Während die einen Unternehmer mit Transformation vor allem die Sicherung der Zukunftsfähigkeit ihres Betriebes innerhalb bestehender Märkte und Anwendungsfelder verbinden, identifizieren andere neue Märkte und wachsen erfolgreich.
Beständiges Wachstum in den angestammten Märkten gehört für viele Unternehmer der Vergangenheit an. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung beschleunigt. Der technologische Wandel, die Veränderung der Kundenbedürfnisse sowie neu aufkommende Wettbewerber führen immer mehr Firmeninhabern vor Augen, dass ein Weiterso nicht möglich ist. Was gerade produzierende Unternehmen heute brauchen, ist keine „Besser – schneller – weiter“-Philosophie. Kein noch so günstig gefertigtes und langlebiges Abgassystem kann das profitable Wachstum eines Automobilzulieferers sichern, wenn die Pkw der Zukunft elektrisch angetrieben werden.
Wo Altes verschwindet, entsteht Neues
Wenn etablierte Unternehmen in eine Krise geraten, fallen oft Begriffe wie Restrukturierung und Turnaround. Dabei sind Kostensenkungen, Prozessverbesserungen und Stellenstreichungen erprobte Instrumente des Krisenmanagements. Diese Maßnahmen helfen ohne Zweifel, solange die Produkte und Lösungen, die das Unternehmen anbietet, am Markt langfristig gefragt sind. Was aber, wenn absehbar ist, dass diese Produkte und Lösungen durch exogene Veränderungen keine Bedeutung mehr haben werden? Dann wird auch die Restrukturierung das Unternehmen langfristig nicht profitabler machen. Im schlimmsten Fall bewirken Maßnahmen zur Kapazitätssenkung, dass das Unternehmen in den kommenden Jahren vom Markt verschwinden wird.
Gleichzeitig ist unverkennbar, dass neue Technologien und der damit verbundene gesellschaftliche Wandel aber auch neue Nachfrage schaffen. Dabei sind besonders solche Industrien oder Anwendungsfelder interessant, die die Kompetenzen etablierter Unternehmen benötigen. Denn Zukunftsindustrien beschäftigen sich eben nicht immer ausschließlich mit digitalen Lösungen, sondern brauchen oft klassische Technologien der Fertigung, der Montage und der Herstellung von physischen Teilen, die die etablierten Unternehmen perfekt beherrschen.
Den eingetretenen Pfad verlassen
Nun liegt es allerdings nicht in unserer Gewohnheit, radikal neu zu denken. Oft herrscht vielmehr die Meinung vor, dass das Altbewährte fortgeführt werden muss – nach dem Motto: „Wir können nichts anderes!“ Dieser Denkweise gilt es, in der heutigen Zeit entgegenzutreten: Häufig sind das Risiko und das Investment in ein Weiter-so größer als das Risiko eines radikalen Umdenkens. Je früher die Unternehmensverantwortlichen beginnen, neue Geschäftsmodelle als Option in ihre strategischen Überlegungen aufzunehmen, umso besser. Die finanziellen Möglichkeiten sind (noch) vorhanden.
Der Grund, warum Unternehmen nicht frühzeitig neue Wege gehen, ist verständlich: Das Risiko einer radikalen Veränderung ist vielen zu hoch. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich dies jedoch als Vorwand. In Wahrheit wissen die Unternehmer oft schlichtweg nicht, wie sie neue Märkte und Anwendungsfelder identifizieren sollen. Kein Wunder, denn sie haben diese Kenntnisse in der Vergangenheit nicht benötigt. Oft fallen in diesem Zusammenhang Begriffe wie Geschäftsmodellinnovation oder Company Building. Und tatsächlich besteht der Weg von langfristig nicht mehr profitablen hin zu zukunftsfähigen, radikal neuen Produkten und Lösungen aus diesen beiden Elementen.
Schritt 1: ein neues Geschäftsmodell entwickeln
Mit der Entwicklung eines neuen Ge¬schäftsmodells sind zwei Herausforderungen verbunden: Zum einen müssen detailliert die Intellectual Properties des bestehenden Unternehmens identifiziert werden. Hierzu zählen insbesondere die vorhandenen Fertigungs-, Verfahrens- und sonstigen Technologien, aber auch die Infrastruktur, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter u.v.m. Zum anderen gilt es, Anwendungsfelder und Zukunftsindustrien für diese identifizierten Intellectual Properties zu finden. Auf Basis dieser beiden Erkenntnissen wird ein neues Geschäftsmodell entwickelt und ein belastbarer Business Case erarbeitet. Der Einsatz erprobter Methoden des Design Thinking oder die Nutzung des Business Model Canvas können dabei sehr hilfreich sein.
Schritt 2: das „neue Unternehmen“ bauen, ohne das alte zu verlieren
Im Anschluss wird das bestehende Unternehmen entweder neu ausgerichtet, ohne die vorhandenen Kapazitäten zu zerstören. Oder es wird parallel zum Betrieb des Altgeschäfts ein neues Unternehmen aufgebaut. Dieses Start-up entwickelt sich aus dem alten Unternehmen heraus. Aus Forschung und Praxis wissen wir, dass dies nur mit einem hohen Anteil von neuen Mitarbeitern, die nicht aus dem alten Unternehmen kommen, gelingen kann.
Mut zum Aufbruch zeigen
Unternehmer haben in der Phase der Gründung ihres Betriebes Mut gezeigt. Sie haben bewiesen, dass das Risiko, neue Wege zu gehen, unausweichlich mit dem unternehmerischen Erfolg verbunden ist. Diese Einsicht gilt es, in der heutigen Zeit und gerade für diejenigen Unternehmen wiederzuerwecken, die bereits jetzt erkennbar unter spürbarem Transformationsdruck stehen. Nach dem Motto: „Every problem is an opportunity. The bigger the problem, the bigger the opportunity.“
peter.russo@eichenfels.com
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