Vom Juniorpartner zum Hauptakteur

Beitrag von: Beatrice Dreyfus
11. Juli 2022

Bei Unternehmenskäufen schluckt meistens der Große den Kleinen. Der umgekehrte Fall ist selten. Aber auch das kann gelingen. Wann und warum auch kleinere Unternehmen gute Deal-Chancen haben, zeigt exemplarisch die Übernahme von MMC Studios durch Crosscast.

 Jens Wolf und Hacik Kölcu, die Geschäftsführer von Crosscast, hatten ambitionierte Wachstumspläne. Für ihr junges Unternehmen, einen Spezialisten für TV-Außenübertragungen und E-Sports, suchten die Unternehmensgründer 2019 einen erfahrenen Finanzierungspartner und stießen dabei auf Novum Capital, ein Private-Equity-Unternehmen in Frankfurt. Nach ersten Gesprächen lehnte Novum Capital ein Engagement ab, weil Crosscast mit einem Jahresumsatz von rund 2 Mio. EUR deutlich zu klein für das Portfolio war.

Ambitionierter Übernahmeplan

Bereits wenige Wochen später meldeten sich die beiden erneut – diesmal mit einer noch ehrgeizigeren Idee: Sie wollten die Nummer eins der TV-Studio-Anbieter in Deutschland übernehmen, die MMC Studios Köln, die zum Verkauf standen. Auf deren riesigem Areal mit 22 hochmodernen Studios, dem Coloneum in Köln-Ossendorf, entstehen regelmäßig TV-Primetime-Shows wie „Deutschland sucht den Superstar“, „The Masked Singer“ oder „Let’s Dance“. Verglichen mit der 43 Mio. EUR Umsatz (2018) schweren MMC war Crosscast freilich nur ein Zwerg.

Doch davon ließen sich die Crosscast-Macher nicht abschrecken, sondern entwickelten gemeinsam mit Novum Capital eine Strategie zur Übernahme und Weiterentwicklung der MMC Studios. Ausschlaggebend dafür, dass sich das PE-Unternehmen darauf einließ, waren die tiefen Branchenkenntnisse der beiden Ideengeber, ihre kreative, aber stets kommerzielle Denkweise und vor allem ihre Vision eines Gesamtkonzepts.

Vom Studiovermieter zum Filmstudio

Der erste Schritt dieser Strategie war es, Crosscast und MMC zu fusionieren. Im zweiten stellten die Initiatoren die Weichen dafür, dass die „neue“ MMC Gruppe den Bedarf der zahlreichen Video-on-Demand-Anbieter wie Netflix, Amazon Prime, RTL+ oder Joyn künftig besser decken würde.

Der dritte Schritt ging noch weiter: Zwar hatten sich die MMC Studios bisher mitunter als Co-Produzent an Filmproduktionen beteiligt, doch das Gros seines Umsatzes erwirtschaftete das Unternehmen seit rund 30 Jahren mit der Studiovermietung. Jetzt sollte aus den MMC Studios ein vollwertiges Filmstudio werden. Genau auf dieses Ziel hatte schon der Filmchef der „alten“ MMC, Bastie Griese, intern jahrelang hingearbeitet; mit den neuen Geschäftsführern – inzwischen waren sie auch Miteigentümer – konnte er es endlich umsetzen.

Eigenleistungen minimieren Finanzierungsrisiko

Die Idee klang aussichtsreich, aber finanziell riskant. Denn Filmproduzenten müssen in aller Regel viele Dienstleistungen – Studioflächen, Kulissenbau, Color Grading, Ton-Postproduktion – extern einkaufen. Aber wie viel ein Film künftig einspielen wird, lässt sich stets nur schätzen. Dieses Risiko kann MMC minimieren, weil das Unternehmen einen Großteil dieser Dienstleistungen ohnehin vorhält und sie ohne zusätzlichen eigenen Kapitaleinsatz in Filmproduktionen einbringen kann. Zugleich nutzt MMC sein großes Künstler- und Vermarktungsnetzwerk sowie internationale Filmfördertöpfe, um Investoren für seine Filmproduktionen zu gewinnen. So erzielt MMC schon vor Produktionsbeginn etliche Einnahmen, um die Kosten zu decken.

Das zweite MMC-Geschäftsfeld, die Außenübertragungen, brachte Crosscast nach der Übernahme ein. Um es weiter zu stärken, investierten die MMC-Geschäftsführer u.a. in einen hochmodernen Außenübertragungswagen und viel weitere Technik. Die beiden kreierten einen Top-Standard für eigene Spezifikationen, der andere Unternehmen das Drei- bis Vierfache kostet. Seither deckt die „neue“ MMC die komplette Produktionsbandbreite ab, im Studio und außerhalb.

Strategiewechsel mit sichtbarem Erfolg

Seit 2019 ist die MMC Gruppe stark gewachsen und hat trotz Personalaufbau ihre Gewinne um fast 50 Prozent erhöht. Zum im Wortsinn sichtbaren Erfolg der neuen Filmproduktionsstrategie wird der hochkarätig besetzte Kinofilm „Der Pfau“. Die Dreharbeiten sind gerade abgeschlossen. Für die Zukunft sind vier bis fünf nationale und internationale Filmproduktionen pro Jahr geplant.

Die MMC-Geschäftsführer zeigen damit, dass auch Manager relativ kleiner Unternehmen durch Fusionen und Übernahmen starkes Wachstum erzielen können. Vorausgesetzt, sie verstehen ihr Handwerk, denken kreativ und zugleich unternehmerisch. Zusammen mit einem Investor, der ihre Ideen auf Schwachstellen abklopft und ihnen zugleich vertrauensvoll weitgehend freie Hand lässt, lassen sich auch „filmreife“ Visionen in die Tat umsetzen.

Illustration: 123rf.com/feodora52

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