in der Region um Dortmund aktiv und wollte das Geschäft bundesweit ausrollen. Das Unternehmen verfügte aber weder über die Organisations- noch über die IT-Struktur, um zügig eine Vervielfachung der Standorte bei gleichbleibend hoher Qualität zu gewährleisten. Gilde unterstützte den Gründer beim anstehenden Wachstum. Gemeinsam mit dem Gründer wurde ein neues Managementteam eingesetzt. Die unternehmerische Kultur wurde punktuell durch eine formelle Organisation flankiert, indem bspw. eine weitere Managementebene eingezogen wurde und das IT-System auf eine skalierbarere, modulare Architektur überführt wurde. Mittlerweile verfügt Comcave über deutschlandweit 55 Standorte.

Eine andere Vision verfolgen die Gründer von Caseking, einem der führenden Anbieter für Highend E-Sports Equipment in Deutschland: Unter ihrer Regie soll sich Caseking zu einem globalen Champion im E-Sports- und Gaming-Bereich entwickeln. Dazu brauchen die Gründer Partner, die nicht nur über Kapital, sondern auch über die Expertise verfügen, komplizierte internationale Transaktionen durchzuführen und pragmatisch in die Gruppe zu integrieren. Gemeinsam mit Gilde wird so aus einem paneuropäischen Champion eine globale führende Gaming-Gruppe mit weiteren Standorten in Taiwan und Australien geschaffen.

Augen auf bei der Partnerwahl

Trotz aller Erfolgsgeschichten sollte ein Familienunternehmen einen möglichen Partner sehr genau auswählen. Unterschiedliche Erwartungen, die sich erst nach der Transaktion herauskristallisieren, können einer erfolgreichen Kooperation im Wege stehen. Daher gilt: Bevor sich ein Familienunternehmen für einen privaten Eigenkapitalgeber entscheidet, sollte es eine klare Anforderungsliste an die Zusammenarbeit erstellen. Gemeinsam mit dem Partner sollten in der Folge eine klare Vision und ein konkretes Zielbild für diese Ehe auf Zeit entwickelt werden. Nicht zuletzt spielt auch der Sympathiefaktor eine wichtige Rolle, wenn die Zusammenarbeit gelingen soll.

Illustration: 123rf.com/Inimal Graphic

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